Emma Ruth Rundle - On dark horses
Sargent House / Cargo
VÖ: 14.09.2018
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Galopp in den Sturm
Es ist sicher kein Zufall, dass Kollege Holtmann für die Rezension zu Emma Ruth Rundles "Marked for death" ein Gewitter als Leitmotiv wählte. Aufbrausend, laut und trotz aller Zerstörungskraft auf eine morbide-faszinierende Weise wunderschön – als würden Naturgewalten nur existieren, um den Metaphern-Pool für die Musik einer Milliarden Jahre nach Entstehung der Welt geborenen Kalifornierin zu bilden. Zwischen geerdetem Dark Folk und ausschweifendem Post-Rock hat sich besagte Dame eine Nische geschaffen, die nun, nach Bearbeitung durch drei Solo-Alben und diverse Bands wie Red Sparowes und Marriages, so komfortabel wie nie auf sie zugeschnitten wirkt. Da kann "On dark horses" noch so sehr die Wände zum Wackeln bringen – das Fundament steht. Rundle will schließlich nichts zum Einsturz bringen, sondern nur im Dienste ihrer Selbstreinigung einmal stürmisch durchlüften.
Kaum zu glauben, dass ihr 2011er-Debüt "Electric guitar one" nicht mehr als Skizzen zu bieten hatte, so aufgeräumt und ausgearbeitet ist die Musik sieben Jahre und drei Alben später. Der Opener "Fever dreams" beginnt drängelnd, beschwört zunächst ein düster-apokalyptisches Szenario im Geiste einer Chelsea Wolfe herauf, um mit einer hochmelodischen Hook ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen hereinzulassen. Zwei Minuten später dann der Bruch und Rhythmuswechsel, der Song wird zur psychedelisch-verträumten Schwelgerei, der letzte Refrain türmt sich mit himmelhohen Gitarrenwänden noch euphorischer als zuvor auf. Rundles Stimme erweist sich dabei für dieses beeindruckende emotionale Spektrum mehr als tragfähig und auch textlich geht ihre Zirkulation um Angstzustände und deren einengende Hölle tief unter die Haut: "A life spent uneasy, in pieces, always in pieces here / A life left, release me away from fever dreams."
Der Sturm tobt in vollem Gange und "On dark horses" denkt nicht im Traum daran, die Windstärke herunterzuschrauben. "Control" ist der kürzeste, direkteste Song und entwurzelt spätestens im brachialen Finale jeden Baum im Umkreis, während man sich die Frage stellt, ob man das noch als Shoegaze oder schon als Metal durchgehen lassen kann. Anstatt sich mit so unwichtigen Genre-Kategorien zu befassen, badet der Quasi-Titeltrack "Darkhorse" lieber in der eigenen Melancholie, doch Rundle hält sich dabei stets über Wasser. Es ist bemerkenswert, wie sie greifbare Strukturen und eingängige Melodien mit unterschiedlichsten Formen muskulöser Gitarrenmusik verbindet, ebenso wie sie sich gleichzeitig so zerbrechlich und intim wie selbstbewusst zeigt. Kontrast-Fetischisten dürften an diesem Album genauso viel Freude haben wie die Menschen, die frühestens bei violetter Unwetterwarnung das Haus verlassen.
Das grandiose "Dead set eyes" eröffnet die zweite Albumhälfte nicht nur mit dem besten Refrain der Platte, sondern klingt mit seiner Grunge-Pop-Ästhetik auch noch wie die ganz böse Schwester von Alanis Morissette. Auch der zynisch betitelte "Light song" stellt uramerikanische Musiktraditionen auf den Kopf und inszeniert sich in Zusammenarbeit mit Jaye Jayles Evan Patterson als dunkles Country-Duett im Post-Rock-Gewand. Rundles Definition von Americana ist ambitioniert und mächtig, doch wenn sich das abschließende "You don't have to cry" für den Großteil seiner Spielzeit zart und versöhnlich zeigt, offenbart sich erst, warum "On dark horses" ihr bestes Album bisher ist. Nicht nur, weil diese Mensch gewordene Naturgewalt ihre unbändige Kraft in die ausgereiftesten Songstrukturen gießt, sondern weil sie trotz meterdicker Gitarrenwände eine unfassbare Nähe zum Hörer aufbauen kann. Somit bleibt schlussendlich nur noch eine einzige Frage offen: Wie zur Hölle soll man sich als Rezensent neue Metaphern-Felder für diese Künstlerin überlegen, wenn Gewitter und Unwetter so gut passen wie nichts anderes?
