Hearts Hearts - Goods / Gods
Tomlab / Indigo
VÖ: 20.04.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Die Dialektik der Aufzehrung
"Das klingt doch wie..." ist ein Halbsatz, den keine Band hören will. Die Österreicher Hearts Hearts dürften ihn in ihrer Laufbahn schon einige Male zu Ohren bekommen haben. Zu offensichtlich sind die Ähnlichkeiten zu angesagten Größen des elektrifizierten Indiepop. Sänger David Österle ist am liebsten im Falsettbereich unterwegs, während seine Kollegen vertrackte Beats mit symphonisch angehauchten Arrangements kollidieren lassen. Den Vorwurf, sich lediglich an Trends anzulehnen, entkräften Hearts Hearts auf ihrem zweiten Studioalbum "Goods / Gods" allerdings mühelos. Zu clever sind ihre Einfälle, als dass sie in der Nachmacher-Ecke schmollen müssten. Zu schön sind ihre Songs, um Fake zu sein.
Dass das Quartett seine Hausaufgaben in Dialektik gemacht hat, wird schon beim Blick auf die Titelliste offenbar. Die Zweischneidigkeit, die sich als Konzept durch das gesamte Album zieht, schlägt sich auch auf musikalischer Ebene nieder. Die Art und Weise, wie Hearts Hearts experimentelle Ideen in berührende Songs verwandeln, nötigt Respekt ab. Da weiß jemand sehr genau, was er tut. Unter der Ägide des bandinternen Elektronikgurus Peter Paul Aufreiter entstanden elf Songs, die zwar alles andere als sommerlich, dafür aber besonders sind. Wobei der Opener "Phantom / Ghost" bewusst die falsche Fährte legt: Hektische Loops, die in dieser Form auch auf einem IDM-Release auftauchen könnten, treffen auf abgehackte Klavierakkorde und Österles exaltierten Gesang. So eilig haben es Hearts Hearts sonst nur selten.
Obwohl der Großteil des Materials sich in eher gediegenem Tempo bewegt, kommt nie Langeweile auf. Hierfür sorgt vor allem die satte und mutige Produktion, die bei aller Liebe zur Frickelei auch den richtigen Kleinigkeiten genug Platz einräumt. Seien es das schwermütige Piano in "To have / To be" oder eine plötzlich durch den Song irrlichternde Trompete in "Take / Care": Alles hat seinen Platz. Ähnlich wie The Notwist verstehen es Hearts Hearts hervorragend, Versiertheit als Understatement zu verkaufen. "I / O" genügen beispielsweise einige Gitarrenakkorde und Beatschnipsel, um die Uhren anzuhalten. Melancholie gehört zu den schönsten Gefühlen, die der Mensch empfinden kann. Erst recht, wenn der Soundtrack dazu passt.
Eine echte Überraschung wartet ganz am Ende auf den Hörer: "Present / Tense" packt plötzlich die Schrammelgitarren aus und lädt zu selbstvergessenem Ausdruckstanz ein. Just als der Song seinen emotionalen Höhepunkt erreicht hat, bricht er ab. So mit den Erwartungen des Konsumenten zu spielen, traut sich nicht jeder. Hearts Hearts sind aber auch nicht jeder und garantiert nicht wie irgendjemand anders. Da können noch so viele "Das klingt doch wie..."-Schreier daherkommen. Diese vier Österreicher haben sich in Konzept und Ausdruck längst emanzipiert. Bitte mitmachen.
Highlights
- Phantom / Island
- To have / To be
- I / O
- Present / Tense
Tracklist
- Phantom / Island
- Goods / Gods
- To have / To be
- + / -
- I was there / Noone came
- Do you often think about /
- Sugar / Money
- Imagine / Many lives
- Take / Care
- I / O
- Present / Tense
Gesamtspielzeit: 39:19 min.
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