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Ivar Bjørnson & Einar Selvik - Hugsjá

Ivar Bjørnson & Einar Selvik- Hugsjá

By Norse / Membran
VÖ: 20.04.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der schmale Grat

Nein, kein Wikingerwitz zum Einstieg. Auch wenn es arg in den Fingern juckt. Denn das, was Ivar Bjørnson und Einar Selvik machen, dürfte so mancher Rezipient in der weltmusikalischen Schmuddelecke verorten. Zu eindeutig sind die Vorzeichen: Tribal-Getrommel trifft auf hallgeschwängerten Gesang, das Trinkhorn scheint stets nur einen Gang zum haarigen Barkeeper entfernt. Die Skepsis entsteht nicht von ungefähr, verdingt sich Selvik doch hauptberuflich bei Wardruna, einer Band, die sich "der Erinnerung an die nordische Spiritualität und Weisheit“ verschrieben hat. Was musikalisch durchaus wohlklingend daherkommt, man aber selbstverständlich kritisch betrachten kann und darf. Die Tatsache, dass Wardruna einen wesentlichen Teil zum "Vikings"-Soundtrack beigesteuert haben, zeugt zumindest davon, dass derlei Klänge längst im Massenmarkt angekommen sind. Freunden des nordischen Metal dürfte auch Ivar Bjørnson ein Begriff sein. Der Gitarrist und Keyboarder von Enslaved genießt ebenso wie Selvik in der Szene einen guten Ruf.

"Hugsjá" ist die zweite Zusammenarbeit der beiden Musiker: Bereits im Jahr 2014 erschien "Skuggsjá", eine Auftragskomposition zum 200-jährigen Verfassungsjubiläum Norwegens. Da sich das Album gut verkaufte, erscheint die Fortsetzung nicht nur aus künstlerischer Perspektive nachvollziehbar. Während auf "Skuggjsá" noch viel stärker Ambient- und Black-Metal-Einflüsse zum Tragen kamen, schippert "Hugsjá" in deutlich ruhigeren Gewässern dahin. Wer sich noch an die finnischen Düsterfolker von Tenhi erinnert, weiß ungefähr, was ihn erwartet. Hierzu sei angemerkt, dass der Hörer eine gewisse Grundbereitschaft dazu mitbringen muss, sich auf Pathos und Getöse einzulassen. Allerdings gelingt es Selvik und Bjørnson weitestgehend, allzu seifiges Getröte zu vermeiden. So ist "Hugsjá" ein Werk, das – die richtige Stimmung vorausgesetzt – tief berühren kann.

Der entscheidende Song steht ganz am Anfang. Wenn Selvik klagend seine Stimme erhebt, während ringsum traurige Gitarrenakkorde angeschlagen werden, bleiben nur zwei Optionen: Entweder man rennt schreiend davon oder horcht fasziniert auf. Denn "Hugsjá" besitzt eine Melodie, die durch Mark und Bein geht. Will man eine Genrebezeichnung auspacken, bieten sich Etikettierungen wie "Dark Folk" oder "Nordic Folk" an. Ganz unabhängig von Schubladen legt das Stück aber in erster Linie Zeugnis vom musikalischen Selbstverständnis der Beteiligten ab. Ritualistische Klänge sind erlaubt, sofern sie sich im Kosmos des Pop verankern lassen. Angenehm fällt auf, dass auf dem gesamten Album die Ethno-Karte nur selten überreizt wird. Der einzige fragwürdige Song ist "Nytt land", dessen Refrain dann doch zu dick aufträgt.

Die Menge der guten bis herausragenden Tracks macht aus "Hugsjá" ein spannendes Gesamtkunstwerk. Besonders erwähnenswert sind "WulthuR", das aufgrund seines dominanten Schlagzeugs dem Post-Rock nahesteht, oder das genauso wunderbare "Nattseglar", das sich nach einem ausladenden Intro in einem meditativen Rhythmus verliert, wobei Selviks Gesang den nötigen melodischen Kontrapunkt setzt. Die größte Überraschung liefert schließlich "Oska", dessen Einstiegs-Groove frappierend an Soundgarden erinnert. Selbstverständlich folgen keine polyrhythmischen Riff-Exzesse, sondern sphärische Variationen des Hauptmotivs. Auch hier sorgt Selvigs engagierter Vortrag für einige Gänsehautmomente. Nun wäre der perfekte Augenblick für einen Wikingerwitz gekommen. Ach, was soll's: Wer bringt dem Wikinger das Essen? Der Bifröstmann.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Hugsjá
  • WulthuR
  • Nattseglar
  • Oska

Tracklist

  1. Hugsjá
  2. WulthuR
  3. Ni døtre av hav
  4. Ni mødre av sol
  5. Fornjot
  6. Nattseglar
  7. Nytt land
  8. Nordvegen
  9. Utsyn
  10. Oska
  11. Um heilage fjell

Gesamtspielzeit: 62:22 min.

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User Beitrag

MasterOfDisaster69

Postings: 936

Registriert seit 19.05.2014

2018-04-30 16:14:02 Uhr
Corvus Corax und Dead Can Dance wären bei den Referenzen angebrachter als manch eine dort zu findende gitarrenlastige Metalband...

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-04-27 13:39:30 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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