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Marc Ribot - Songs of resistance 1942-2018

Marc Ribot- Songs of resistance 1942-2018

Anti / Indigo
VÖ: 14.09.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

American History X

Es ist für einen avantgardistischen, in der Intelektuellenszene New Yorks hochgeschätzten Gitarristen wie Marc Ribot sicher nicht ganz einfach, immer Fühlung zu den Alltagssorgen der sogenannten einfachen Leute zu halten. Doch Ribot, der einigen durch seine langjährigen Kollaborationen mit Tom Waits bekannt sein dürfte, war auch immer ein Mann der Straße. Und so war es für ihn auch ein einschneidendes Erlebnis, als bei einer Demonstration der "Occupy Wall Street"-Bewegung in New York den zahlreich erschienenen Menschen keine passenden Songs einfielen, die sie hätten singen können. Ribot, sich des reichhaltigen Kanons amerikanischer Protestlieder bewusst, hielt das für einen unhaltbaren Zustand, der durch die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten noch verschärft wurde. So ging dann Ribot daran, eine Art musikalische Geschichtsstunde in amerikanischer Protestkultur auf Platte zu bannen. Hilfe bekam er dabei von sehr prominenten Unterstützern. Und so ist das vorliegende "Songs of resistance 1942-2018" ein gewaltiges Aufbegehren zahlreicher Musiker gegen die akute gesellschaftliche Zerrissenheit im "land of the free".

In einer Mischung aus Neuinterpretationen alter Partisanenlieder, amerikanischer Songs der Bürgerrechtsbewegung und auch einigen frischen Kompositionen gelingt es Ribot vor allem aufzuzeigen, wie heterogen die musikalische Kulur der Vereinigten Staaten ist und dass sie sich aus weltweiten Einflüssen speist. Da stehen Country und Americana, Musikrichtungen, die vor allem Anhänger Trumps für sich reklamieren, neben Jazz, Soul und Blues aber auch lateinamerikanischer Musik. "We are soldiers in the army" eröffnet mit einer jazzigen Apokalypse aus feurigen Gitarren, giftigem Saxophon und einem ungebundenen Schlagzeugspiel den Reigen. Die angesprochene Zerrissenheit ist direkt zu Beginn spürbar, bevor Großmeister Tom Waits der bekannten Partisanenballade "Bella ciao ( goodbye beautiful)" mit einem traumwandlerischen Gespür für Betonung und Timing eine tonnenschwere Historizität auflädt. Ein weiterer wichtiger Partizipant dieser Platte ist Steve Earle, der mit "Srinivas" und "Ain´t gonna let them turn us around" den weißen, mittelständischen Country gegen die "white supremacy" wendet.

Marc Ribot selbst hält sich mit seinem Gitarrenspiel merklich zurüch, nur "The big fool" gönnt sich ein urwüchsiges Donnerwetter, ansonsten stehen für Ribot artistische Verrenkungen an seinem Instrument nicht auf der Tagesordnung. Viel wichtiger sind die Songs und ihre Interpreten an sich. Der feurige Soulrock "John Brown" mit der unverwüstlichen Fay Victor am Mikrophon zum Beispiel oder der geisterhaft neu inszenierte Partisanensong "The militant ecologist", basierend auf "Fischia il vento". Hier zeigt Interpretin Meshell Ndegeocello, dass sie auch abseits von Soul und Funk zu Hause ist. Kernsong dieses Albums ist aber vielleicht "How to walk in freedom", welcher über sanften Orchesterpop und lateinamerikanische Percussionarbeit die Vielfältigkeit von "Songs of resistance 1942-2018" auf den Punkt bringt. Und auch auf textlicher Ebene wird die reiche Tradition bürgerlichen Widerstandes deutlich. Bürgerrechtsikonen wie Rosa Parks oder Malcom X werden angerufen, "teach us how to walk in freedom / Coz I´m gonna walk in freedon / Even if it takes my life." Im Weiteren wird dann auch noch das einprägsame "get up, stand up" Bob Marleys zitiert, ein reichhaltiger Fundus also, aus dem diese Musik schöpft. So ist dieses Album in seiner Heterogenität, seiner inspirierten Uneindeutigkeit aber auch durch phasenweise prägnante Momente plakativer Klarheit ein anregendes, lebendiges und aufrührendes Geschichtswerk mit der Frische alarmierender Aktualität.

(Martin Makolies)

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Highlights

  • Bella ciao (goodbye beautiful) (feat. Tom Waits)
  • How to walk in freedom (feat. Sam Amidon & Fay Victor)
  • The militant ecologist (based on Fischia il vento) (feat. Meshell Ndegeocello)

Tracklist

  1. We are soldiers in the army (feat. Fay Victor)
  2. Bella ciao (goodbye beautiful) (feat. Tom Waits)
  3. Srinivas (feat. Steve Earle & Tift Merritt)
  4. How to walk in freedom (feat. Sam Amidon & Fay Victor)
  5. Rata de dos patas (feat. Ohene Cornelius)
  6. The militant ecologist (based on Fischia il vento) (feat. Meshell Ndegeocello)
  7. The big fool
  8. Ain´t gonna let them turn us around (feat. Steve Earle & Tift Merritt)
  9. John Brown (feat. Fay Victor)
  10. Knock that statue down (feat. Syd Straw)
  11. We´ll never turn back (feat. Justin Vivian & Domenica Fossati)

Gesamtspielzeit: 54:12 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

coquillat

Postings: 2

Registriert seit 21.06.2017

2018-09-27 09:30:55 Uhr
Gerade Tom Waits interpretiert Bella Ciao dermaßen absurd, daß mir der Atem stockt: so ein Anti-Singen, brüchig, falsch intoniert und ohne Linie - was will er damit ausdrücken? Ist er überfordert? gar sterbenskrank?? oder braucht er Geld???? Der Rest ist mal belanglos bis gut ... ein Album ohne Sinn und Verstand zusammen gewürfelt!!!!!

kapomuk

Postings: 73

Registriert seit 25.08.2014

2018-09-26 23:20:21 Uhr
Stilistisch sehr disparat, auch klanglich nicht wirklich befriedigend, aber doch „merkenswert“, weil es ein politisches Album eines Jazzmusikers ist – und wegen „Bella Ciao“ mit Tom Waits!
https://www.peter-hamburger.de/blog/2018/09/19/marc-ribot-songs-of-resistance-1942-2018/

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27328

Registriert seit 08.01.2012

2018-09-26 20:25:35 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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