Lump - Lump
Dead Oceans / Cargo
VÖ: 01.06.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Postmodern family
Wer oder was ist ein "Lump"? Ein Klumpen oder Haufen sagt das Wörterbuch und wenn man sich das tanzende, undefinierbare Haarknäuel in den Videos zu "Curse of the contemporary" und "Late to the flight" anschaut, scheinen sich Mike Lindsay und Laura Marling bei der Betitelung ihres gemeinsamen Projekts etwas gedacht zu haben. Mehr noch: "LUMP is a product", skandiert Marling immer wieder in den vertonten Credits am Ende des Albums. Sie will unbedingt verstanden wissen, dass Lump nicht einfach nur ein Künstlername ist, sondern ein eigenständiger Organismus, gezeugt von zwei der größten Visionäre des modernen Folk, aber von ihnen emanzipiert, seine Eltern nur als Trägermedium für seine eigenen Reflexionen nutzend. "Lump" zeichnet die größten Konflikte der Postmoderne nach, Künstler gegen Kunstprodukt, das Individuum gegen sich selbst und seine Sinnsuche, ist dabei laut Aussagen von Marling inspiriert vom Surrealismus des frühen 20. Jahrhunderts und der absurden Poesie von Edward Lear und Ivor Cutler. Puh. Ganz schön viel zu schultern für so einen kleinen, orange-rötlich gefärbten Haufen Fell.
Sorgen um einen affektierten, überambitionierten Arthouse-Overkill sind aber gänzlich unbegründet. "Lump" dauert gerade einmal eine gute halbe Stunde und ist musikalisch zwar durchaus experimentell, aber immer zugänglich, unverkrampft und einfach verdammt gut. Das liegt in erster Linie daran, dass es die größten Stärken seiner beiden Erschaffer wunderbar vereint. Marlings Lyrik ist noch abstrakter als sonst, zirkuliert unkonkret über Themen wie luzides Träumen, öffentliche Persönlichkeitsfassaden oder die kalifornische Traumfabrik und beweist mit der Cleverness seiner Bilder erneut, dass die 28-Jährige den allermeisten Texterinnen und Textern ihres Alters überlegen ist. Auch ihre Stimme ist so einnehmend wie eh und je, ragt besonders dann heraus, wenn das Arrangement ihr genug Luft zum Atmen lässt wie im atmosphärischen, nur aus Akustikgitarren, Flöten- und Drone-Texturen bestehenden Opener "Late to the flight". Dabei beherrscht sie Lou-Reed-Lakonie ebenso mühelos wie hellsten Sirenengesang und es scheint, als ob hier doch mehr vom ganz eigenen, weit gefächerten Persönlichkeitsspektrum drinsteckt, als es ursprünglich angedacht war. Die verschwommene Wandelbarkeit hat der kleine Lump auf jeden Fall von seiner Mama.
Papa Lindsay bemüht sich währenddessen um Stimmigkeit, malt ein größtenteils zurückhaltendes Soundbild im Geiste seiner Experimental-Folk-Bands Tunng und Throws, bei dem sich alle Teile perfekt symbiotisch zusammenfügen. "May I be the light" liefert hierfür das eindrucksvollste Zeugnis, unheimliches Radiohead-Gebrodel ebnet den Weg für träumerische Flöten und einen nicht weniger himmlischen Pop-Refrain. Ein paar Ausbrüche gönnt sich der Mercury-Preisträger dann doch: "Curse of the contemporary" ist mit zitternder Gitarre und zerhackten Bläser-Samples ein astreiner Art-Rock-Hit irgendwo zwischen Grizzly Bear und St. Vincent, während "Hand hold hero" bei den Synthwave-Soundtracks eines Cliff Martinez anfängt und mit verstörenden Industrial-Beats endet. Trotzdem bleiben bei all der musikalischen Virtuosität und der durchweg grandios gelingenden Verbindung aus Experiment und Melodieverliebtheit ein paar Fragezeichen. Mit nur sechs richtigen Songs und ohne greifbare Erzählstrukturen scheint es, als hätte "Lump" nicht alles aus seinem Konzept geholt, andersrum stellt sich die Frage, ob das Ganze ohne seinen inhaltlichen Überbau nicht besser nur als lockeres Kollabo-Album zweier kontemporärer Indie-Größen funktioniert hätte. Ratlosigkeit und die Andeutung anstelle der Ausformulierung gehören aber natürlich auch zu den markantesten Merkmalen der Postmoderne, womit Marling und Lindsay womöglich auch genau das mit dem Album ausgelöst haben, was sie wollten. Der Sprössling wartet indes darauf, seine nächsten Entwicklungsschritte machen zu dürfen, was ohne die Unterstützung seiner Eltern nur schwerlich klappen wird – wie in jeder guten Familie.
Highlights
- May I be the light
- Curse of the contemporary
Tracklist
- Late to the flight
- May I be the light
- Rolling thunder
- Curse of the contemporary
- Hand hold hero
- Shake your shelter
- LUMP is a product (Credits)
Gesamtspielzeit: 32:03 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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saihttam Postings: 2476 Registriert seit 15.06.2013 |
2018-09-28 12:20:01 Uhr
Schöne Folktronica-Spielereien mit interessantem Konzept. Lauras Stimme ist einfach toll, vor allem auf dem ersten Stück mit seinem langsamen Aufbau. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27355 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-05-31 18:45:04 Uhr
Danke, verschoben. |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20062 Registriert seit 10.09.2013 |
2018-05-31 18:01:35 Uhr
Gibt schon nen Thread: https://www.plattentests.de/forum.php?topic=92631&seite=1 |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27355 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-05-31 17:56:35 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Zappy |
2018-04-14 08:57:47 Uhr
Ganz nett, kommt für mich aber nicht an ihr songwriting auf semper femina ran. |
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Referenzen
Laura Marling; Tunng; Throws; The Beta Band; Mice Parade; Four Tet; Psapp; The Books; Adem; Lali Puna; Cheek Mountain Thief; Devendra Banhart; Sufjan Stevens; Múm; This Is The Kit; The Notwist; Stereolab; Efterklang; Junip; The Low Anthem; James Yuill; Grizzly Bear; Joni Mitchell; Cat Power; St. Vincent; Lisa Hannigan; Joanna Newsom; Noah And The Whale; Torres; Regina Spektor; Kate Bush; Marissa Nadler; Bon Iver; Johnny Flynn; Emmy The Great; Marika Hackman; Aldous Harding; Hiss Golden Messenger; Bill Fay; Andrew Bird; Idiot Glee; Jonathan Wilson; Steve Gunn; The Leisure Society; DJ Koze; James Holden; Pantha Du Prince; Van Dyke Parks; Radiohead