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Motorama - Many nights

Motorama- Many nights

Talitres / Rough Trade
VÖ: 21.09.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Illuminationen

Ein Fest war das mal wieder: die Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer 2018. Der halbe Planet schaute auf Russland, um dort 32 Nationen dabei zuzuschauen, wie sie einem Ball hinterherjagen. Warum auch nicht. Ein ganz anderes Vorhaben verfolgen Vladislav Parshin und seine Kollegen von Motorama – die wollen selbst in die große weite Welt hinaus. Diesem Traum sind sie in den letzten Jahren Stück für Stück nähergekommen: Die zwischen Post-Punk und Indie-Pop wandelnde Band schraubt ihren Bekanntheitsgrad seit Veröffentlichung ihres Debütalbums "Alps" im Jahr 2010 kontinuierlich höher und ist sich für Feinjustierungen im eigenen Motor nicht zu schade. Längst haben Motorama verstanden, dass ihre düster-kalten Klänge der Anfangstage nur ein Bestandteil ihres wachsenden Repertoires sein sollten, nicht aber das alleinige Mittel zur Welteroberung.

Und so spielten sie schon zuletzt auf dem 2015er-Werk "Poverty" und insbesondere auf dem nur ein Jahr später veröffentlichten "Dialogues" auch mit Licht statt nur mit Schatten. "Many nights", das fünfte Album des Gespanns aus dem südrussischen Rostov-on-Don, lässt die dunklen Nächte entsprechend halbwegs hinter sich: Wie ein mal sanftes, mal stürmisches Erwachen im Morgengrauen erheben sich die zehn neuen Stücke, die laut eigener Aussage von den Dichtern Arthur Rimbaud und Alexander Blok inspiriert wurden. Irgendwie passend – auch für die Werke dieser beiden Männer waren Lichter, Farben und Jahreszeiten von immenser Bedeutung.

Dass Motorama zusätzlich auch mit Elementen der afrikanischen und neuseeländischen Musikszene experimentierten sowie die cineastische Elektro-Klangkunst ihres Landsmannes Eduard Artemyev genauer begutachteten, kommt "Many nights" freilich nur zugute. Geradezu ausgelassen und entspannt beginnt der Tag hier mit dem Opener "Second part", dessen dezente Bongo-Rhythmen sich bestens mit Motoramas typischem Twang-Gitarrensound vereinen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Derart fröhlich und befreit hat wohl noch kein Album der Russen begonnen. Morgenstund hat weiterhin Gold im Mund mit der New-Wave-Nummer "Kissing the ground", und der grandiosen Melodie von "You & the others" sei Dank hat der berühmt-berüchtigte frühe Vogel gleich einen ganzen Schnabel voller Würmer stibitzen können.

Der Tag ist also angebrochen, die Decke ist zurückgeschlagen, der Traum aber noch nicht ganz vorbei: Zu surreal wirkt es, wie schnell sich das gerade mal zweiminütige "Homewards" zusammen mit den ersten grellen Sonnenstrahlen im Zimmer ausbreitet, zu heftig zwingt "He will disappear" zu gleichzeitigem Augenzwinkern ob der Helligkeit und zuckender Tanzerei ob des stellenweise regelrecht hektischen Taktes. Da vergisst man glatt das Frühstück. Das russische Erwachen geht ungebremst weiter, es steht ein Ausflug zum Naturreservat auf "Bering Island" an, die Seeotter sind längst ausgerottet, aber womöglich findet sich irgendwo tief im Sand verbuddelt noch ein Schatz. Hochmotiviert gräbt man zum zackigen Schlagzeug los, und plötzlich funkelt tatsächlich etwas zwischen den schmutzigen Fingern durch. Da ist man längst mehrere Meter tief und erinnert sich an das Unbehagen, das Motorama früher noch heraufbeschwört haben. Bevor der Schrecken zurückkehrt, wiegt das abschließende "Devoid of color" einen doch wieder in einen sanften, von sämtlichen Ängsten losgelösten Schlaf. Zweimal kurz geblinzelt, da ist wieder das eigene Schlafzimmer, unter einem das geliebte Bett, der Tag beginnt von vorne. Die dunkle Phase ist vorbei, das Licht gewinnt.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • Second part
  • You & the others
  • Devoid of color

Tracklist

  1. Second part
  2. Kissing the ground
  3. Homewards
  4. Voice from the choir
  5. No more time
  6. This night
  7. He will disappear
  8. You & the others
  9. Bering Island
  10. Devoid of color

Gesamtspielzeit: 27:30 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

carpi

Postings: 1467

Registriert seit 26.06.2013

2018-09-28 18:32:24 Uhr
Gut ja, mir gefällt der Vorgänger mit meinen beiden Lieblingstracks der Band "Hard times" und "I see you" aber derzeit besser.
Dieses Album kommt sehr homogen und wie erwähnt etwas freundlicher daher, kann man machen und ist schön durchzuhören. Mal weiterhören, ob der ein oder andere Song noch mehr hängenbleibt.
Wird endlich Zeit für ein Konzert, der Herbst gibt aber leider nichts her.

qwertz

Postings: 926

Registriert seit 15.05.2013

2018-09-28 12:05:37 Uhr
Bin auch verzückt. Echt mal wieder ein Stimmungswechsel zum letzten, finsteren Album. Tolle Songs, viel zu schnell vorbei das Ganze.
Im Rückblick gefällt mir sogar "Dialogues" besser als damals bei Erscheinen. Echt eine starke Band, die ihre Formel gefunden hat einfach auch hohem Niveau durchzieht.
Hubert K.
2018-09-26 17:24:44 Uhr
Erinnern ein wenig an Die! Die! Die! nur ohne Noise Faktor.

MM13

Postings: 2354

Registriert seit 13.06.2013

2018-09-25 18:57:01 Uhr
gutes album,wenn auch sehr kurz.7,5/10
für mich irgendwo zwische phoenix und new order.
Pete Martell
2018-09-22 00:05:52 Uhr
5 Alben auf durchweg hohem Niveau, muss man auch erstmal machen.
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