Civic Soma - Hybris
Boersma / Soulfood
VÖ: 21.09.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Wunderkinder
Eine Band zu gründen ist ja heutzutage wirklich kein Thema mehr. Man schnappt sich ein paar seiner besten Freunde, sucht per Aushang im nächstgelegenen Supermarkt noch einen Komplizen, der schon mindestens drei Monate lang Erfahrungen im Verprügeln des Schlagzeugs hat, schießt ein höchst seriöses Bandfoto in stylishem Schwarz-Weiß und registriert sich von Facebook bis Musical.ly bei jeder nur erdenklichen Social-Media-Plattform. Nachdem diese zentralen Grundpfeiler im Leben einer jeden Band abgehakt sind, kommt oft die Ernüchterung. Die Ansprüche an die eigene Musik sind oft exorbitant, die tatsächlichen Fähigkeiten dafür liegen aber in himmelweiter Ferne. Man möchte am liebsten all den sagenumwobenen Rockstar-Legenden huldigen, ein mehrere Kapitel umfassendes Konzeptalbum schreiben und dem Ganzen dabei auch noch seinen eigenen innovativen Stempel aufdrücken. Die traurige Realität klingt dann üblicherweise nach Schülerpunkrock der untersten Güte, aber irgendwie muss man ja auch dazulernen. Warum die Aufzählung dieser kargen Chronik des Scheiterns? Weil Civic Soma aus Hamburg genau die selben Visionen für ihr persönliches Debüt gehabt haben müssen. Im Gegensatz zu den Allermeisten sind sie an diesen enormen Ansprüchen aber nicht zerbrochen, sondern brillieren in ihrer Kunst.
Denn "Hybris" legt sich wirklich mit den ganz großen Meistern an. Immer wieder zitiert das Hamburger Quintett in den Landschaften ihrer vertrackt-psychedelischen Prog-Welt Pink Floyd, sei es in den kreischend schönen Jauchzern aus "Riddled", die an "The great gig in the sky" erinnnern, oder in dem schweifend melancholischen Solo von "Cosmic office of coincidence". Wie ein Klon klingt die Band trotz dieser deutlichen Anleihen zu keinem Zeitpunkt, weil sie sich nur selten in breitarmiger Verträumtheit verliert, sondern sich vielmehr in stringenter Progression austobt, die sich in ihrer Größe an Classic-Rock-Monumentalismus anschmiegt. Tatsächlich erinnert die hohe und extravertierte Stimme von Frontmann Marc Borchert an das exzentrische Timbre von Alter-Bridge-Sänger Myles Kennedy, nur dass Civic Soma daraus eben keinen abgehalfterten 08/15-Alternative fabrizieren, sondern bildgewaltige Klangkunst. Teilweise möchte man fast glauben, das Quintett würde auf ebenjene Bombast-Suche der zeitgenössischen Rock-Rezeption eine Persiflage schaffen, weil "Deserted" sein klirrendes Synth-Solo als viel zu irres Finale einer fabelhaft ausgespielten Klimax verwirklicht.
Dies entsteht nicht aus dem bloßen Willen des technischen Schwanzvergleichs, sondern inszeniert inhaltlich obendrein den Konflikt zwischen zwei göttlichen Wesen, dessen ambivalenter Verlauf zwischen kriegerischer Auseinandersetzung und der spektakulären finalen Fusion durch die vielfältige musikalische Ausrichtung von "Hybris" auf spektakuläre Art und Weise erzählt wird. Besonders beeindruckend ist in dieser Hinsicht das rasende "Ataraxium", das nach herzrasenden Gitarren-Fluten mit einem Mal zum Stillstand kommt und dann in einer Hörspiel-artigen Sound-Installation das Koma der beiden Kontrahenten erklärt. Nach einer knappen Stunde dieses nervenaufreibenden Epos lässt einen das Debüt von Civic Soma ausgelaugt, aber gleichsam fasziniert zurück. In welchem abgehalfterten Proberaum dieses Werk auch immer geboren wurde – für einige Zeit muss dieser der Vorhof zu fernen Universen gewesen sein. Civic Soma sollten sich diese überirdische Eingebung für ihre gerade erst beginnende Karriere bewahren.
Highlights
- Ataraxium
- Cosmic office of coincidence
- Deserted
Tracklist
- Overture
- Riddled
- Pawn takes pawn
- Ataraxium
- Deserted
- Answers
- Cosmic office of coincidence
- Soma berenices
Gesamtspielzeit: 56:11 min.
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Referenzen
Galaxy Space Man; Arcane; Eden Circus; Awooga; Dream Theater; Pink Floyd; Pelagos; Motorowl; Abraham; Breaking Orbit; Traverser; Agent Fresco; Mother Of Millions; Black Space Riders; Haken; Votum; Caligula's Horse; Nova Collective; Dvne; Distorted Harmony; Rendezvous Point; In The Silence; The Great Discord; Opus Of A Machine; Klone; Earthside; Oceans Of Slumber; Uneven Structure; Skyharbor; Shattered Skies; Voices From The Fuselage; Leprous; Fifth Density; Being; Alter Bridge
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