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Helena Hauff - Qualm

Helena Hauff- Qualm

Ninja Tune / Rough Trade
VÖ: 03.08.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Maschine brennt

Da hinten stehen Maschinen. Sie rauchen und spucken. Es ist dunkel. Auf der Wahrnehmung sind Muster drauf. Wer die Gerätschaften bedient, war am Eingang zu lesen. Helena Hauff, DJ und Hamburgerin, in dieser Reihenfolge. Die Musik steht bei Hauff im Vordergrund, auch die gekonnte Selbstinszenierung als unnahbare Knöpfchenqueen kann daran nichts ändern. Wer Hauff einmal bei der Arbeit erlebt hat, weiß, wo ihr Schwerpunkt liegt: Sie begreift ihre Synthesizer und Sampler als Instrumente. Dies verleiht ihren Tracks eine organische Qualität. Just dieser Jam-Charakter, der ihren Sets innewohnt, zeichnet auch ihr zweites Studiowerk "Qualm" aus. Irgendwo zischelt immer etwas, und wenn doch einmal unverzerrte Sounds erklingen, dann scheinen diese direkt aus der Frühzeit des Techno in die Gegenwart hinüberdiffundiert zu sein.

Die umfassende Eigenartigkeit ihres Debüts "Discreet desires" erreicht "Qualm" selbstverständlich nicht mehr. Hauffs Herangehensweise ist nun bekannt. Dies mindert die Wertigkeit ihrer Tracks aber nicht im geringsten. Besonders in der ersten Hälfte des Albums regieren perkussive Elemente, welche meist so lange durch Kompressoren und Verzerrer gejagt werden, bis nichts außer einen pulsierenden Konkursmasse übrigbleibt. Die Zwischenräume füllt die Hanseatin gekonnt mit allerhand Geblubber und Gefiepe, welches gerne auch mal atonal daherkommt. Wer also beim Tanzen lieber die Hände in die Höhe schmeißt, möge sich nach anderen Beschallungsquellen umsehen. Hauff hat keine Angst vor Ecken und Kanten, was besonders den straighteren Tracks gut zu Gesicht steht. Herausragend ist beispielsweise die Acid-Fingerübung "Hyper-intelligent genetically enriched cyborg", deren Basslinie aus Gesichtern Smileys macht.

Immer wieder zerstört die Musikerin absichtlich den Fluss des Albums, indem sie auf tanzbare Stampfer verschrobene Miniaturen folgen lässt. So erinnert der Beginn von "Entropy created you and me" an einen aus dem letzten Loch pfeifenden Soundchip eines C64. Derlei Brüche sind notwendig, um das Maximum aus den Longtracks herauszuholen. "The smell of suds and steel" ballert sich in knapp über acht Minuten in einen Rausch, wobei auch hier die Drums der eigentliche Star sind. Stoisch verrichten sie ihr Werk, während links und rechts die Filterblasen platzen. Das alles klingt zwar reichlich verschroben, aber eben auch herrlich abgefahren. Helena Hauff ist Puristin, ihr Abenteuerland der Platz hinterm Pult.

Gerade weil sie dem Kaputten einen prominenten Platz einräumt, gewinnt ihre Musik an Tiefe. Unbarmherzig schiebende Tracks wie "Lifestyle guru" lassen keinen Platz für weitere Fragen. Hier werden auch die EBM-Einflüsse spürbar, welche sich wie ein roter Faden durch das Album ziehen. Hauffs Klangschöpfungen gehen allerdings weit über reine Funktionsmusik hinaus. Bei aller Tanzflächentauglichkeit funktionieren sie auch hervorragend auf der heimischen Anlage. Einen Hang zur Abseitigkeit sollte der Konsument zwar mitbringen, in der permanenten Schräglage schlummert jedoch der eigentliche Reiz von "Qualm". Nur weil etwas beschädigt ist, muss man es noch lange nicht wegwerfen. Das gilt im Besonderen für rauchende und spuckende Maschinen in abgedunkelten Räumen. Dreh Dich nach rechts und klatsch in die Knie.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Lifestyle guru
  • Hyper-intelligent genetically enriched cyborg
  • The smell of suds and steel

Tracklist

  1. Barrow boot boys
  2. Lifestyle guru
  3. btdr-revisited
  4. Entropy created you and me
  5. Fag butts in the fire bucket
  6. Hyper-intelligent genetically enriched cyborg
  7. The smell of suds and steel
  8. Primordial sludge
  9. Qualm
  10. No qualms
  11. Panegyric
  12. It was all fields around here when I was a kid

Gesamtspielzeit: 56:37 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Toblerone
2018-08-17 06:15:54 Uhr
Mir gefiele das eigentlich. Eigentlich.

Aber wer seine Lieder/Stücke übersteuert aufnimmt, als wären wahlweise Plattenspieler, Verstärker oder Lautsprecher kaputt und das dann künstlerisches Stilmittel nennt, bekommt von mir keinen Applaus.

Gekauft, gehört, geärgert, weggestellt. Obwohl mir das eigentlich schon gefiele.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-08-12 21:42:32 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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