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Twin Shadow - Caer

Twin Shadow- Caer

Reprise / Warner
VÖ: 27.04.2018

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Asche aus Phönix

Die künstlerische Entwicklung von George Lewis Jr. macht betroffen. "Forget" hieß damals dieser musikgewordene Fiebertraum, eines der erklärten 2010er-Jahre-Lieblingsalben des Rezensenten und ein verwaschenes Wavepop-Meisterwerk, das vor Intensität, Ideen und mitreißenden Hooks kaum laufen konnte. Der Nachfolger "Confess" behielt zwar dessen sehnsuchtsvolle Romantik bei, schleifte aber auch sämtliche Ecken und Kanten zugunsten einer glatten, wenn auch in ihrer Käsigkeit und Selbstverliebtheit immer noch irgendwie funktionierenden 80er-Hommage ab. Großartige Popsongs schreiben konnte Twin Shadow da aber eigentlich noch immer, was die Existenz von "Eclipse" noch verwunderlicher macht – war dieser verkrampfte, stellenweise unerträgliche Mainstream-R'n'B-meets-Eurotrash-Hybrid tatsächlich eine freiwillige Entscheidung oder konnte er es plötzlich einfach nicht mehr besser?

Vorweg: Ein derartiger Totalausfall ist "Caer" zum Glück nicht geworden. Möchte man sich Lewis' bisherigen Werdegang als Metamorphose zum wahrscheinlich hässlichsten Schmetterling der Welt verbildlichen, stellt er nun fest, dass es im Kokon eigentlich gar nicht mal so übel war. Er klingt zwar noch immer mehr nach The Weeknd als nach der musikalischen Person seines Debüts und würde nachwievor mit den meisten seiner neuen Tracks im Formatradio nicht weiter auffallen, doch hat er ein gutes Stück seiner einstigen Leichtigkeit zurückgewonnen. Das liegt möglicherweise auch am persönlichen Hintergrund des Albums: "Caer" ist das spanische Wort für "fallen" und symbolisiert hier die Abgründe, mit denen der New Yorker in jüngerer Vergangenheit konfrontiert wurde, von einem schweren Tourbus-Unfall, der fast mit der dauerhaften Lähmung einer seiner Hände geendet hätte, bis zum Zusammenbruch seiner letzten Liebesbeziehung. Es gibt zwar keine tiefgehenden metaphorischen Verschachtelungen wie die einstige Abwandlung des König-Midas-Mythos in "Castles in the snow", doch wo "Eclipse" nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich so massentauglich wie möglich aufbereitet schien, hat man jetzt wieder das Gefühl, ein Musiker hätte zumindest einen kleinen Teil seiner Seele in sein Schaffen investiert.

Dazu gehört auch die Rückbesinnung auf die eigene Vergangenheit. "Bombs away", ein Bonus-Track, der in manchen Versionen des Albums ganz an den Anfang gestellt ist und dort wunderbar passt, erinnert mit Lewis' zurückhaltendem Vortrag über einem sphärischen Synth-Teppich sogar an die einstige Großtat "Tyrant destroyed" – auch wenn dessen Qualität nicht erreicht wird, ist es ein erstaunlich atmosphärischer Startpunkt, mit dem man so nicht gerechnet hätte. Das gitarrenlastige, von den Haim-Schwestern unterstütze "Saturdays" klingt wie direkt aus der "Confess"-Ära gerissen und man ist verzückt darüber, wie locker Lewis die Hits plötzlich wieder aus dem Ärmel schüttelt. "Brace" und "Too many colors" können sich da auch ganz mühelos einreihen, Engelschöre singen im Loop, Glockenspiele klimpern und bei all der Unbeschwertheit lässt sich der 35-Jährige auch zu einem seiner größten Wagnisse überhaupt hinreißen: "Little woman" ist als Song vielleicht kein Highlight, aber ein in seiner Sperrigkeit beeindruckender, kleiner Brocken, der Autotune mit bedrohlichen Streichern und Störgeräusch-Wänden kontrastiert.

Und doch bleibt bei all den positiven Ansätzen und einem unterm Strich gelungenen Album ein Beigeschmack. Nicht unbedingt, weil "Caer" auch Ausfälle hat – bei "Sympathy" wartet man nach der vermeintlichen Bridge auf einen Refrain, der nie kommt, und das ganz schlimme "When you're wrong" wäre auch im Gruselkabinett von "Eclipse" eine der angsteinflößenderen Attraktionen gewesen. Das Problem ist eher, dass das Album, versinnbildlicht durch ordentliche, aber auch ur-generische Songs wie "Littlest things", eine Erkenntnis zementiert. Der Twin Shadow von früher ist tot und wird nie wieder auferstehen, der neue mag sich im Vergleich zum Vorgänger-Album zwar deutlich verbessert haben, doch rammt er einem seinen damals angesetzten Pflock noch ein bisschen weiter ins Herz. "I knew the crash was comin', I felt it in my blood", singt Lewis im finalen "Runaway", auf seinen Unfall referierend. Hätte man als Hörer ähnliche prophetische Tendenzen gezeigt, man hätte sich eine tourbus-große Enttäuschung möglicherweise ersparen können.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Brace (feat. Rainsford)
  • Saturdays (feat. Haim)
  • Too many colors

Tracklist

  1. Bombs away
  2. Brace (feat. Rainsford)
  3. Saturdays (feat. Haim)
  4. Sympathy (feat. Rainsford)
  5. 18 years
  6. Little woman
  7. When you're wrong
  8. Twins theme
  9. Littlest things
  10. Too many colors
  11. Rust
  12. Obvious people
  13. Runaway

Gesamtspielzeit: 41:14 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Ja
2018-08-11 21:09:31 Uhr
So ungefähr steht es auch in deiner Rezension.

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 20063

Registriert seit 10.09.2013

2018-04-27 11:19:56 Uhr
Ist schon besser als der Vorgänger, aber auf keinen Fall ein Must-Have. Vereinzelt lässt er ein paar alte Ansätze aufleben (Saturdays klingt nach der Confess z.B.), aber insgesamt ist das wieder ein recht generisches R'n'B-Pop-Album, nur etwas frischer und mit besseren Songs als zuletzt.

saihttam

Postings: 2484

Registriert seit 15.06.2013

2018-04-27 01:36:29 Uhr
Lohnt sich das Ding? Fand den Vorgänger echt nicht so dolle und habe daher eigentlich relativ wenig Lust auf das Album.

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 20063

Registriert seit 10.09.2013

2018-04-27 01:15:23 Uhr
Absolut.
7.5/10
2018-04-26 19:44:05 Uhr
"Too many colors" ist ein tolles Lied.
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