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The Joy Formidable - Aaarth

The Joy Formidable- Aaarth

Hassle / Rough Trade
VÖ: 28.09.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Höhlenmenschen

Sie haben es geschafft – zumindest so ein bisschen. Irgendwie war der Sound von The Joy Formidable schon immer größer als sie selbst: Wie die talentiertere, aber weniger beachtete Schwester-Band von Biffy Clyro ziehen sie seit jeher Gitarren-Leinwände breit genug fürs Stadion hoch, die sich trotz aller Massentauglichkeit immer Experimentier- und Spielfreude bewahrten. Mittlerweile steht das walisische Trio um Frontfrau Ritzy Bryan auch regelmäßig auf den passenden Bühnen, bespielten 2018 zum Beispiel die Main Stages von Reading und Leeds oder das von Robert Smith kuratierte Meltdown-Festival. Doch der ganz große Durchbruch lässt nach wie vor auf sich warten und so reicht es leider noch immer nur für den Foo-Fighters-Support, anstatt eine eigene, weitläufige USA- und Kanada-Tour anzuführen. Vielleicht ist es aber auch genau dieses Nischendasein, das The Joy Formidable immer wieder zu Top-Leistungen antreibt.

Bemühte Kollege Heinecker in der Rezension zum Vorgänger "Hitch" noch den Oasis-Vergleich, bewegt sich "Aaarth" wieder vom Gallagher-Größenwahn weg. Schon die Laufzeiten fallen direkt auf: Die vierte LP ist das kürzeste Album der Band bisher, in ihrem ersten Drittel kratzt sie die Vier-Minuten-Marke nicht einmal an. So hat auch der Opener "Y bluen eira" mit bisherigen Eröffnungs-Epen wie "This ladder is ours" wenig gemein, vermengt stattdessen walisische Sprachfetzen, Limp-Bizkit-Riffs und Schlagzeug-Gewitter in einen kleinen, vertrackten Bastard, der wenig Interesse an einer konventionellen Songstruktur zeigt. "13" statt "Be here now"? Nicht so ganz, schon "The wrong side" gibt sich im Anschluss ein gutes Stück zugänglicher und direkter. Doch auch in diesem treibend melodischen Alternative-Rock-Hit führen die Gitarren ein paar interessante Verrenkungen aus und schillern immer wieder elektronische Nuancen durch – ganz im Geiste des herrlich bunten Cover-Artworks.

Mit Zurückhaltung haben es The Joy Formidable hier ohnehin nicht so, die Folk-Ansätze sind fast völlig aus ihrem Gemenge von Grunge, Shoegaze und Indie-Rock verschwunden. Vielleicht gerät gerade deshalb der Anfang von "All in all" so unglaublich wirkungsvoll: Bryan haucht so eindringlich wie nie nur von einem Glockenspiel begleitet ins Mikro – abgesehen von der Piano-Ballade "Absence" ist dies der einzige Ruhepol des Albums. Allzu lange währt dieser aber nicht, der Track türmt im Folgenden Soundschicht um Soundschicht bis zu einem überdimensionalen Postrock-Finale auf, das kein bisschen an Intensität vermissen lässt. Mit "What for" galoppiert im Anschluss direkt der nächste Millionengaul los, allerlei Purzelbäume schlagende Gitarren buhlen um Aufmerksamkeit, dabei bleibt der Song selbst der größte Star. Ein dynamisches Meisterstück zwischen Krach und Eingängigkeit, für das jede Neunziger-Revival-Band ihre Smashing-Pumpkins-Plattensammlung verpfänden würde.

"Arth" ist das walisische Wort für "Bär", die zusätzlichen Vokale im Albumtitel sollen eine Art Urschrei daraus machen. Das passt: Im laut brüllenden Ansturm nach vorne fühlt sich das Trio noch immer am wohlsten, sei es in der ersten Single "Dance of the lotus" oder im späten Highlight "You can't give me", das mit einer wundervollen Dreampop-Melodie und zarten Klaviertönen eine zusätzliche Tiefenebene in all dem Lärm schafft. Ähnlich verhält sich auch "Go loving", das trotz seiner Kombination aus Piano-Riff und Gitarrenlärm genauso wenig wie ein Fremdkörper wirkt wie das Wüstensand aufwirbelnde "Cicada (Land on your back)". Nein, "Aaarth" wird nicht das Album sein, das Dave Grohl um seine Rolle als Haupt-Act bangen lässt, dafür schlägt es trotz aller großen Gesten zu viele Haken und schleift sein Songwriting nicht ganz so perfekt rund ab wie zuletzt. Dass The Joy Formidable somit weiter in ihrer Nische versacken, ist deshalb auch nicht weiter schlimm, denn hier können sie sich immerhin so austoben, wie sie wollen. Der titelgebende Waldbewohner dürfte an einem so kuscheligen Refugium sicherlich auch Gefallen finden.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • The wrong side
  • All in all
  • What for
  • You can't give me

Tracklist

  1. Y bluen eira
  2. The wrong side
  3. Go loving
  4. Cicada (Land on your back)
  5. All in all
  6. What for
  7. The better me
  8. Absence
  9. Dance of the lotus
  10. You can't give me
  11. Caught on a breeze

Gesamtspielzeit: 46:01 min.

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User Beitrag

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 33084

Registriert seit 07.06.2013

2020-06-08 15:24:53 Uhr
Immer noch toll. Und die Band immer noch zu unbekannt.

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 20059

Registriert seit 10.09.2013

2019-10-20 20:21:23 Uhr
Du meinst "lotus", mit "Gears of war" hat das nichts zu tun :D

Definitiv unterbewertete Band. Wie letztes Jahr schon gesagt, die könnten problemlos große Rockfestivals headlinen und eine hochwertige Figur dabei abgeben.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 33084

Registriert seit 07.06.2013

2019-10-20 19:13:39 Uhr
Immer wieder ein sehr gutes Album. Wie eigentlich alle von denen. Sehr unterbewertet die Band.

Highlights:
Opener, "All in all", "Dance of the locust"

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 33084

Registriert seit 07.06.2013

2018-12-16 00:00:44 Uhr
Debut und Vorgänge find ich besser, aber das Album macht defintiv Spaß. Grad der walisisch gesundene Opener ist klasse.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 33084

Registriert seit 07.06.2013

2018-12-05 18:02:41 Uhr
Wenn Biffy Clyro das dürfen, sollten das auch Joy Formidable dürfen.
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