Numb.er - Goodbye

Felte / Cargo
VÖ: 07.09.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10

Dunkle Wolken über sunny California
Nostalgie und Retromania sind in der Gitarrenmusik von heute weit verbreitete Gefühle. Verständlich, in Zeiten, in denen die Charts durch gefühlt von Algorithmen ausgerechneten Radiopopsongs dominiert werden und Rockmusik sich scheinbar nur noch in einem selbstreferenziellen Kreisel dreht. Was waren das für glorreiche Zeiten, schwärmen die Älteren, als man vom Plattenguru seiner Stadt die neuste Soon-to-be-classic-LP irgendeines coolen Indielabels überreicht bekam, während heute das Internet und Streaming-Dienste alles zu einem großen jederzeit abrufbaren Katalog aufbereitet haben und unbekannte Künstler mehr und mehr benachteiligen. Aber das kann ja auch alles positiv gesehen werden. So gut wie jeder kann jetzt, ohne viel Geld und Equipment, seine Musik bei Seiten wie Bandcamp zum Hören bereitstellen und sich gleichzeitig inspirieren lassen, von einer Menge an Musik, die so groß ist wie nie zuvor. Was macht es für einen Spaß, sich durch unendliche Stunden von Klängen unendeckter Bands mit so unterschiedlichen Einflüssen zu hören. Erst recht, wenn man dort mal wieder etwas wirklich Großartiges entdeckt. Dieses Album hier zum Beispiel.
"Goodbye", das Debut der sechsköpfigen Gruppe Numb.er aus Los Angeles, lässt sich ziemlich einfach in die Kategorie Post-Punk einordnen. Im Gegensatz jedoch zu dessen Revival in den 00er Jahren, als Bands wie Franz Ferdinand diese Musik vom Underground in die Radiotauglichkeit holten, scheint sich die heutige Welle an Bands wieder dem Original-Sound der frühen 80er anzunähern. Da passen auch Numb.er wunderbar herein. Der erste Track – "Lude (I Need It)" – ist noch kein wirklicher Song, klingt mit seinen verstörenden Sounds und von ganz weit weg kommenden Stimmen aber schon so, wie man sich irgendeinen gefährlichen, nächtlichen U-Bahn-Tunnel vorstellt. Der erste richtige Song "Father", mit seinem cool-gelangweilten Gesang und der verträumten Gitarrenmelodie, wird vom Post-Punk-klassischen monotonen Rhythmus angetrieben und ist ein erstes Highlight. Genauso wie der treibende Bass im folgenden "Numerical depression", das entgegen des Titels der wohl schnellste und tanzbarste Song von "Goodbye" ist.
Danach betritt die Band wirklich dunkles Terrain. "State lines" dauert über fünf Minuten, hat Synthesizer im Hintergrund, wieder unfassbar ohrwurmige Melodien und das sich immer wiederholende Mantra "you’re waiting at the state line". Da fragt man sich ernsthaft, wie es sein kann, dass diese Musik nicht aus irgendeinem kalten Vorort im England der Thatcher-Jahre kommt, sondern aus dem sonnigen Kalifornien des Jahres 2018. Wieder so eine Sache, die sich seit damals verändert hat, dass plötzlich Ort und Zeit für den Sound der Musik keine entscheidende Rolle mehr spielen. Dazu passt auch, dass Jeff Fribourg, der Sänger und Chef dieses Projekts, eigentlich ein Fotograf ist und nebenbei auch noch Krautrock spielt in der etwas bekannteren Band Froth. Ob das also Aussicht auf Erfolg hat, in L.A. ein Album herauszubringen, das so klingt, als wäre man erst gestern bei Joy Division im Factory Club gewesen? Fragen, die am Ende nicht mehr interessieren, wenn man so gefährliche Gitarrenriffs wie im Closer "We hide" spielen kann. "We break down barriers to find the things that make her feel alright. We hide." Viel Erfolg bei der Suche.
Highlights
- Father
- State lines
- We hide
Tracklist
- Lude (I need it)
- Father
- Numerical depression
- State lines
- A memory stained
- Hate
- The black bird
- Again
- We hide
Gesamtspielzeit: 31:02 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Vollmilchbart |
2018-10-14 11:27:30 Uhr
Schon tausendmal gehört. Nach zwei, drei Durchläufen zündest das Album dennoch.Gute Platte 8/10 |
wilson (ausgeloggt) |
2018-09-27 09:44:57 Uhr
jep...ich steh auch drauf! |
Vermilion.Smile |
2018-09-27 06:46:56 Uhr
Großartige Platte!Für die Rezi gilt einerseits „better late than never“ - die Lp habe ich bereits vor 2 Monaten gekauft und andererseits die unvermeidliche JD Referenz Nennung, obschon es ähnlicheres zu nennen gäbe, wie beispielsweise The Soft Moon. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 23874 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-09-26 20:25:12 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Froth; Joy Division; New Order; Gang Of Four; Wire; The Jam; Wipers; Magazine; Interpol; Editors; Franz Ferdinand; The Rakes; Idles; Shame; Preoccupations; Nation Of Language; Iceage; Ty Segall; Flasher; Bodega; Protomartyr; Algiers; Priests; Desperate Journalist; Savages; Diiv; Fews; All Diese Gewalt; Die Nerven; Klez.e
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- Numb.er - Goodbye (4 Beiträge / Letzter am 14.10.2018 - 11:27 Uhr)