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Boys - Rest in peace

Boys- Rest in peace

PNKSLM / H'Art
VÖ: 11.05.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 4/10

Nora battles the pink robots

Seit Christopher Owens und Chet White 2012 ihr Projekt Girls auflösten, klafft eine Lücke. Nicht zwingend musikalisch, wohl aber im Sinne geschlechtertauschender und irgendwie hirnrissiger Bandnamen, die mit ihrer Ungooglebarkeit auch noch jeden recherchierenden Rezensenten in den Wahnsinn treiben. Zum Glück gibt es die 22-jährige Schwedin Nora Karlsson, die natürlich weder Junge noch Plural ist, sich aber unter dem Künstlernamen Boys anschickt, dieses so schmerzvolle Loch aufzufüllen. Auch zum Glück – dieses Mal aber komplett ernst und unironisch – ist ihre Musik wundervoll genug, dass man ihr solche Flausen gerne verzeiht. Nach mehreren zuhause aufgenommenen EPs hat sich die Gitarristin der schwedischen Band Holy gemeinsam mit Bandkollege Hannes Ferm zum ersten Mal ins Studio aufgemacht, um ihrem Debütalbum "Rest in peace" den Entfaltungsraum zu geben, den es verdient. Ästhetisch grob im Indie-Pop der Spät-80er und 90er verordnet, verbindet Karlsson auf eindrucksvolle Weise Schlafzimmer-Intimität mit erstaunlich elaborierten Arrangements und gibt sich weitaus diverser und spannender als die durchschnittliche DIY-Singer-Songwriterin.

Wer ihren bisherigen Output kennt, wird von der Synth-Lastigkeit des herzerwärmenden Openers "It is silly" überrascht sein, doch ist zuckriger Electro-Pop nur eine von vielen Farben, mit denen die Schwedin in der nächsten halben Stunde ihre Leinwand vollsauen wird. "Hemtjänsten" klingt zunächst, als hätte man Taylor Swift auf Valium in den Weltraum geschickt und endet dann mit einem Lounge-Instrumental aus Akustikgitarren und geisterhafter Electronica, die den Song weit über die Fünf-Minuten-Marke schießen. Auch der herrlich juvenile 60s-Sommerpop von "Rabbits" hat eine ähnliche Länge, präsentiert sich gleichermaßen euphorisch wie fragil und ergeht sich schließlich in einem Crescendo, das schlicht atemberaubend ist. Nicht nur, aber vor allem auch hier offenbart sich, dass Karlsson in den fünf Jahren des Entstehungsprozesses von "Rest in peace" wohl ganz viel The Flaming Lips gehört hat, denn ihre Songs sind eine knietiefe Verbeugung vor Wayne Coyne – in Sachen Melodieführung genauso wie in der entrückten Melancholie, die bei aller bunten Extravaganz und instrumentalem Exzess immer präsent ist.

Man ist schon völlig durchbohrt, da hat die Schwedin noch nicht einmal ihren halben Köcher verschossen. Da drin stecken etwa noch die verhuschte Ballade "That weekend", der noisige Psychedelic-Folk von "What if you would die?" oder "End of time", das seinen zerbrechlichen Pop in einem Finale aus Theremin-artigen Synths auflöst und dabei wie ein Outtake aus Goldfrapps "Felt mountain" klingt. "Love isn't on my mind" erinnert dann nicht nur mit seinen Jangle-Gitarren an die seligen Smiths, auch dessen zynische Abrechnung mit einer vergangenen Liebschaft mutet schon fast morrisseyesk an. Es ist einer der wenigen lyrisch wirklich bissigen Momente, auf einem Album, das mit erfrischend wenig Millennial-Ironie und jugendlicher Selbstüberschätzung auskommt. Karlsson begann schon mit 17, die Songs für "Rest in peace" zu schreiben, und so kommt man gar nicht drum herum, es auch als ihr Coming-of-age-Werk zu betrachten. Als solches ist es beeindruckend in seiner Reife und der Klarheit seiner musikalischen Visionen, Karlsson hat vielleicht noch nicht mit letzter Konsequenz ihren Sound gefunden, doch weiß sie genau, wo sie hin will, und auch, dass jede künstlerische Vielfältigkeit nichts bringt, wenn die emotionale Nahbarkeit und Aufrichtigkeit fehlen. Nur ihr Künstlername als letzter Akt der Teenie-Aufmüpfigkeit passt da nicht so recht rein. Den kann sie doch wirklich nur haben, um uns Rezensenten zu ärgern.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Rabbits
  • End of time
  • Love isn't on my mind

Tracklist

  1. It is silly
  2. Hemtjänsten
  3. Rabbits
  4. End of time
  5. Love isn't on my mind
  6. That weekend
  7. What if you would die?
  8. My baby

Gesamtspielzeit: 31:33 min.

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User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

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Registriert seit 08.01.2012

2018-05-17 22:21:41 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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