The Carters - Everything is love
Parkwood / Roc Nation / Sony
VÖ: 16.06.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
Reich geheiratet
Timing ist alles. Wer, wenn nicht Beyoncé und Jay-Z, weiß so einiges darüber, wie und wann man ein Album zünftig ausrollt. Eine gemeinsame Platte wurde per Gerücht immer wieder in Aussicht gestellt, das Erscheinen von "Everything is love" unter dem Namen The Carters kam dennoch überraschend. Und zwar mitten in Kanye Wests großem Rollout von fünf Alben im Wochenrhythmus, ausgerechnet kurz nach dem Erscheinen von "Nasir", der Platte mit Jay-Zs (Ex-)Erzfeind Nas. Mit dem Ergebnis, dass über dessen LP kaum jemand noch redet. Ein paar Pfeile gegen den ehemals befreundeten West hat das Ehepaar außerdem noch im Köcher. "It's disturbing what I gross / Survey says you’re not even close", brüstet sich Jay-Z im unterhaltsam überheblichen "Boss" und rechnet in "Friends" später bitter ab. Denn West und seine Frau Kim Kardashian beschwerten sich öffentlich über das Nichterscheinen der Carters zur Hochzeit. "I ain't goin' to nobody nothin' when me and my wife beefin' / I don't care if the house on fire, I'm dyin', nigga, I ain't leavin' / [...] / If y'all don't understand that, we ain't meant to be friends", gibt der Hova zu Protokoll.
Falls sich dies alles nach Arbeit und Stress ohne Grund anhört, vermittelt das ein falsches Bild von "Everything is love". Auch wenn die Platte allerorten als gemeinsame Fortsetzung des vorwurfsvollen "Lemonade" und der schonungslosen Introspektion "4:44" gesehen wird: Die beiden Schwerverdiener waschen auf den neun Songs nur wenig schmutzige Wäsche – sei es fremde oder eigene –, sondern feiern mehrheitlich den Fakt, dass sie reich wie Scheiße sind. Luxury Rap im wahrsten Wortsinne. Die Trap-Single "Apeshit", welche sie Migos im Demo-Stadium aus dem Studio abluchsten, bekam ein opulentes Video im Louvre spendiert, welches herrlich sinnloses Protzen und die Kritik an Unterrepräsentation von farbigen Künstlern im Museum gleichermaßen nebeneinander stellt. Ganz nebenbei hätte der Track "Culture II" mit Sicherheit um eine Killersingle bereichert. "I can't believe we made it / Have you ever seen the crowd goin' apeshit?" Hiermit bestimmt. Es bleibt der einzige wirklich clubtaugliche Track auf "Everything is love", der Rest schwelgt entweder in opulenten Slow-Jam-Versatzstücken oder nimmt wie "Nice" eine knochentrocken angeschrägte Abfahrt.
Der Opener "Summer" basiert auf der Interlude "Beach is better" von Jay-Zs "Magna Carta... Holy Grail" und begeistert mit einem herrlichen Arragement, welches die Liebesbeziehung angemessen zelebriert. Wie auf den meisten Stücken ist Beyoncé klar im Lead – nicht nur, dass sie die Hooks singt, sie schlägt ihren Mann zudem im Rappen. Obwohl der sich hörbar berappelt hat und in "Apeshit" einen lange nicht gehörten Flow entwickelt. Überhaupt ist vor allem die erste Albumhälfte eine beeindruckende gemeinsame Machtdemonstration, in ihrer stilistischen Breite ebenso wie in der Zurschaustellung der Talente. Bissigkeit ja, Verbissenheit nein – "My great-great-grandchildren already rich / That's a lot of brown children on your Forbes list", teilt Beyoncé in Richtung Wohlstandsverteilung zwischen Hautfarben aus. Sie ist es auch, die in "713" die von Jay-Z stammende Hook aus Dr. Dres "Still D.R.E." auf ihre Heimatstadt Houston, Texas münzt. Einer von vielen großartigen Einfällen auf "Everything is love".
