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Serpentwithfeet - Soil

Serpentwithfeet- Soil

Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 08.06.2018

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Alles für den Herrn

Josiah Wise ist eine beeindruckende Erscheinung. Ein bärtiger Typ, über den ganzen Körper tätowiert, diversen Haarfarben und kolorierten Kontaktlinsen nicht abgeneigt sowie vor allem mit einem riesigen Septum-Piercing mitten im Gesicht, welches zu seinem Künstlernamen Serpentwithfeet passt. Dazu kommt eine Faszination dem Okkulten gegenüber, was sich neben der Ästhetik in seiner Kunst auch in einer ordentlichen Sammlung an Puppen – Voodoo oder nicht – widerspiegelt, denen er allesamt eine individuelle Persönlichkeit verpasst hat. Obwohl, oder vielleicht auch gerade weil der Sonderling doch eigentlich recht behütet als Sohn eines christlichen Buchhändlers in Baltimore aufgewachsen und Musik zuerst vor allem im Kirchenchor begegnet war, entwickelte Wise schon früh sein Interesse für das Morbide und Abseitige – und auch seine eigene Homosexualität, die im Clinch mit dem religiösen Hintergrund stand. Aus diesen Gegensätzen hat er einen Sound geschaffen, der intim, sakral und unheimlich daherkommt. Queer Gospel sozusagen.

Nach der vielversprechenden EP "Blisters" aus 2016 und Kollaborationen wie mit Björk auf ihrem ähnlich linksgedrehten "Utopia" ist "Soil" das erste vollwertige Serpentwithfeet-Album. Dabei sind kleine Gesten nicht genug, das große Drama mit dem Herz auf der Zunge ist das Ziel. Als Motto darf "I don't want to be small, small sad / I want to be big, big sad" herhalten. Klar, Pathos erzeugen derzeit viele. Das Geschlecht des Liebhabers, den er besingt, zu verfremden oder wegzulassen, wie es ein Sam Smith beispielsweise tut, würde Wise derweil niemals einfallen. "Thought he invited me to love him more / But he broke my heart instead / Been climbing up the wrong tree", schmettert er in der Suche nach innerer Schmerzlinderung in die Welt hinaus. Universalität schafft hingegen die Musik in ihrer Grandezza, wenn sie sich von einem kleinen Mantra hin zu orchestralischen Pomp-Schwallen steigert oder wie eine Séance in rhythmischer Repetition den Geist umschifft. Natürlich nicht, ohne verschiedene Haken zu schlagen und Richtungen anzutäuschen. Dagegen war selbst Frank Ocean auf "Blonde" noch geradlinig unterwegs. Wise legt allerdings genügend interessante Fährten, um den Hörer nicht abzuschütteln auf der Reise in seine Gelüste, Trauer und Freude.

"Soil" ist ein unglaublich faszinierendes Dokument der Melange aus vertrauten Elementen, die gemeinsam etwas völlig Ungewohntes ergeben. Der Opener "Whisper" gibt die beeindruckste Visitenkarte von Wises ganz eigener Vision ab, vollführt er doch die Deklinierung der dynamischen Spannweite am erfolgreichsten. Doch auch an anderen Stellen tauchen die Backgroundchöre aus dem digitalen Gotteshaus auf und orgelt es plötzlich, das bockige "Seedless" sampelt sogar eine Kirchenglocke. Für Wise haben die Lobpreisungen des Herrn im Gospel keinesfalls nur eine platonische Ebene. "I get to devote my life to him", singt er, und die Ambivalenz zwischen göttlicher Hingabe und fleischlicher Lust schmilzt zusammen: "Someday I'll plant seeds with you." Es will ein Brocken von Platte bewältigt werden, die überaus reich entlohnt, auf der das Pathoslevel jedoch niemals unter ein bestimmtes Maß sinkt und vielfältige Querschläger jegliche straighte Hits verhindern. Schade eigentlich, man würde doch gern wissen, was Kirchenvertreter zur Umdeutung ihrer Klangästhetik sagen, wenn sie die Wellen dieser Platte erreichen würden. "Er führte mich hinaus ins Weite, er befreite mich, denn er hatte an mir Gefallen." Bibel oder Queer Poetry? Auf einmal gar nicht so weit voneinander entfernt.

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Whisper
  • Wrong tree
  • Slow syrup
  • Bless ur heart

Tracklist

  1. Whisper
  2. Messy
  3. Wrong tree
  4. Fragrant
  5. Mourning song
  6. Cherubim
  7. Seedless
  8. Invoice
  9. Waft
  10. Slow syrup
  11. Bless ur heart

Gesamtspielzeit: 39:53 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Knörps
2018-11-07 20:42:04 Uhr
Gestern in Köln gesehen - ganz großes Kino!!
Der Junge kann was, holy sh*t!

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19947

Registriert seit 10.09.2013

2018-07-02 11:48:32 Uhr
Find ich super. Wie Blonde mit mehr Kirche und mehr Pathos, sehr destruktive Genre-Ansätze, die aber weder zu skizzenhaft noch zu überambitioniert daherkommen, sondern perfekt zur inhaltlichen Zerrissenheit passen. Der Opener ist riesengroß.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-06-14 20:52:07 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

"Album der Woche"!

Meinungen?

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-06-14 19:39:40 Uhr - Newsbeitrag
06.11.18 - Köln - Gebäude 9
07.11.18 - Berlin - Lido

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