Highlights
- Fever dreams
- Dead set eyes
- Light song
Tracklist
- Fever dreams
- Control
- Darkhorse
- Races
- Dead set eyes
- Light song
- Apathy on the Indiana border
- You don't have to cry
Gesamtspielzeit: 42:12 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Bochum oder Münster |
2019-05-18 09:01:43 Uhr
*schnell weglauf* |
Voyage 34 Postings: 958 Registriert seit 11.09.2018 |
2019-05-18 08:40:14 Uhr
Ah geil! Bochum oder Münster ich komme.. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27676 Registriert seit 08.01.2012 |
2019-05-17 19:23:18 Uhr - Newsbeitrag
Emma Ruth Rundle bestätigt weitere Termine in DeutschlandEin Jahr nach ihren letzten Shows in Deutschland kehrt Emma Ruth Rundle zurück. In voller Bandbesetzung wird sie die düsteren Songs ihrer vier Alben performen. Obwohl sie ständig auf Tour ist, schafft es Emma Ruth Rundle jedes zweite Jahr ein neues Album zu veröffentlichen. 2018 erschien „On Dark Horses“, das sie erstmalig zusammen mit ihrer Touring-Band aufgenommen hat, um die Energie, die auf der Bühne entstanden ist, einzufangen. Dieser kreative Prozess hatte in der Folge auch Auswirkungen auf Ihre weiteren Auftritte. War sie zuvor oft solo oder mit Gastmusikern unterwegs, die auf die Studio-Aufnahmen keinen Einfluss hatten, werden die neuen Songs in der Besetzung performed, wie sie entstanden sind. Das bringt eine eigene Dynamik auf die Bühne und spiegelt sich in der Chemie des Zusammenspiels untereinander wieder. Im Oktober wird Emma Ruth Rundle ihre beeindruckende Live-Performance in Bochum, Frankfurt, Münster, Berlin, Augsburg und Karlsruhe darbieten. Tickets sind ab sofort unter eventim.com und an allen bekannten Vorverkaufsstellen erhältlich. EMMA RUTH RUNDLE | EUROPE/UK FALL 2019 Support: Fvnerals* Präsentiert von: ByteFM | MusikBlog | PrettyInNoise 05.10.2019 Bochum | Die Trompete* 07.10.2019 Frankfurt | Nachtleben* 08.10.2019 Münster | Gleis 22* 09.10.2019 Berlin | Zukunft am Ostkreuz* 10.10.2019 Augsburg | Kantine* 20.10.2019 Karlsruhe | Stadtmitte |
Voyage 34 Postings: 958 Registriert seit 11.09.2018 |
2018-10-20 11:18:52 Uhr
Da würd ich auch gerne hin! Viel Spaß! |
Marküs Postings: 1287 Registriert seit 08.02.2018 |
2018-10-20 09:50:34 Uhr
Heute live in Köln Gebäude 9! Vorfreude! |
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Referenzen
Sharon Van Etten; Grouper; Chelsea Wolfe; Wye Oak; Waxahatchee; Swearin'; Noveller; Savages; Torres; Marissa Nadler; Julianna Barwick; Zola Jesus; Soap & Skin; Mitski; Mirel Wagner; EMA; Emily Jane White; Julia Holter; Jenny Hval; Angel Olsen; Palms; PJ Harvey; Cat Power; Tori Amos; Alanis Morissette; Kate Bush; Red Sparowes; Marriages; The Nocturnes; Aereogramme; Explosions In The Sky; There Will Be Fireworks; This Will Destroy You; Caspian; Mazzy Star; Daughter; Field Report; Anna Von Hausswolff; Deafheaven
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