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The Sea Within - The Sea Within

The Sea Within- The Sea Within

InsideOut / Sony
VÖ: 22.06.2018

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Die Alleswoller

Man könnte ja jetzt bösartig sein. Denn im Grunde genommen ist dieses Projekt der schlimmste Albtraum jener Musikfans, die eine Band als etwas organisch Gewachsenes betrachten, als eine Einheit von Musikern, die sich idealerweise über Jahre aufeinander einspielen. Und dann kommt eine Gruppe daher, die freimütig erzählt, dass die Idee zu diesem Projekt eigentlich vom Labelchef kam, man also mehr oder weniger gesteuert zusammenfand. In jedem traditionell denkenden Rockmusik-Fan sollte also das Wort "Retorte" für Angstzustände sorgen. Oder etwa nicht? Denn wenn man ehrlich ist, sind wechselnde Kollaborationen im Progrock durchaus gang und gäbe. Und wer dann immer noch von der Daseinsberechtigung von The Sea Within überzeugt werden muss, der dürfte spätestens bei der Besetzungsliste erhöhten Speichelfluss feststellen: Roine Stolt und Jonas Reingold von The Flower Kings. Marco Minnemann, der unter anderem für Steven Wilson hinterm Drumkit saß. Und vor allem mit Daniel Gildenlöw von Pain Of Salvation eine der magischsten Stimmen des Genres. Eine neue Supergroup, um das eigentliche Unwort zu benutzen? Aber hallo.

Nun ist lustigerweise "Supergroup" das, was die schwedisch-britisch-deutsche Kooperation eben gerade nicht sein will, so dass das selbstbetitelte, naja, Debüt tatsächlich in gemeinsamer Studioarbeit entstand. Entsprechend organisch klingt die Platte von Anfang an – insbesondere deswegen bemerkenswert, da es solchen Kooperationen mitunter durchaus an kompositorischer Schlüssigkeit gebricht, um den Begriff "Instrumental-Onanie" zu vermeiden. Und wie um noch mit einem weiteren Vorurteil aufzuräumen, ist der Opener tatsächlich kein fröhliches Artrock-Happening in der eklektischen Manier von The Flower Kings, sondern ein schwermütiger Groover, der eindeutig Gildenlöws Handschrift trägt und nur vereinzelt von Stolts punktgenauen Gitarren-Einsätzen unterfüttert wird. Keine überbordenden Jams, stattdessen der wie immer höchst emotionale Gesang Gildenlöws und eine höchst songdienlich agierende Band – das macht durchaus Appetit auf mehr.

Auf Songs wie "The void" zum Beispiel, der locker auf einer der letzten Platten von Pain Of Salvation stehen könnte. Gildenlöw schmachtet, schluchzt, stöhnt, schreit, arbeitet sich durch die komplette emotionale Palette, die ihm zur Verfügung steht, während Stolt und Reingold einen wunderbaren Klangteppich darunter weben. Und Drummer Minnemann? Der darf im folgenden "Eye for an eye for an eye" endlich so richtig ausrasten, darf den Song mit seiner wahnwitzigen Technik nach vorne peitschen, nur unterbrochen von einem irrwitzigen Jazz-Solo. Klingt abgepfiffen, ist es auch. Nicht weniger stark ist "Goodbye", bei dem Gastsänger Casey McPherson – der live wohl meist ohnehin Gildenlöw ersetzen wird – erstmalig das Mikrophon übernimmt. Und "Broken cord" mag zwar nicht an die ganz großen Longtracks des Genres heranreichen, bietet dafür jedoch endlich die Leichtfüßigkeit von The Flower Kings, garniert mit einer kräftigen Prise Pink Floyd. Warum allerdings der Gasteinsatz des legendären Yes-Frontmanns Jon Anderson derart in den Hintergrund gemischt wurde, bleibt wohl das Geheimnis der Band.

Erheblich gastfreundlicher arbeiten The Sea Within bei "The hiding of truth", einer für sich genommen nicht außergewöhnlich brillanten Ballade, die aber durch das filigrane Klavierspiel eines gewissen Jordan Rudess von Dream Theater eine Einladung zu einer kleinen Reise unter dem Kopfhörer ist. Eine Reise, die auf Albumlänge mitunter den ein oder anderen kleinen Umweg nimmt. Denn vor allem im Laufe der – angesichts der Spielzeit eigentlich völlig unnötigen – zweiten CD finden sich tatsächlich einige Längen. Längen, die als Jams immer noch mehr Musikalität beinhalten als so manch anderer Genre-Vertreter, die aber die Platte unnötigerweise anstrengend machen, wie zum Beispiel das großartige, aber im Songkontext nur mittelmäßig passende Solo in "The roaring silence." Vermutlich wohl doch unvermeidlich, wenn eine solche Menge an großartigen Einzelkönnern ohne Korrektiv durch einen externen Produzenten in einem Raum musizieren. Doch auch wenn das Ganze an ein paar kleinen Stellen nicht unbedingt der Summe aller Bestandteile entspricht und das Ergebnis ein wenig verkopft daherkommt, ist es nahezu durchgängig ein Genuss, diesen famosen Musikern bei der Arbeit zuzuhören. Eine überzeugende Platte im momentan etwas darbenden Prog-Genre bleibt "The Sea Within" allemal.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • The void
  • Goodbye
  • Broken cord

Tracklist

  • CD 1
    1. Ashes of dawn
    2. They know my name
    3. The void
    4. Eye for an eye for an eye
    5. Goodbye
    6. Sea without
    7. Broken cord
    8. The hiding of truth
  • CD 2
    1. The roaring silence
    2. Where are you going?
    3. Time
    4. Denise

Gesamtspielzeit: 77:20 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Zappyesque

Postings: 997

Registriert seit 22.01.2014

2018-06-28 22:16:10 Uhr
"Irgendwie gibt mir das alles nichts, dieser ganze nette generische "Prog". Das letzte Album, das mir gefiel, war "The Mountain" von Haken und das ist schon einige Jahre alt"

komisch...also generisch finde ich hier wenig. Da hatte sich The Mountain in meinen Augen deutlich mehr aus der klassischen Prog-Schublade geborgt.

nörtz

User und News-Scout

Postings: 13851

Registriert seit 13.06.2013

2018-06-28 20:12:51 Uhr
Bin da eher auf der Seite von N. Brückner:

http://www.babyblaue-seiten.de/index.php?albumId=17425&content=review

Irgendwie gibt mir das alles nichts, dieser ganze nette generische "Prog". Das letzte Album, das mir gefiel, war "The Mountain" von Haken und das ist schon einige Jahre alt. Das klang irgendwie frisch damals. Klar, alles perfekt eingespielt. Reicht mir leider nicht. Da hör ich mir lieber zum fünfzigsten Mal Red, Foxtrot oder Close To The Edge an.

The MACHINA of God

User und Moderator

Postings: 31659

Registriert seit 07.06.2013

2018-06-23 02:03:56 Uhr
Mal reinhören.

Zappyesque

Postings: 997

Registriert seit 22.01.2014

2018-06-21 22:18:29 Uhr
Der Kontext der Rezension entspricht nicht der summierenden numerischen Bewertung. Darüber hinaus ist der Inhalt der Rezension nicht huldigend genug. Fantastische Platte für meine Begriffe.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-06-21 20:51:04 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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