Murder By Death - The other shore
Bloodshot / Rough Trade
VÖ: 24.08.2018
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Ein sauberes Hemd
Liebe Freunde ausgedehnter Schwimmrunden im Sündenpfuhl, die Ihr euch mit der Musik von Murder By Death so gern die Hände und die Seele schmutzig gemacht habt, Ihr müsst jetzt tapfer sein. Es ist passiert: Die Band aus Louisville hat einen durch und durch lebensbejahenden, positiven Song zu Wege gebracht. An neunter Stelle des neuen Albums "The other shore" tönt es einem offensiv, durch beschwipste Bläser und einen äußerst sonnigen Synthie unterstützt, schallend entgegen: "I have arrived / I wanna step outside / In the red light." Und wenn der Rezensent jetzt noch behaubtet, das sei nur die Spitze des Eisberges, kann man sich auf etwas gefasst machen.
Denn auch wenn die Rahmenhandlung gewohnt apokalyptisch als Space-Western inszeniert ist, Murder By Death sind jetzt eine gesunde Band, sie haben ein Bad genommen, die Klamotten gewechselt und vor allem ihren Instrumenten den Belzebub ausgetrieben. Wo es früher gehörig knirschte, Gitarren übersteuert losjaulten und generell an ein versöhnliches Auskommen der Beteiligten untereinander nicht zu denken war, herrscht jetzt Ordnung. Jedes Instrument artig an seinem Platz, schön hinter- oder nebeneinander. Bezeichnend: Das Cello von Sarah Balliet hat einen Benimm-Kursus absolviert, macht jetzt nur noch Dinge, die auch beim Gala-Dinner des Bürgermeisters niemanden brüskieren würden. Die Zeiten, als im Resonanzkörper von Balliets Instrument ein fauliger Engel des Verfalls seine Existenz aushauchte, sind vorbei. Vorbei auch die Zeiten, in denen man die Musik dieser Band in die Kaschemme neben der Jauchegrube verortet hat, bevölkert von Halsabschneidern, Ehebrechern und anderen Halunken.
Vielmehr scheinen die Protagonisten jetzt eine gewisse Integrität zu besitzen. Da beichtet die Figur im eröffnenden "Alas" zwar ihre charakterlischen Schwächen, der feierliche Gestus der Musik, die ihre Kaninchenfallen am Grenzübergang zur Mumford-Familie auslegt, zeugen jedoch eher von einem edlen Gemüt. Für Anhänger der Band, die den Frontamann Adam Turla für Bekenntnisse wie "I destroy everything of beauty" geschätzt haben, erscheint das alles natürlich wie eine mittelschwere Katastrophe. Doch vielleicht wird auch für diese Zeitgenossen nach und nach ein anderer Aspekt dieser Platte in den Vordergrund treten: Das reine Songwriting ist nämlich ziemlich stark.
Da wird der pastorale Schwebezustand von "Chasing ghosts" mit einem lakonischen "keep running" in Richtung Horizont erweitert, und "True dark" setzt martialische Drums neben ein engagiertes Cello-Spiel und gibt sich damit ein monolithisches, undurchdringliches Antlitz. Ein feiner Kunstgriff ist auch, wie Turla in "Stone" die Intensität seines Gesangs unvorhergesehen hochschraubt und so dem Stück eine gesteigerte Dringlichkeit gibt. Dass nach solch einem eher kräftigen Song das zärtelnde "Travelin' far" eingeschoben wird, zeigt, dass sich die Band auch einige fruchtbare Gedanken über das Sequencing gemacht hat. "Only time" hält in Folge dann vielleicht die schönste Cello-Melodie bereit, die Sarah Balliet bei Murder By Death je spielen durfte, lieblich, anschmiegsam aber auch zutiefst wehmütig. Fast schon fröhlich ist das Akkordeon, das dem Arcade Fire nahe stehenden "Bloom" eine merklich helle Klangfärbung gibt. Und auch Zeilen wie "I am my mother's son / Come with me old dog / Make way everyone / There is a change in power" zeigen, dass der marode Dekonstruktivismus früherer Alben immer öfter einem gesunden Optimismus weicht. Ob sich Murder By Death damit jedoch einen Gefallen getan haben, ist die große Frage. Denn der etwas strenge Geruch nach Verfall und Verhängnis hat dieser Band immer einen ganz eigenen, existentialistischen Stempel aufgedrückt. Derart rein gewaschen laufen sie nun Gefahr, nur noch eine von vielen Folk-Rock-Bands zu sein, trotz starker Songs.
Highlights
- Chasing ghosts
- Stones
- Bloom
Tracklist
- Alas
- Chasing ghosts
- True dark
- Stone
- Travelin' far
- Only time
- Space
- Bloom
- I have arrived
- New old city
- Last night on Earth
Gesamtspielzeit: 43:23 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Gomes21 Postings: 5233 Registriert seit 20.06.2013 |
2021-11-15 13:10:00 Uhr
Köln wäre natürlich top, aber in momentaner Lage hält sich meine Lust auf Konzerte in geschlossenen Räumen mit vielen Menschen doch sehr in Grenzen. Fühle ich mich einfach nicht wohl bei, also muss wohl leider auch diese Chance vorbei ziehen… |
Yndi Postings: 358 Registriert seit 23.01.2017 |
2021-11-15 10:47:22 Uhr
Sind ja jetzt Anfang Dezember in Köln und Berlin. Da scheint es auch noch Tickets zu geben, ob die Konzerte stattfinden, ist natürlich aktuell eine andere Frage. Auch für mich eine der Top 5 Bands, die ich noch nicht gesehen habe, daher hoffe ich das beste. |
Gomes21 Postings: 5233 Registriert seit 20.06.2013 |
2021-11-15 10:42:36 Uhr
Möchte die ja sehr gerne noch mal live sehen, das hab ich bisher verpasst. Die letzten releases sind etwas an mir vorbei gegangen |
Arne L. Postings: 1340 Registriert seit 27.09.2021 |
2021-11-15 03:18:09 Uhr
Release |
Arne L. Postings: 1340 Registriert seit 27.09.2021 |
2021-11-15 02:58:00 Uhr
Ich sage das als langjähriger MBD-Fan: Ja, das ist kein perfektes Releas, aber "True Dark" und "Stone" sind ihre besten gradelinigen Singles bis heute. Die ballern einfach und funktionieren für sich. Kudos dafür. |
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Referenzen
Wovenhand; Sixteen Horsepower; Madrugada; Sivert Høyem And The Volunteers; Tom Waits; Calexico; Firewater; Mumford & Sons; Giant Sand; Howe Gelb; Nick Cave & The Bad Seeds; Grinderman; Retribution Gospel Choir; John Mellencamp; These Immortal Souls; Cursive; The Good Life; Tim Kasher; Tindersticks; Bill Callahan; Stuart A. Staples; The Mountain Goats; The Twilight Sad; Chris & Carla; Beasts Of Bourbon; The Felice Brothers; Two Gallants; The National; Arcade Fire; Bruce Springsteen; Low
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