Pusha T - Daytona

Getting Out Our Dreams / Def Jam / Universal
VÖ: 25.05.2018
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Nicht gestreckt
Vieles schien im Vorfeld mindestens merkwürdig an Pusha Ts drittem Album "Daytona", einiges sogar regelrecht abstoßend. Lange sollte das Ding "King Push" heißen, angekündigt durch "Darkest before dawn: The prelude" in 2015. Dann wurde vom personifizierten Größenwahnsinn Kanye West bestätigt, er höchstpersönlich würde das Album produzieren – und als erstes einer Serie von fünf Platten mit ihm hinter den Reglern veröffentlichen. Derselbige fiel kurz danach durch diverse Interview- und Twitter-Ausfälle auf und änderte in letzter Sekunde – obwohl es nicht mal seine eigene Platte war – eigenhändig das Artwork. In ein Motiv des Badezimmers der verstorbenen Whitney Houston. Für 85.000 US-Dollar lizenziert. Und Pusha T? Der wirkte gewissermaßen so, als würde er bei seinem eigenen Werk nur am Rande vorkommen. Sieben Tracks in 21 Minuten sind auch nicht das, was man Großzügigkeit nennt, man hat schon EPs mit einem Vielfachen der Spielzeit gesehen. "Daytona" hatte quasi keine Chance. Und diese nutzt es brilliant.
Denn von West mag man als Person mittlerweile übersättigt, womöglich sogar angewidert sein, aber was er hier an Beats in die Runde wirft, ist allerfeinstes Material. Im Stil seiner ersten drei Alben werden hier Soul- und Rock-Fetzen in die Songs gemischt, ein paar aus dem Kontext gerissene Wörter in eine faszinierende Hook gekippt und das Ganze noch in astreine Beats verpackt. Fiese Menschen nennen das Rap, für Leute die keinen Rap mögen, aber das mag nur der Neid auf jemanden sein, der es versteht, auch genrefremde Hörer mit einem Gespür für Groove und Hooks sofort abzuholen. "Daytona" testet die Geduld dieser Leute nur rund 35 Sekunden mit einem unzeremoniös verpackten Rap von Pusha T, bevor "If you know you know" mit einem kleinzyklischen Sample aus "Twelve o'clock satanial" der Hard-Rock-Band Air durchs Gebälk kracht und das Grinsen auf den Lippen jegliche Vorbehalte wegwischt.
Von hier an ist Verschnaufpause ein Fremdwort. Die Tracks fallen gekonnt ineinander, stehen zueinander wie Sparringspartner. Besonders der Anfangslauf verschlägt den Atem. Wie etwa nach dem ohnehin fantastischen Opener im Anschluss "The games we play" eine penetrant im Vordergrund zupfende Gitarre erneut in den alles entscheidenden Ohrwurm wandelt, wie "Hard piano" zwischen verschwommenem Piano und glasklarem Chorus wechselt, während sich weiter vorne Pusha T und Gastrapper Rick Ross die Klinke in die Hand geben. Mit dem knochentrockenen "Come back baby" wird "Daytona" düsterer, weniger lieblich im Sound. West selbst gastiert auf "What would Meek do?", was tatsächlich "Heart of the sunrise" von Yes in einen nervösen Drei-Sekunden-Loop umfunktioniert. Pusha T und West fragen sich gegenseitig "People talking shit / How do you respond?", und selbstverständlich lässt der dauerquasselnde Produzent einige seiner Gossip-Geschichten nicht außen vor. Sein Vers hätte nicht sein müssen, das Monumentum von "Daytona" hält aber auch er nicht auf.
Pusha T bleibt lyrisch derweil meist im gewohnten Modus des harten Hunds mit Dealer-Vergangenheit, von der er ausführlich in beeindruckenden Bildern berichtet: "See these diamonds in the watch face / They all came from pressure." Wenn es das nicht sein soll, teilt er gegen die aktuellen Erzfeinde Drake und Birdman aus oder zieht "Santeria", die Hommage an den ermordeten De'Von Pickett, als Mafia-Standoff mit Western-Feeling auf. Beats knallen wie Pistolenschüsse, Pusha hat derweil andere Kämpfe. "You listening, De'Von? / As I'm talking to your spirit / For God's sake / I'm dealing with heartbreak." Natürlich kommt es unmittelbar und verfrüht, wenn nach so kurzer Zeit im Closer "Infrared" ein "I'm gone" durch die Membranen hallt und "Daytona" dann auch schon durch ist.
Ein kurzes Spin-Off, eine fixe Idee? Die Platte ist dafür zu ausgefeilt, durchdacht aufgebaut und detailverliebt. Warum unnötig verlängern? "We're respecting your time", sagte Pusha T im Vorfeld mit Blick auf die knappe Spielzeit, es trifft jedoch ebenso auf die verdichtete Musik zu. Jeder Ton ist da, weil er da sein muss, Firlefanz und Füller können die anderen auf ihre Platten packen. Angesichts der Drogendealer-Thematik in den Texten erscheint sogar das mit Crackresten überstreute Badezimmer auf dem Cover zwar immer noch geschmacklos, aber womöglich mit Hintergrundgedanken ausgewählt. Pusha T kann sich dank "Daytona" ein weiteres Meistwerk in die Vita schreiben. Und West? Der kann vorerst das letzte Lachen für sich beanspruchen.
Highlights
- If you know you know
- The games we play
- Santeria
Tracklist
- If you know you know
- The games we play
- Hard piano (feat. Rick Ross)
- Come back baby
- Santeria
- What would Meek do? (feat. Kanye West)
- Infrared
Gesamtspielzeit: 21:10 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 8620 Registriert seit 26.02.2016 |
2018-06-21 08:19:10 Uhr - Newsbeitrag
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Mal ehrlich |
2018-06-20 22:05:17 Uhr
Genug gepusht die Platte ist ganz nett mehr aber auch nicht. |
Pusha T |
2018-06-20 21:52:20 Uhr
*push* |
kenny23 Postings: 396 Registriert seit 07.11.2013 |
2018-06-16 14:10:03 Uhr
Der Dreierpack Hard Piano, Come Back Baby und Santeria begeistert immer wieder. Album bei 09/10. Bestes Album von G.O.O.D. Music |
Pusha T |
2018-06-13 23:05:03 Uhr
*push* |
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Referenzen
Kanye West; Chance The Rapper; Jay-Z; Anderson Paak; NxWorries; OutKast; Big Boi; André 3000; A Tribe Called Quest; Dr. Dre; Kendrick Lamar; Meek Mill; Rick Ross; A$AP Rocky; J. Cole; Young Fathers; Schoolboy Q; Tyler, The Creator; Eminem; Vince Staples; Childish Gambino; Danny Brown; The Fugees; Nicki Minaj; Azealia Banks; Theophilus London; Lauryn Hill; Erykah Badu; Frank Ocean
Surftipps
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