Molly Burch - First flower

Captured Tracks / Omnian Music Group / Cargo
VÖ: 05.10.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Surf- und Jazz-Nostalgie
Molly Burch scheint sämtliche Wörterbücher zum Pop-Musik-Vokabular der frühen Sechzigerjahre eingehend studiert zu haben. Anders ist dieses zweite Album der Texanerin kaum zu erklären, denn Geliebte werden nur mit einem gehauchten "baby" oder "honey" angesprochen, sie sehen nicht einfach nur gut, sondern wie "candy" aus und wenn man verlassen wird, fühlt man sich "blue". Kein einziges Wort weist Burch als Produkt der heutigen Zeit aus. In dieser realitätsfernen Pop-Welt wird nicht lange um den heißen Brei herum geträllert, keine komplizierte Metapher bemüht, hier ist alles kristallklar und so wird es auch formuliert. Beziehungen scheinen nicht im ständigen Spagat zwischen Selbstbestimmtheit und Kompromissbereitschaft zerdehnt zu werden, es gibt noch die Gewissheit, dass der Partner "my man" ist und die gemeinsam verbrachte Zeit lässt sich ganz knackig zusammenfassen: "When it was nice, it was so nice." Dazu zahlreiche Floskeln, die man inzwischen auf dem Friedhof für verbrauchte Textzeilen begraben glaubte: "There she goes", "Here we go again", "Be good, honey", "I don't know what I would do without you." Klingt abgedroschen und aufgesetzt?
Molly Burch versteht es glücklicherweise, nicht wie eine überflüssige Kopie ihrer Vorbilder zu klingen und stattdessen ihre Inspirationen in eine eigene Ästhetik einfließen zu lassen. Das einzige Manko von "First flower" ist, dass Burch zu selten die Verve des Openers "Candy" auf die restlichen Stücke überschwappen lässt. Dankenswerterweise kann sie die Gefahr, dass sich im Laufe des Albums eine wohlige Schläfrigkeit einstellt, mit ihrem eigenwilligem Gesang und der sich virtuos durch die Lieder schlängelnden Gitarre schnell bannen. In ihrem selbstbewussten Anachronismus und der relaxten Art erinnert sie an Aldous Harding oder Angel Olsen, führt in ihrem Kampf gegen zeitgemäße Musik Einflüsse von den Ronettes über Dusty Springfield bis hin zu The Velvet Underground ins Feld und beschließt das Album mit einer Ballade, die von einem Elvis-Soul-Album stammen könnte. Die oben erwähnten Zeilen, zu denen man auch Reime wie "I like all of you / I like the things you say, the things you do" zählen darf, wirken in diesem Kontext nicht abgedroschen, sondern liebevoll in jene Ästhetik eingegliedert.
Dieser Musik die unbeliebten Begriffe "Indie" oder "Alternative" überzustülpen, wäre zu einfach, zumal sie in einer anderen Zeit schlicht als "Pop" bezeichnet worden wäre. Was Burch 2017 auf "Please be mine" bereits andeutete, hat sie hier zu einem konsistenten Mix aus jazzigem Gesang und Surf-Rock durchfluteten Instrumentals verdichtet. Mit "To the boys" beschwört sie, die Jazz-Gesang studiert hat, ihre großen Vorbilder Nina Simone und Billie Holiday. Den "Boys", die sie regelmäßig auffordern, lauter zu reden, schmettert sie entgegen: "I'm not a quiet singer, but I'm a quiet talker" und "I don't need to scream, to get my point across / I don't need to yell, to know that I'm the boss." Das zeigt Wirkung und bestärkt den Eindruck, dass Burch ganz genau weiß, was sie mit ihrer Zeitreise bezweckt. Auf "Every little thing" demonstriert sie die große Variabilität ihrer Stimme und springt vom gehauchten Leiern mit scheinbar größter Leichtigkeit in die höheren Register ihrer Kopfstimme. Ein schläfrig-schöner Abschluss dieser Wiederentdeckung der Sechziger-Pop-Musik.
Highlights
- Candy
- First flower
- To the boys
- Every little thing
Tracklist
- Candy
- Wild
- Dangerous place
- First flower
- Next to me
- Good behaviour
- Without you
- To the boys
- True love
- Nothing to say
- Every little thing
Gesamtspielzeit: 37:33 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Menlo |
2018-11-22 10:08:28 Uhr
Sowohl auf Platte als auch live (in Stuttgart) sehr überzeugend! |
hallogallo Postings: 197 Registriert seit 03.09.2018 |
2018-11-20 16:29:16 Uhr
Sehr kurzweilig! |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28244 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-09-26 20:22:36 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Aldous Harding; Angel Olsen; The Ronettes; Nina Simone; Billie Holiday; Patsy Cline; Dusty Springfield; The Velvet Underground; Elvis; The Beach Boys; The Mamas & The Papas; The Hollies; Mac DeMarco; Kevin Morby; Haley Heynderickx; Phoebe Bridgers; Anna Burch; Maragaret Glaspy; Hand Habits; Big Thief; Adrianne Lenker; Weyes Blood; Julia Jacklin; Bedouine; Faye Webster; Julie Byrne; Mothers; Sallie Ford and the Sound Outside
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