Odetta Hartman - Old rockhounds never die
Memphis Industries / Indigo
VÖ: 10.08.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
East Coast Western
Odetta Hartman ist eine Frau der Gegensätze – und damit der Traum jedes Rezensenten, der so die perfekte Vorlage für ein paar flott geschriebene Eröffnungszeilen bekommt. Also bitte: Obwohl ihr Name wie aus einem Western-Roman gerissen klingt, wuchs besagte Dame in der Künstlerszene Manhattans auf, fand schon früh Berührungspunkte mit vielfältigen Kulturen, Poesie und Aktivismus. Ihre musikalische Sozialisation bestand aus Punk, HipHop und Soul gleichermaßen wie aus den alten Country-Platten ihrer aus den Appalachen stammenden Mutter. Sie spielt Banjo und Violine, brachte ihr Debütalbum "222" auf Kassette raus, hantiert aber auch mit elektronischen Beats und Field Recordings. Zwischen Cowboy-Romantik und urbanem Hipstertum, zwischen Nostalgie und Futurismus platziert sich diese junge New Yorkerin und schafft es, in einer gefühlt Jahr für Jahr innovationsärmer werdenden Musikwelt tatsächlich originell zu klingen. Als "Cowboy Soul", "Future Folk" und "Sound Experiments" fassen es die Tags auf Hartmans Bandcamp-Seite zusammen, doch "Old rockhounds never die" hat sich noch ein paar Worte mehr verdient.
Die an den Anfang gestellte, betrunken aufgenommene Titelskizze deutet schon an, was der folgende "Cowboy song" ausformuliert. Über einem Beat aus Haushaltsgeräten klimpert ein Saloon-Piano und quietscht eine Fidel, während Hartman ein munteres Reiselied über die Begegnung mit einem "echten" Cowboy zupft. Ziemlich genau so hätte wohl eine dritte, von Dolly Parton großgezogene CocoRosie-Schwester geklungen, doch ganz so einfach bleibt die Kategorisierung des restlichen Albums nicht. "You you" stellt die zuvor etablierte Formel auf den Kopf, verbannt den Country völlig und präsentiert ein Lo-Fi-Gitarrenpop-Kleinod zwischen St. Vincent und Garagen-Indie. Es sind solche Überraschungsmomente, die "Old rockhounds never die" immer wieder liefert und sein Spannungslevel damit konstant hoch hält. Der düstere Folk von "Widow's peak" vermag mit Donnergrummeln und eindringlichem Gesang sowieso schon eine ungemein einnehmende Atmosphäre zu erzeugen, doch wenn Hartman hier auch noch unvermittelt unheilvolle Streicher-Wände hochzieht, strapaziert sie die Nerven des Hörers noch mehr als ihr verstimmtes Instrument.
Sieben der fünfzehn Songs sind weniger als zwei Minuten lang, doch Sorgen um Zerfahrenheit und zu viel Experiment sind unbegründet. Einminüter wie "Honey", "Smoke break" oder "Spit" bleiben mit eingängigen Melodien trotz ihrer Kürze hängen, das Soundbild ist durchweg homogen, und die großen Highlights strahlen sowieso auch heller, wenn der Rest um sie herum nicht ganz so viel Aufmerksamkeit beansprucht. "Sweet teeth" verbindet die unterschiedlichen Ansätze aus Tradition und Moderne am eindrucksvollsten, überzeugt mit zwingenden Banjo-Strophen, einem basslastigen Beat und einer grandiosen Hook. In "Misery", einer rauen Ballade über Selbstjustiz, knallen sogar ein paar Pistolenschüsse aus den Boxen, während sich die New Yorkerin in eine aggressive, kraftvolle Klimax hineinsteigert – ziemlich genau das Gegenteil zum Quasi-Closer "Carbon copy", der am Ende nur noch zwitschernden Vögeln die Bühne überlässt. Nicht nur Hartmans Background ist also voller Gegensätze, auch ihre Musik ist gleichzeitig meditativ und aufrührerisch, naturverbunden und synthetisch, spontan und sorgfältig konstruiert. Mit ein paar Lehrstunden ihrer Definition des in die moderne Pop-Welt transportierten Country hätte das ein oder andere ähnlich gelagerte Machwerk etwas erträglicher gestaltet werden können.
Highlights
- You you
- Widow's peak
- Sweet teeth
- Misery
Tracklist
- Old rockhounds
- Cowboy song
- You you
- Widow's peak
- Sweet teeth
- Auto
- Honey
- Smoke break
- The ocean
- Spit
- Freedom
- Misery
- Dettifoss
- Carbon copy
- (Still alive)
Gesamtspielzeit: 32:48 min.
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2018-07-29 20:30:08 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
CocoRosie; This Is The Kit; The Lowest Pair; Brown Bird; Joanna Newsom; Billie Holiday; Carter Family; Loretta Lynn; Neko Case; Nina Nastasia; Scout Niblett; Björk; The Fiery Furnaces; Laurie Anderson; Múm; Matmos; Animal Collective; Panda Bear; Metallic Falcons; St. Vincent; Laura Veirs; k.d. Lang; Cat Power; Suzanne Vega; Feist; Lisa Germano; Lucette; The Last Bison; The Barr Brothers; Saint Sister; Little May; Jill Andrews; Annie Eve; Isobel Campbell; Mirel Wagner; Larkin Poe; Bon Iver; The Saxophones
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- Odetta Hartman - Old rockhounds never die (1 Beiträge / Letzter am 29.07.2018 - 20:30 Uhr)