Flasher - Constant image

Domino / GoodToGo
VÖ: 08.06.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Kein Blech reden
Waren Flasher Pizza essen mit Stephen Malkmus? Oder eher mit Julian Casablancas? Theoretisch gut möglich, denn das Trio könnte Derartiges direkt nach Feierabend erledigen und müsste nicht einmal weit beziehungsweise gar nicht laufen. Schlagzeugerin Emma Baker und Bassist Danny Saperstein arbeiten nämlich in einem Washingtoner Pizza-Restaurant – in jenem, in das Ende 2016 ein bewaffneter Mann eindrang, nachdem unter dem Hashtag #pizzagate die absurde Falschmeldung verbreitet worden war, es handele sich in Wirklichkeit um die Zentrale eines von Hillary Clinton kontrollierten Kinderporno-Rings. Traurige Moral: Wer Fake-News-Blech redet, schreckt nicht einmal vor Pizzerien zurück. Verletzt wurde zum Glück niemand – und immerhin hatten Flasher so jede Menge Stoff für die kleinen, feinen Songs ihres Debüts.
Und die sind ein gutes Stück ungemütlicher und stinkiger, als der bassig weichgezeichnete Indie-Rock von "Go" eingangs vermuten lässt. Und das nicht in erster Linie wegen des schießwütigen Reaktionärs, sondern vielmehr wegen der offenen Homophobie, die zutage trat, als die Mitarbeiter des LGBT-freundlichen Etablissements nach dem Vorfall mit Hass-Mails und Pädophilie-Bezichtigungen überzogen wurden. Weswegen Flashers disziplinierter, zur Not auf einen Bierdeckel passender Punkrock vehement gegen ein von weißen Privilegierten bestimmtes politisches Klima eintritt, das die Schuld an allem stets bei Randgruppen sucht. Ein kämpferischer "walk on the wild side", der auf "Constant image" oft zum Schweinsgalopp wird – in Richtung eines Gesellschaftsentwurfs, in dem Freiheit vor allem ein Miteinander ohne Angst vor Andersartigkeit bedeutet.
Etwa im dynamischen "Pressure", das es ohne weiteres mit den tightesten Momenten der Lou-Reed-Urenkel The Strokes oder dem kantigen Post-Punk von Omni aus Atlanta aufnehmen kann. Die Gitarre von Ex-Priests-Musiker Taylor Mulitz hechtet zur drahtig abzischenden Rhythmusgruppe fidel in die engen Zwischenräume dieser Druckkammer von einem Song, und wer von den allesamt Vocals beisteuernden Mitgliedern hier gerade singt – womöglich alle drei gleichzeitig –, interessiert allenfalls am Rande. Das Gegenteil von Slacker-Rock mit eindeutiger Botschaft: Dringlichkeit besteht immer. Auch im um rastlose Drum-Synkopen herumrotierenden "Material" oder bei den Leads des so scharfen wie präzisen "XYZ", das wenn nicht bei den Hardcore-Nachbarn Dischord Records, dann doch bei Dead Kennedys' "Holiday in Cambodia" vorbeizwirbelt.
Womit wir wieder beim Punkrock wären – und damit bei den Bands, die genauso keine Zeit haben wie Flasher in wenig mehr als einer halben Stunde. Entsprechend bleibt "Who's got time?" als krakeelendes Nahrungsergänzungsmittel zu The Thermals souverän unter der Drei-Minuten-Marke, und auch die mit anschwellenden Chören und Synthie-Bitzeln vollgestopfte Single "Skim milk" fasst sich an all dem planvollen Gemenschel gemessen zweckmäßig kurz. Erst die harmonischen, wiewohl höchst eindringlichen Singalongs von "Harsh light" fahren die oft nur mühevoll kaschierte Spannung dieses vorzüglichen Albums allmählich runter, ehe "Business usual" zu launigem Gebläse fragt: "What is the worst thing you've ever done?" – alle, die etwas verändern wollen, mögen also bitte bei sich selbst anfangen. Vorschlag fürs Erste: immer schön den Pizzarand mitessen.
Highlights
- Pressure
- XYZ
- Skim milk
- Harsh light
Tracklist
- Go
- Pressure
- Sun come and golden
- Material
- XYZ
- Who's got time?
- Skim milk
- Harsh light
- Punching up
- Business unusual
Gesamtspielzeit: 31:12 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Gordon Fraser Postings: 2763 Registriert seit 14.06.2013 |
2018-12-13 12:24:01 Uhr
Habe ich erst jetzt so richtig entdeckt, aber was für ein wunderbares Album. Verspielt und ein bisschen verschroben, aber immer mit tollen Melodien. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28240 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-06-21 20:49:05 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Priests; Downtown Boys; Rays; Moaning; Protomartyr; Parquet Courts; Parkay Quarts; The Strokes; Julian Casablancas; Albert Hammond Jr.; Omni; Ulrika Spacek; Mazes; Beach Slang; The Drums; Joy Division; The Cure; Gang Of Four; The Fall; Wire; Talking Heads; The B-52’s; Television; XTC; Wipers; Wax Chattels; Meat Wave; Menace Beach; Twin Peaks; Trust Fund; DIIV; Real Estate; Beach Fossils; Ducktails; Slow Down Molasses; Broncho; Scott & Charlene's Wedding; The Velvet Underground; Pavement; Stephen Malkmus & The Jicks; Guided By Voices; Sebadoh; Pixies; The Breeders; Dinosaur Jr.; The Thermals; Hüsker Dü; Sonic Youth; No Age; Happy Birthday; King Tuff; Yuck; Parakeet; Superchunk; The Vaselines; Male Bonding; Cloud Nothings; The Men; Ty Segall; Jay Reatard; Plague Vendor; Harlem; The Young; The Chills; The Clean; Tall Dwarfs; Archers Of Loaf; Young Trynas
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- Flasher - Constant image (2 Beiträge / Letzter am 13.12.2018 - 12:24 Uhr)