Indochine - Paradize

Columbia / Sony
VÖ: 22.04.2003
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Mondfinsternis
Mit dem Import von ausländischen Spezialitäten nach Deutschland ist das ja so eine Sache. In den türkischen Shops an der Straßenecke bekommt man so ziemlich alles vom wohlschmeckenden Fladenbrot über nicht zu empfehlende Kaugummis bis hin zur geschmacklosen Nachttischlampe feilgeboten. Die Tifosi beglücken unser Land seit jeher mit dem leckersten Futter, wo gibt. Und unsere amerikanischen Freunde prägen unsere Kultur nicht erst seit gestern. Aber was hatten uns die Franzosen bislang schon zu bieten? Außer häßlichen Autos, Mylène Farmer, Patricia Kaas und der glorreichen Idee, fünf gute Deutsche Brötchen am Stück zu backen und das ganze "Baguette" zu nennen?
Während die Staatsoberhäupter den Schulterschluß proben, soll das "alte Europa" dank Indochine indes auch musikalisch zusammenwachsen. Die nämlich füllen mit düsterem Wave-Pop im Land der Tricolore bereits seit den Achtzigern die Stadien und wurden schon früh als die französischen Depeche Mode geadelt. Nach dem Tod seines Zwillingsbruders Stéphane vor vier Jahren hat sich Nicolas Sirkis zum Weitermachen entschlossen und visiert mit dem nunmehr zehnten Album "Paradize" den späten europaweiten Durchbruch an. Das läßt zumindest die Gästeliste erahnen, von der neben französischen Größen wie Gérard Manset vor allem Melissa auf der Maur (Hole, Smashing Pumpkins) auffällt, die im sanften "Le grand secret" mit Sirkis um die Wette schmachtet.
Hat man sich an die französische Sprache und die überladenen Arrangements mit ihren merkwürdig anmutenden Industrial-Anleihen gewöhnt, offenbart das Album einige Highlights, die sich hinter den Glanztaten der "großen Brüder" Depeche Mode nicht zu verstecken brauchen. Der Opener "Paradize" erinnert an deren "Songs of faith and devotion"-Phase, und "Electrastar" wäre ein großartiger Song, wenn Sirkis doch bloß auf dieses Badewannengejaule verzichten würde.
Doch gerade die zarten Momente sind es, bei denen die Sprachbarriere verschwindet und auch internationale Herzen zum Jauchzen gebracht werden: Zum sanften "J'ai demandé à la lune" betete vergangenes Jahr die Grande Nation zu recht einen ganzen Sommer lang den Mond an. "Dark" erweist sich als daunenweiche Synthieballade, und "La nuit des fées" beschwört die Zauberwesen in die Dunkelheit. Zu einer Stunde, "in der alles sich wie eine noch tiefere Wunde anfühlt" erscheinen 1000 Lichter in 1000 Farben. Die Feen weisen den Weg durch die Nacht. Und die Elfen reichen das Pflaster.
Highlights
- J\'ai demandé à la lune
- Le grand secret
- La nuit des fées
- Dark
Tracklist
- Paradize
- Electrastar
- Punker
- Mao boy!
- J'ai demandé à la lune
- Dunkerque
- Like a monster
- Le grand secret
- La nuit des fées
- Marilyn
- La manoir
- Popstitute
- Dark
- Comateen I
- Un singe en hiver
Gesamtspielzeit: 72:27 min.
Referenzen
Nicolas Sirkis; Low Distortion Unit; Depeche Mode; The Cure; Bauhaus; Joy Division; My Bloody Valentine; Taxi Girl; Axel Bauer; Etienne Daho; Plastic Bertrand; Noir Désir; Gary Numan; Nine Inch Nails; Einstürzende Neubauten; VAST; A-Ha; Duran Duran; The Sisters Of Mercy; Paradise Lost; Interpol; Placebo
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