Ab dem ruhigeren, etwas lang geratenen "Friends" schaltet die Platte einen Gang zurück, die Zahnräder greifen nicht mehr ganz so zackig ineinander. Auch wenn die Samples aus "Black effect", dem einzigen Song mit Jay-Z in prominenterer Rolle, gefallen und gerade "LoveHappy" ein verdammt entzückender Abschluss ist und den Pomp des Openers in Erinnerung ruft. Beide Ehepartner wechseln sich im Closer fast zeilenweise ab, rekapitulieren ihre Ehe mit Höhen und Tiefen, ohne Bitterkeit jedoch. "Yeah, you fucked up the first stone, we had to get remarried", heißt es von Beyoncés Seite, Jay-Z gibt zurück "We broke up and got back together / To get her back, I had to sweat her." Dabei haben sie hörbar Spaß. Die Zeile "Hova, Beyzus, watch the thrones" spuckt mit Bezug auf das frühere Kollaborationsalbum dem eingangs erwähnten West ein letztes Mal vor die Füße, bevor das eigene Fazit gezogen wird: "We came and we conquered / Now we're happy in love." Nicht mehr "crazy", nicht mehr "drunk". Nur noch "happy". Sympathien bringt das wohl nicht – man möchte meinen, den beiden geht es zu gut. "Everything is love" ist allerdings ein weiteres Zeugnis davon, dass die Überheblichkeit begründet und ihr Reichtum nicht gänzlich unverdient ist.
Highlights
- Summer
- Apeshit
- Boss
- Nice
Tracklist
- Summer
- Apeshit
- Boss
- Nice
- 713
- Friends
- Heard about us
- Black effect
- LoveHappy
Gesamtspielzeit: 38:18 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20059 Registriert seit 10.09.2013 |
2018-06-29 10:55:31 Uhr
Alles vor Blueprint kenne ich nicht, besagtes Album ist zusammen mit dem Black Album super, der Rest ist verzichtbar. Mit Ausnahme von 4:44, das war wirklich eine große Überraschung. Auch die Kollabo mit Kanye hör ich nur so bei 6/10. |
Affengitarre User und News-Scout Postings: 11096 Registriert seit 23.07.2014 |
2018-06-27 11:26:45 Uhr
@Moped Da ich einfach mal denke, dass du damit vertraut bist und mich das interessiert: Wie findest du eigentlich den Output von Jay-Z? |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20059 Registriert seit 10.09.2013 |
2018-06-27 09:59:28 Uhr
Ich finde auch, dass die beiden nicht allzu gut zusammen harmonieren, dazu klingen zwei Drittel der Songs auch einfach wie Beyonce-Tracks, in die noch zwanghaft ein Jay-Z-Part reingepresst werden musste. Und auch ohne den meist störenden Jigga würde das gegen Beyonces letzte zwei Alben nicht im Geringsten Land sehen.Würde trotzdem noch ne knappe 7 geben, musikalisch gibt das auch auf keinen Fall weniger her. Top arrangiert und produziert und Bey ist gesangs- und raptechnisch auch in Topform. Die ersten vier Songs machen sehr viel Spaß, 713 (Jay-Zs beste Performance) und Friends (keine Sekunde zu lang, super atmosphärisch und düster) sind die Highlights, im letzten Drittel ist etwas die Luft raus, aber es ist noch ok. Unterm Strich gut, der textliche Größenwahn hätte sich gern aber auch in etwas ambitionierterer Musik niederschlagen dürfen. |
Frägende Ente |
2018-06-22 09:56:03 Uhr
If y'all don't understand that, we ain't meant to be friends", gibt der Hova zu Protokoll.Was ist ein "Hova"? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27219 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-06-21 20:48:55 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Beyoncé; Jay-Z; Jay-Z & Kanye West; Rihanna; Solange; Janelle Monáe; Drake; Migos; Rae Sremmurd; Travis Scott; Future; Desiigner; N.O.R.E.; Nas; Chance The Rapper; Lil Wayne; Kanye West; OutKast; Erykah Badu; Lauryn Hill; Missy Elliott; Alicia Keys; Nicki Minaj; Rihanna; Ariana Grande; Jessie J; Destiny's Child; Pharrell Williams; N.E.R.D.; Prince; Michael Jackson
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