Yan Wagner - This never happened
Her Majesty's Ship
VÖ: 27.04.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Das sind Geschichten
Wunderbare Jahre waren das bei Plattentests.de. Schampus und Premium-Pilzrahmsuppe in rauen Mengen, pro Rezension 100 Amerikanische Mark – die Euro-Einführung hatten wir ignoriert, nachdem schon die neue Rechtschreibung irgendwann bindend geworden war – und ein euphorischer Sponsor. Aber die Zeiten sind matter geworden, denn eines Tages dampfte besagter Mäzen plötzlich mit gehörntem Helm auf dem Kopf und einem fröhlichen "Wickie Meister Wickie" auf den Lippen gen Norden ab, um fortan lieber in ein skandinavisches Start-Up zu investieren. Geschäftsidee: Regale mit Fleischbällchen bewerfen oder so ähnlich. Nie wieder gehört von der Klitsche. Seither wird der Pool auf dem Dach des vollverglasten Redaktionsgebäudes allein von der flammenden Wut aller Sunrise-Avenue-Fans beheizt, und die Suppe aus der Tüte – na ja, lassen wir das.
Was dieser todkranke erste Absatz mit "This never happened" von Yan Wagner zu tun hat? Nun, er ist ebenso frei erfunden wie die Geschichten, die der Franko-Amerikaner auf seinem zweiten Album erzählt. Oder vielmehr croont, haucht und samtet. Denn während vor allem das Titelstück des Vorgängers "Forty eight hours" wie ein Dance-Mix von Joy Divisions "Atmosphere" klang, eifert Wagner diesmal zumindest stimmlich Lee Hazlewood und Frank Sinatra nach. Letzteren ehrt er gar mit einer flirrenden Fassung des wehmütigen "It was a very good year", in dem sich Ol' Blue Eyes einst die Liebschaften eines bewegten Lebens wie einen guten Wein nochmals auf der Zunge zergehen ließ. Und auch Wagners Interpretation besitzt Charme, Hingabe und Herz, auch wenn sich der edle Tropfen zuweilen mit sprudelnden Unterhaltungsgetränken mischt.
Die in ungepanschter Form schon früher gereicht werden auf einem Album, das mithilfe von kühlen Synthesizern und analogen Blubbermaschinen das tiefe Lied des gediegenen Retro-Elektro-Pop mit wavigen Extensions singt. Entsprechend schraubt Wagner seinen Bariton so weit wie möglich herunter, wenn er dramatische, wiewohl erstunkene und erlogene Stories über dunkle Clubs, einsame Nachtgestalten und Balzversuche im Neonlicht intoniert. "Our loneliness is the best of it all", barmt das trotz Düsternis fidel pumpende "Blacker" zu Beginn, "Close-up" inklusive seufzenden Damenchor und der laszive Antänzer "SlamDunk cha-cha" zockeln artig in die gleiche Richtung. Und versucht der Sänger seine Angebetete allen Ernstes per spendiertem Drink zur Herausgabe ihrer Telefonnummer zu bewegen, fühlt man sich tatsächlich kurz wie in den Achtzigern.
Passend dazu stehen zeitgemäß aufpolierte Gründerväter des Genres wie Fad Gadget oder Gary Numan gefühlt schon vor der Tür – nebst den im gleichen Geiste operierenden Nachfahren Thomas Azier oder Jesper Dahlbäck. Und na gut, Hurts dürfen auch rein, sofern fauler Schmus und marmeladene Saxofone draußen warten. So etwas würde nämlich weder zum mit akzentuiertem Piano ausgelegten Prachtstück "No love" noch zu "Generic city" passen, das "Hypercommunication" von den Landsleuten Poni Hoax die Rockismen zugunsten einer kosmischen Keyboard-Figur austreibt. Womit ein geschmackvoller Trip durch mehrere Jahrzehnte elektronischer Klangerzeugung abgeschlossen wäre – am Ende steht ein auch dank dem gravitätischen Gesang exzellentes Album. Klingt unglaubwürdig? Fragt mal Yan Wagner. Er wird schwören, dass er falsch schwört.
Highlights
- Blacker
- SlamDunk cha-cha
- No love
- Generic city
Tracklist
- This never happened
- Blacker
- SlamDunk cha-cha
- Grenades
- Close up
- No love
- A river of blood
- It was a very good year
- Generic city
- A place nearby
Gesamtspielzeit: 43:11 min.
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Referenzen
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