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Rejjie Snow - Dear Annie

Rejjie Snow- Dear Annie

BMG / Warner
VÖ: 15.04.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Iren ist menschlich

Die grüne Insel, Schafe, Pubs, Kerrygold, St. Patrick's Day, Boyzone und – HipHop? Ja, echt wahr: No matter what they tell you, die irische Rap-Szene ist seit einigen Jahren auf dem Vormarsch. Zugegebenermaßen bekommt man davon in diesen Breitengraden wohl nur wirklich etwas mit, wenn man gezielt danach forscht. Einer der ersten Namen, die einem dann von den gängigen Suchmaschinen vorgeschlagen werden, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der von Alexander Anyaegbunam alias Rejjie Snow. Der 24-Jährige gilt nicht erst seit einem doch irgendwie auch merkwürdig anmutenden Support-Act-Job auf Madonnas Tour zum 2015er-Album "Rebel heart" wahlweise als Wunderkind oder Geheimtipp. Und obgleich der Sohn eines Nigerianers und einer Irisch-Jamaikanerin bereits 2012 erstmals von sich hören ließ, liegt mit "Dear Annie" nun endlich sein Debütalbum vor. Und? Ist es echt irisch? Nun ja.

Oder eher: nun nein. Ganz und gar nicht. Sagen wir es so: Wenn man sich vor dem Hören von "Dear Annie" nicht über Rejjie Snow und dessen Herkunft informierte, würde man rein anhand seiner Sprechgesangskunst nie im Leben darauf kommen, dass da ein Kerl aus Dublin ins Mikro rappt – sondern irrtümlicherweise eben einen jungen Mann aus dem wenig überschaubaren Raum zwischen New York und Los Angeles vermuten. Dahinter dürfte sicher ein wenig Berechnung stecken: Rejjie Snow ist bereits vor einer Weile nach Brooklyn ausgewandert und hat seine irische Aussprache fast vollständig wegtrainiert, wohl auch, um im HipHop-Haifischbecken der USA überhaupt eine Chance zu haben. Der Plan geht, je nach Ansichtsweise, auf: Weder in einer smoothen Jazz-Rap-Nummer wie "23" noch im augenzwinkernden Club-Banger "LMFAO" verrät sich der gebürtige Ire. Mit Kredibilität oder Authentizität, zwei im Genre oft lauthals beschworene Schlagworte, hat das sicher nicht viel zu tun, und ein Alleinstellungsmerkmal ist der neugewonnene Dialekt ebenfalls nicht, zumal er jegliche Regionszugehörigkeit vermissen lässt: Rejjie Snow klingt eben so US-amerikanisch, wie man sich einen typischen US-amerikanischen Rapper vorstellt, so wie Deutsche in internationalen Filmen beinahe grundsätzlich so etwas wie bayerisch sprechen oder Briten möglichst vornehm.

Die Frage ist, ob man genau das "Dear Annie" unbedingt zum Vorwurf machen muss. Oder ob man sich von diesem womöglich eh veralteten Glaubwürdigkeits-Gedanken lösen und das Album als genau das ansehen sollte, als das es sich auch präsentiert: als entspanntes Erstlingswerk, mit dem Rejjie Snow offensichtlich seinen eigenen Helden huldigen möchte. Und das nebenbei noch ein paar echt unwiderstehliche Ohrwürmer parat hat: So groovt sich "Pink lemonade" mit einer ordentlichen Portion Soul schnurstracks vom Schulhof ins Schlafzimmer, während "Egyptian luvr" von unten anfängt, sich durch die Füße in die Beine schlängelt, bis erst die Schultern, dann der Kopf und schließlich der ganze Körper mittanzt. Und mit "Charlie Brown" gibt es nicht nur den wahrscheinlichsten Hit des Albums, sondern doch noch eine zumindest kleine Brücke in Rejjie Snows Heimat: Das nämlich ist ein Cover des Titels "Steady song" der irischen Funk-Kapelle Republic Of Loose und überzeugt nicht nur dank des herrlichen Gast-Parts der Norwegerin Anna Of The North, sondern vor allem mit seiner offenherzigen Poppigkeit.

Rejjie Snow ist also kein Rapper wie man sie sonst gewohnt ist, obwohl er über den Flow verfügt und seine tiefe Tonlage der eines Tyler, The Creator beeindruckend nahe kommt. Dass der Junge freilich viel harmloser ist, sollte man ihm nicht als Nachteil auslegen: Sowohl im melancholischen Lounge-Track "Room 27" als auch im abgedrehten "Spaceships" weiß er sich zu behaupten, und in "Rainbows" spielt er mit verkopfteren Sounds, die durchaus an das Chance-The-Rapper-Nebenprojekt Donnie Trumpet & The Social Experiment erinnern. Im Finale mit "Greatness" packt Rejjie Snow derweil gar die Psychedelic-Pop-Klamotten aus, um in einer tranceartigen Rap-Inkarnation von Tame Impala durch viele bunte, grell schillernde Farben zu tanzen. Man darf durchaus gespannt sein auf die Zukunft. Unlängst verkündete Rejjie Snow, dass "Dear Annie" nicht nur sein erstes, sondern auch letztes Album sei – zumindest unter seinem derzeitigen Künstlernamen. Womöglich irrt man sich also, wenn man glaubt, diesen Menschen jetzt schon vollständig begreifen zu können. Und die größte Überraschung noch ansteht: Wenn Alexander Anyaegbunam nämlich nach sich selbst klingt.

(Jennifer Depner)

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Highlights

  • Pink lemonade
  • Spaceships (feat. Ebenezer)
  • Charlie Brown (feat. Anna Of The North)
  • Greatness (feat. Micah Freeman)

Tracklist

  1. Hello
  2. Rainbows
  3. The wonderful world of Annie (Skit)
  4. 23 (feat. Caroline Smith)
  5. Pink lemonade
  6. Skinny Jasmine intermission
  7. Mon amour
  8. Oh no! (feat. Dana Williams)
  9. Spaceships (feat. Ebenezer)
  10. Egyptian luvr (feat. Aminé & Dana Williams)
  11. The ends (feat. Jesse James Solomon)
  12. Room 27 (feat. Dana Williams)
  13. Désolé
  14. The rain (feat. Cam O'bi & Krondon)
  15. Skateboard P intermission
  16. LMFAO
  17. Bye polar
  18. Charlie Brown (feat. Anna Of The North)
  19. Annie (feat. Jesse Boykins III)
  20. Greatness (feat. Micah Freeman)

Gesamtspielzeit: 60:32 min.

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User Beitrag

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

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Registriert seit 10.09.2013

2018-12-15 22:56:18 Uhr
Richtig gut, es war jetzt kein extrem starkes Jahr für Rap, aber das wäre auf jeden Fall ein Kandidat für die Genre-Top 10. Erinnert sehr angenehm an Tylers Flower Boy, andere Referenzen wären Chance, Paak oder auch Loyle Carner. Nur dieses Talkshow-Konzept mit den entsprechenden Skits nervt ein bisschen.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27172

Registriert seit 08.01.2012

2018-05-17 22:24:54 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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