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Trevor Powers - Mulberry violence

Trevor Powers- Mulberry violence

Baby Halo / Al!ve
VÖ: 17.08.2018

Unsere Bewertung: 5/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Kunstliches Aroma

Aus, Schluss, Ende. Youth Lagoon ist Geschichte, Trevor Powers die Gegenwart, "The year of hibernation" liegt hinter uns, das "Wondrous bughouse" ist gesäubert und entkeimt, der "Savage hills ballroom" menschenleer und stockdunkel. Powers hat mit seiner Vergangenheit abgeschlossen, die Niederlegung des alten Namens bezeugt diese Vermutung, die einst wie kleine vertonte Märchen klingenden Perlen ruhen in der Plattenkiste. Unter seinem richtigen Namen veröffentlicht er nun "Mulberry violence", der gewaltige Titel deutet bereits an, was in den kommenden knapp 37 Minuten passieren wird. Waren die Songs von Youth Lagoon so etwas wie Aroma-Therapie, ist das neue Material wie Akupunktur direkt ins Trommelfell.

Zehn Titel für Fans von Electronica, Noise, Alternative und Avantgarde, für jene Hörer der ersten Stunde dürfte das mindestens gewöhnungsbedürftig sein, wenn Powers' einst so sanfter wie harmonischer Gesang oft verzerrt und teilweise geradezu unkenntlich gemacht wird. Vorbei die Zeit, als Youth Lagoon mit jugendlicher Naivität und der Angst eines Heranwachsenden von den Dämonen in seinem Kopf sang, als "Mute" alles andere als still war, als "Highway patrol stun gun" sogar das Thema Polizeibrutalität gekonnt in einer Melodie irgendwo zwischen Hoffnung und Euphorie verarbeitete. "Mulberry violence" lässt diese beiden Schlagwörter vermissen. Zwar zieht sich Powers auch hier immer mal wieder aus den Störgeräuschen zurück und erinnert dabei an seine einstige Fragilität, jedoch werden diese kurzen Ruhephasen schnell wieder durchbrochen.

"Mulberry violence" ist im besten Fall unnahbar, im schlimmsten Fall regelrecht abweisend. Ein zaghaftes Herantasten scheint unerwünscht, friss oder stirb, ein von Strom und Kälte durchzogener Track wie "Dicegame" gibt seine Ruhe immer nur wieder vor und lässt den Hörer dann doch nur mit voller Wucht auf die Fresse fallen. Die rasiermesserscharfen Kanten der Papierschnipsel in "Pretend it's confetti" sorgen für tiefe, eiternde Schnittwunden, die immer wieder eingestreuten Computer- und Maschinengeräusche für Kopfweh, das stetig aufschreiende "Film it all" für gruseligste Albtraumsequenzen im Wachzustand und bei vollem Bewusstsein. "Plaster saint" wirkt da fast spöttisch, wenn Powers' Gesang anfänglich gar nicht zu erkennen und anschließend wie eine Parodie seiner selbst klingt. All das darf man getrost als Kunst bezeichnen. Und sehr gern darf man all jenen, die damit nur bedingt etwas anfangen können, den Vorwurf des Nichtverständnisses machen.

Dennoch: Stücke wie "Playwright" oder "Common hoax" schaffen es erfolgreich, Powers' neugewonnene Ambitionen und seinen Anspruch an Außergewöhnlichkeit mit seiner früher so geschätzten Emotionalität zu verbinden. Das Talent des 29-Jährigen ist unverkennbar und auch auf "Mulberry violence" nicht von der Hand zu weisen. Der Knackpunkt hier ist nicht etwa die Polarisierung, die Powers nicht nur in Kauf nimmt, sondern willentlich erzwingt. Sondern dass er damit auf gewisse Art und Weise sogar noch unsicherer wirkt als damals, als er sich zu demoartigen Melodien die verdammte Seele aus dem Leib gesungen hat. Unverzerrt, mit eigener Stimme, mit allen Konsequenzen. Damals war der Kalifornier noch Youth Lagoon, ein junger Mann an der Schwelle zum Erwachsensein mit der völlig natürlichen Panik vor der Zukunft. Und heute? Da versteckt sich Trevor Powers hinter dem Deckmantel der Kunst. Wollen wir hoffen, dass die Kutte weder ihm noch seinem Publikum nicht doch irgendwann zu schwer wird.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • Playwright
  • Common hoax

Tracklist

  1. XTQ idol
  2. Dicegame
  3. Pretend it's confetti
  4. Clad in skin
  5. Playwright
  6. Film it all
  7. Squelch
  8. Ache
  9. Plaster saint
  10. Common hoax

Gesamtspielzeit: 36:49 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

myx

Postings: 5431

Registriert seit 16.10.2016

2018-09-05 22:00:46 Uhr
Sehr schöne Rezi, auch wenn sich die Wahrnehmung der Musik grösstenteils nicht mit der meinigen deckt. Den Schlusssatz kann ich aber auf alle Fälle unterschreiben. - Gerne dann noch etwas mehr.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28240

Registriert seit 08.01.2012

2018-09-05 21:26:10 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?

myx

Postings: 5431

Registriert seit 16.10.2016

2018-08-21 07:56:04 Uhr
Tolle Scheibe, ich mag einfach diese mehrfach gebrochenen, technoid verpackten Songs. "When the picture is defective, it all comes into view" lauten die letzten Zeilen von "Mulberry Violence" - für mich einer der Schlüsselsätze des Albums.

Kann mir aber gut vorstellen, dass sich an dieser Musik die Geister scheiden. Von einer 5/10 bis zu einer 8/10 ist eigentlich alles möglich. Bin gespannt, in welche Richtung das Pendel bei Plattentests ausschlagen wird ...

Für mich ist "Mulberry Violence" jedenfalls ein Kandidat für das AdW. Lieblingssongs zurzeit: "XTQ Idol", "Playwright" und "Ache".

Gordon Fraser

Postings: 2763

Registriert seit 14.06.2013

2018-07-20 19:39:25 Uhr
Ich finde die neuen Stücke leider weitgehend unhörbar. Viel zu viel unnötiges Gefrickel und Verzerre, hinter dem die Songs kaum zu erkennen sind. Mischung aus Noise, Pop und avantgardistischen Atmosphärenm- stimmt schon, aber für mich keine gelungene.
Gegenüber den tollen letzten beiden YL-Alben ein ziemlicher Rückschritt.

myx

Postings: 5431

Registriert seit 16.10.2016

2018-06-29 13:47:21 Uhr
Erneut zwei ganz starke Songs von faszinierender Zerbrechlichkeit, Experimentierfreude und Hingabe. Das wird gross.

"XTQ Idol"
https://www.youtube.com/watch?v=ZWQ6SkBt59E

"Dicegame"
https://www.youtube.com/watch?v=YrNeEna4Qg4
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