Betontod - Vamos!
Arising Empire / Nuclear Blast / Warner
VÖ: 31.08.2018
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
Vermischt
Die Zeiten standen wohl günstig. Klar, im Vergleich zu den guten alten seligen Jahren des Musikmarkts werden heutzutage viel weniger Verkäufe für die Charts benötigt, aber als sich um 1990 herum in einem kleinen Kaff am Niederrhein eine Band namens Betontod gründete, war der Gedanke an die Hitlisten vermutlich weiter, als sich die fünf Punks von damals dies wohl je ausgemalt hatten. Und obschon die letzte Platte "Revolution" wohl kaum eine solche war, nicht mal ein Revolutiönchen, sprang am Ende tatsächlich Platz drei heraus. Irgendwie also trifft das Quintett, das seit den ersten Demos nur einen wirklich einschneidenden Besetzungswechsel zu kompensieren hatte, mit seinem radiokompatiblen Punkrock bei den Fans ins Schwarze – nicht zuletzt dank zahlreicher wirklich starker Live-Auftritte, bei denen die Songs bisweilen erheblich ruppiger als in den Studioversionen daherkommen.
Und da die "Hasse ma 'ne Maak"-Zeiten längst vorbei sind und die fünf Herren um Gitarrist Frank "Eule" Vohwinkel mittlerweile im gesetzten Alter angekommen sind und Familien zu versorgen haben, hält sich die Überraschung in Grenzen, dass die Rheinländer gerade 18 Monate nach dem Chart-Erfolg mit "Vamos!" dort weiterzumachen gedenken, wo "Revolution" aufhörte. Nämlich mit "Zusammen", einer bandtypischen Hymne an die Freundschaft, reichlich "Ohoho"-Chören und einem schick treibenden Refrain, der auch in fortgeschrittenem Festival-Suff noch wunderbar mitzugrölen ist. Und wie schon zuvor gelingt es der Band hier, Plattitüden eingängig zu verpacken, damit's einfach nur Spaß macht. Allerdings nur, um mit dem großartigen Titeltrack den saturierten Mittelständlern einen akustischen Scheitel zu ziehen. "Wo ist die Subkultur geblieben / Wer hat sie von hier vertrieben?" ist die Frage, und sie ist berechtigt in Zeiten, in denen anonyme Hetze in sozialen Netzwerken der bequemere Weg zu sein scheint.
Dabei bleiben die Rheinberger ihrer Linie treu, ohne zu großes Risiko einzugehen. Das bedeutet konsequenterweise, dass die besagten Mitsing-Chöre geradezu inflationär eingesetzt werden, weil's gerade so schön passt, auch wenn die Singles "Boxer" und "La familia" trotz allem herrlich mitreißende Stücke Punkrock sind. Das bedeutet aber leider auch, dass die längst vergessen geglaubte Gattung "Saufsong" wieder in Form von "Nie mehr Alkohol" zu Ehren kommt. Selbst wenn dieses Suffliedchen sarkastisch sein soll: Diese Nummer ist nicht Betontod, sondern eher Maurerkrätze und hätte mit Lyrics wie "Alkoho-ho-ho-hol mir noch ein Bier" prächtige Chancen, am Ballermann zur Hymne zu wachsen. Und plötzlich klingt "Hömmasammawommanomma" vom Album "Entschuldigung für nichts" von 2012 geradezu grammyverdächtig. Unser Vorschlag fürs Pseudonym, um den Bandnamen nicht zu sehr zu beschmutzen: Zacharias Zement und die Mischer-Boys.
Da dieses Trauerspiel zudem von pathostriefenden Nummern wie "Niemals untergehen" und "Bengalo" flankiert wird, ist die anfangs so positive Stimmung plötzlich im Keller. Und das ist im Grunde genommen jammerschade, denn so verliert das biestige "Stück für Stück" gehörig von seiner Wirkung, wo doch eigentlich jede Zeile voller Wut der immer kälter werdenden Gesellschaft in die arrogante Visage geschlagen werden müsste. Dieser Umstand ist umso bedauerlicher, da die Spielzeit mit gut 35 Minuten ohnehin knapp bemessen ist und eigentlich jeder Song auf den Punkt kommen müsste. So bleibt der Eindruck zwiegespalten, bleibt die Frage, ob "Vamos!" nun auf der Suche nach Konsens verkalkuliert ist oder schlicht ein Schnellschuss bleibt. Für die Hälfte der Platte, die bisweilen wirklich hochklassiger Punkrock ist, hätte vermutlich auch eine EP ausgereicht. Schade eigentlich.
Highlights
- Vamos!
- Stück für Stück
Tracklist
- Para toda la vida
- Zusammen
- Vamos!
- Boxer
- La familia
- Es ist vorbei
- Niemals untergehen
- Nie mehr Alkohol
- Bengalo
- Stück für Stück
- Diese Zeit
Gesamtspielzeit: 35:37 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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@Markus |
2018-08-27 20:41:33 Uhr
Jaja "von seiner Fascho-Vergangenheit losgesagt" gilt ja auch für jedes Mitglied der Onkelz... Komisch, dass deren Fanbase trotzdem sehr rechts ist. |
Markus Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 19 Registriert seit 12.06.2013 |
2018-08-22 20:32:20 Uhr
Die Band, auf die User "Kleine Frage" hier anspielt, ist im übrigen 4 Promille. Und der erwähnte Sänger ist ein gewisser Volker Grüner, der sich a) mehrfach eindeutig, auch in Texten von 4 Promille, von seiner Fascho-Vergangenheit losgesagt hat und der b) im übrigen schon seit 2011 nicht mehr Mitglied der Band ist.So viel zu "vorher informiert" :-) Ansonsten bin ich gerne bereit, über dieses Thema zu diskutieren, und wie Armin schon schrieb, gerne auch vertraulich per Mail, bin aber raus, wenn es um pauschale Verurteilungen von Oi!-Bands bzw. um eine "Einmal Fascho, immer Fascho"-Diskussion geht. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27369 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-08-22 19:44:04 Uhr
Herrlich absichtlich aus dem Zusammenhang gerissen. ;-) |
Abcdefgh |
2018-08-22 07:14:50 Uhr
Zunächst einmal sind Betontod sehr erfolgreich und machen Musik, die für uns stilistisch absolut relevant ist.Top, also endlich Rezensionen von Onkelz und FREI.WILD |
wilson (ausgeloggt) |
2018-08-22 00:03:54 Uhr
nicht mehr diese woche! |
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Referenzen
Die Toten Hosen; 4 Promille; Loikämie; Slime; Verlorene Jungs; Dritte Wahl; The Wohlstandskinder; ...But Alive; The Casualties; Dropkick Murphys; Cock Sparrer; The Business; Sham 69; Die Lokalmatadore; Rantanplan; Die Kassierer; Terrorgruppe; Oxymoron; Dimple Minds; Kotzreiz; Chefdenker; Rogers; Supernichts; Findus; Feine Sahne Fischfilet; Fahrlässig; Ca$hbar Club; Der Dicke Polizist; Fahnenflucht; Volxsturm; Wizo; Social Distortion; Ska-P; Mad Caddies; Beatsteaks; Muff Potter; Jupiter Jones; Bad Religion
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