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Dirty Projectors - Lamp lit prose

Dirty Projectors- Lamp lit prose

Domino / GoodToGo
VÖ: 13.07.2018

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Nach dem Schmerz

Dave Longstreth erhöht die Schlagzahl. Erst letztes Jahr erschien sein vom bitteren Herzschmerz befeuertes Trennungsalbum: Das Dirty-Projectors-Mastermind verlor in Amber Coffman nicht nur seine Partnerin, sondern auch seine kongeniale musikalische Gegenspielerin. Dirty Projectors ohne Coffman? Möglich, aber sinnlos. Dachte man. Doch die unbetitelte Platte hielt, was sie gar nicht versprach: Die einzelnen Songs waren freilich melancholisch geprägt, doch im Grunde großmütige Pop-Stücke, verspielt, verspult, versponnen und im Sound weit weniger trauernd als auf der lyrischen Ebene. "Lamp lit prose" setzt nun dort an und denkt den Klang der New Yorker Indie-Band entsprechend weiter: Weniger edgy geht man zu Werke, zugängliche Folk-Elemente stehen nun im Zentrum, um die sich in der Folge Stimmen auf wirre Weise ranken, während Gitarren gedankenverloren Pirouetten drehen und die munteren Melodien wie Farbbeutel zu platzen drohen.

Generell also viel los bei Dirty Projectors und das passt ja auch: Ihr verspielter Indie-Rock war schon immer zu flink, um sich in irgendeine beliebige Schublade zwängen zu lassen. Der Opener "Right now" klingt direkt sonnig und so gar nicht verzweifelt, Longstreths Stimme schmiegt sich an jene von Gastsängerin Syd, während sich die Bläser wichtigtuerisch aufplustern und die Akustikgitarre den Ton angibt. Wie so oft gelingt es den New Yorkern auch hier, gängige Songstrukturen aufzubrechen, ohne ihre bestechende Melodieseligkeit aufs Spiel zu setzen. In diesem Sinne ist "Lamp lit prose" soundästhetisch näher an "Swing lo Magellan" als es Longstreth vielleicht lieb ist. "Break-thru" legt noch eine Schippe Eingängigkeit oben drauf und könnte in bestimmten Kreisen vielleicht sogar zu einem kleinen Sommerhit werden. Und ja, bevor die Frage aufkommt: Mit den "bestimmten Kreisen" seid auch Ihr gemeint, werte Leser und Leserinnen!

Poppiger waren Dirty Projectors jedenfalls noch nie und wenn es dafür überhaupt noch einen weiteren Beweis benötigt, dann höre man "I feel energy": Durch jede Pore, jeden einzelnen DNA-Strang fließt hier das Erbgut von Michael Jackson, Prince und Co. und irgendwie ist diese Ehrerbietung, ob intendiert oder nicht, herrlich mitanzuhören. Longstreth schwebt stimmlich ohnehin nur noch in allerhöchsten Höhen, so oft wie er auf dieser Platte in die Kopfstimme wechselt. "Zombie conqueror" wirkt da schon fast verschroben, schließlich gibt es hier auch mal ein wenig Distortion und Noise auf die Ohren, aber letztlich bleibt der Eindruck bestehen, dass "Lamp lit prose" fast so etwas wie das ideale Einstiegsalbum in die Diskografie der US-Amerikaner sein könnte: Ein Crashkurs für absolute Beginner, der aber auch Fortgeschrittenen und Profis ein Lächeln aufs Gesicht zaubern dürfte, fällt doch für jeden etwas ab.

Da wäre die wirklich fabelhafte Single "That's a lifestyle", die auch im geschmackssicheren Radioprogramm ihr verdientes Airplay bekommen sollte. Oder die herzzerreißende Folk-Miniatur "You're the one", für die man mit Robin Pecknold von Fleet Foxes und Rostam, der ehemals bei Vampire Weekend spielte, prominente Mitstreiter gewinnen konnte. Ein besonderes Schmankerl setzen Dirty Projectors an den Schluss: "(I wanna) Feel it all" wartet mit jazz-verliebten Flöten auf, die wunderbar windschief in der Szenerie hängen. Nun, ganz am Schluss wird noch mal mit allem gebrochen, was man zuvor mühevoll aufgebaut hat, eine Antithese als Coda sozusagen. Dekonstruktion als treibende Kraft. Ein Fragezeichen, das die Spannung hochhält. Wir finden: geschickt eingefädelt.

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • Break-thru
  • That's a lifestyle
  • (I wanna) Feel it all (feat. Dear Nora)

Tracklist

  1. Right now (feat. Syd)
  2. Break-thru
  3. That's a lifestyle
  4. I feel energy (feat. Amber Mark)
  5. Zombie conqueror (feat. Empress Of)
  6. Blue bird
  7. I found it in U
  8. What is the time
  9. You're the one (feat. Robin Pecknold & Rostam)
  10. (I wanna) Feel it all (feat. Dear Nora)

Gesamtspielzeit: 37:20 min.

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User Beitrag

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19947

Registriert seit 10.09.2013

2018-07-29 18:52:40 Uhr
"gitarren sehe/ höre ich jetzt nicht so"

Hast du das richtige Album gehört? Verspielte und markante Gitarren gibt es hier in fast allen Songs.

Ich hab die letzte übersprungen, weil ich die "Swing Lo Magellan" nur ganz gut fand, aber "Lamp Lit Prose" find ich richtig super. Eine Blaupause für experimentellen Pop, der, wie in der Rezension beschrieben, Strukturen aufbricht, ohne je die Eingängigkeit aus den Augen zu verlieren. Sehr eigen, stilistisch vielfältig und gerade die Soul-Einflüsse stehen ihnen wirklich gut. "I Feel Energy" ist das absolute Highlight, einer ihrer besten Songs.

Kommt aber auch nicht an "Bitte Orca" ran und gegen das Attribut "anstrengend" kann man auch nicht wirklich viel anbringen :)

maxlivno

Postings: 2740

Registriert seit 25.05.2017

2018-07-25 18:43:26 Uhr
Mir gefällt es nicht wirklich. Hab das mehrmals jetzt versucht, aber ich empfinde das Album als anstrengend. Hab mit dem letzten Album etwas mehr anfangen können.

koekoe

Postings: 679

Registriert seit 13.06.2013

2018-07-25 02:04:13 Uhr
Fetzig.

yanqui

Postings: 185

Registriert seit 13.07.2018

2018-07-21 13:12:18 Uhr
gitarren sehe/ höre ich jetzt nicht so, aber ansonsten hat Otto schon recht. auch gut gemachte features dabei.

Otto Lenk

Postings: 772

Registriert seit 14.06.2013

2018-07-21 00:18:42 Uhr
Ach ja...fast vergessen. Dazwischen jazzt es ganz eigen und hinterfragt jeder Note.
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