Chilly Gonzales - Solo piano III
Gentle Threat / Indigo
VÖ: 07.09.2018
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Unter der Staubdecke
Ein Mann, ein Klavier. Diese nun nicht sehr spektakulären Zutaten haben einstmals vielleicht an verstaubte, schwermütige klassische Musik denken lassen, seit einigen Jahren jedoch sind ebendiese Ingredenzien ein echtes Erfolgsversprechen. Man denke an Nils Frahm, Ólafur Arnalds, Max Richter oder Lambert, um nur einige wenige zu nennen. Einer der Vorreiter dieser "Bewegung", falls man diese Entwicklung nun so nennen möchte, ist Chilly Gonzales. Man kennt und schätzt den kanadischen Gentleman und Bademantelträger für seine flotten Piano-Miniaturen. Zuletzt arbeitete er mit einem anderen Grandseigneur des Pop-Business zusammen: Jarvis Cocker. Nun sitzt Gonzales jedoch wieder alleine am Klavier, entsprechend auch der Titel seiner neuen Platte: "Solo piano III".
Wie der Name schon sagt, ist das neue Album der dritte und damit gleichermaßen letzte Teil der Reihe, die ersten beiden Ausgaben erschienen 2004 und 2012. Der Weg hierher war nach eigener Aussage ein ziemlicher Kampf für Gonzales, auch wenn man den einzelnen Kompositionen die Anstrengung ihrer Entstehung kaum anhört. Meist tippeln die in der Regel recht kurz gehaltenen Stücke vital über die Klaviatur, bisweilen gut gelaunt, manchmal mit kleiner Träne im Knopfloch, leichtfüßig aber in jedem Fall. Die vielen endlosen Gedanken und Ideen und all die Zeit, die der Künstler in sie investiert hat: Man hört all dies kaum heraus. Ein Problem der modernen, kontemporären Klassik ist ja ohnehin, dass man sich in ihr viel zu oft viel zu wohl fühlt. Auch "Solo piano III" kann sich davon nicht in Gänze frei machen.
Chilly Gonzales' Musik lädt freilich zum Verweilen ein, schafft sie doch Raum für Kontemplation und Ruhe, zum Innehalten und Entspannen. Ecken, Kanten, Brüche: Fehlanzeige. So kann man sich in all der Schönheit verlaufen, ohne Angst haben zu müssen, dass man hier irgendwo hängenbleibt. "Pretenderness" heißt das vielleicht stärkste Stück der Platte, die Melancholie bricht hier wohl am klarsten durch und zieht den Hörer angenehm nach unten. Das folgende "Prelude in C sharp minor" ist hingegen an den Großmeister Johann Sebastian Bach angelehnt, stellt eine Art Replik auf dessen "Präludium und Fuge C-Dur BWV 846" dar. Angeberwissen für zwischendurch: Dies ist der erste Teil des "Wohltemperierten Klaviers."
Wohltemperiert ist auch bei Chilly Gonzales vieles. Hin und wieder wechselt der Kanadier die Geschwindigkeit, die Stimmung ist verhalten beschwingt. Es wäre für den geneigten Rotweintrinker vielleicht noch etwas mehr Schwere drin gewesen, auch wenn "Be natural" schon ziemlich abgehangen daher kommt. Eine übergeordnete Dringlichkeit kommt jedoch nicht auf, die Stücke fließen so vorbei, funkeln in samtenen Goldtönen, schaffen es aber nicht, das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Mit früheren Kompositionen wie beispielsweise "Rideaux lunaires" ist ihm dies noch auf bemerkenswerte Art und Weise gelungen. Das soll die Grandezza und Anmut von "Solo piano III" keineswegs schmälern, sondern nur ein wenig ins rechte Licht rücken. Ein gedimmtes, aber das versteht sich ja von selbst.
Highlights
- Pretenderness
- Prelude in C sharp minor
- October 3rd
Tracklist
- Treppen
- Pretenderness
- Prelude in C sharp minor
- Famous hungarians
- Chico
- Nimbus
- Be natural
- Ellis eye
- Present tense
- Cactus impromptu
- Lost ostinato
- Blizzard in B flat minor
- October 3rd
- Kopfkino
- Whist
Gesamtspielzeit: 38:04 min.
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2018-09-05 21:23:43 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Gonzales; The Kaiser Quartett; Nils Frahm; Lambert; Mocky; Octave Minds; Ólafur Arnalds; Jamie Lidell; Erik Satie; Hauschka; Patrick Watson; Vince Guaraldi Trio; Bahamas; Nicolas Jaar; Brad Mehldau; Aufgang; Sparks; Yello; Das Leschenko Orchester; Beck; Jimi Tenor; Ennio Morricone; Johny Barry; Jerry Goldsmith; James Horner; Elmer Bernstein; Cinematic Orchestra; Jazzanova; Max Richter; Rone; Steve Reich; Agnes Obel; Benjamin Clementine; Greg Haines; Zbigniew Preisner
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