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Eleanor Friedberger - Rebound

Eleanor Friedberger- Rebound

Frenchkiss / Membran
VÖ: 04.05.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Eleanor put her boots on

Eleanor Friedberger befindet sich auf den Spuren ihrer Vergangenheit. Mal wieder, auch wenn sich das jetzt deutlich weniger schrill und opulent gestaltet als noch 2005 beim unvergessenen Konzeptalbum über das Leben der verstorbenen Großmutter, "Rehearsing my choir". Das passt ja dann auch zur künstlerischen Neuausrichtung, die Friedberger seit dem vorläufigen Ende von The Fiery Furnaces vollzogen hat, weg von nicht enden wollender Ambition und Ideenreichtum und hin zu einem auffällig gesetzteren, bodenständigeren Ton. Für ihr mittlerweile viertes Solo-Werk reiste sie nach Griechenland, Geburtsort der einst besungenen Oma, belegte Sprachkurse, erhoffte sich Inspiration aus dem Kontakt mit der Kultur und ansässigen Musikschaffenden, doch mit dem Schreiben wollte es nicht so recht klappen. Kurz vor Abreise erhielt sie dann noch einen Tipp: Ein ominöser Nachtclub, geöffnet nur samstagnachts ab drei Uhr, vernebelt, berüchtigt für seinen "chicken dance" und unbekannte baltische Bands, die alle nach Joy Division oder The Cure klingen, dazu offenbar mit der Gabe gesegnet, den eingenickten kreativen Geist amerikanischer Indie-Musikerinnen wieder zu erwecken. Der Name des Clubs: "Rebound". So bekloppt wie die Entstehungsgeschichte des gleichnamigen Albums klingt, scheint ein kleiner Teil der Frau, die sich gemeinsam mit ihrem Bruder Matthew für wahnwitzige Epen à la "Quay cur" verantwortlich zeigte, noch immer da zu sein.

Zugegeben, um ähnliches auch bei der Musik selbst herauszuhören, ist schon ein sehr aufmerksames Ohr erforderlich. Friedberger zeigt durchaus Willen zur Veränderung, nahm "Rebound" im Gegensatz zum Vorgänger "New view" komplett alleine mit programmierten Beats, verhaltenen Gitarren und Juno-Synths auf, was für einen weniger nach Rockband klingenden und mehr synthetischen, 80er-beeinflussten Sound sorgt. Doch im Kern ist das Resultat wieder ein entspanntes, kompaktes Singer-Songwriter-Album geworden. Das ist natürlich überhaupt nicht schlimm, hat die 41-Jährige schon zur Genüge bewiesen, dass sie einer nicht nur stimmlich vergleichbaren Joan As Police Woman in nicht viel nachsteht. Das vorab veröffentlichte "In between stars" ist so eine wunderbar zurückhaltend groovende Indie-Soul-Nummer, Friedberger mystifiziert sich selbst mit kryptischen Metaphern, nur um sich am Ende ganz nahbar und verletzlich zu geben: "I don't know how I come to see the world exclusively through your eyes / Everything I buy and eat and do with you in mind". Losgelöst vom ständigen Dekonstruktionsdrang ihrer einstigen Band offenbart sich, was zuvor höchstens erahnt werden konnte: Das hier ist nicht nur ein echter Mensch mit wahrhaftigen Emotionen und Erfahrungen, sondern auch eine verdammt starke Songwriterin.

Eine allzu simple und unambitionierte Angelegenheit darf man von der Frau, die ehemals auf "Blueberry boat" die Ideen von circa 150 verschiedenen Alben in ein einziges presste, aber trotzdem nicht erwarten. Fast alle der zehn Songs schlagen unerwartete Haken und entziehen sich immer wieder der melodischen Einfachheit, die sie zuvor antäuschten. Das geht schon beim Opener "My Jesus phase" los, der mit einem jähen Gitarrensolo aus seiner sphärischen Schwebe herausreißt, und auch das nicht minder fantastische "The letter" lässt seine 80er-Pop-Grazie auf eine ähnliche Weise zerschießen. In "It's hard" zappeln nervöse Gitarrenfetzen wie in einem St-Vincent-Song, "Everything" taumelt wacklig, aber bestimmt zur euphorischen Hymne und "Make me a song", das treibendste und dringlichste Stück der Platte, verbindet auf großartigste Weise instrumentale Verspieltheit mit einem Herz aus verständnisvoller Wärme. Der Abschluss mit der eigenen Vergangenheit muss nicht zwingend eine Abkehr davon sein, sondern kann sich auch in der Akzeptanz des ehemaligen Ichs als inhärenter Teil des gegenwärtigen äußern. Friedberger hat sich von ihrem Bruder emanzipiert, ist nicht länger nur ein weiteres Instrument im bodenlosen Wahnsinn der Fiery Furnaces, aber versucht sich auch nicht, krampfhaft davon abzusetzen. Das dürfte die Großmama im Himmel dann auch stolzer machen, als es jede noch so überladene, ihr gewidmete Indie-Oper schaffen könnte.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • My Jesus phase
  • The letter
  • Make me a song

Tracklist

  1. My Jesus phase
  2. The letter
  3. Everything
  4. In between stars
  5. Make me a song
  6. Nice to be nowhere
  7. It's hard
  8. Are we good?
  9. Showy early spring
  10. Rule of action

Gesamtspielzeit: 40:11 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Mr Oh so

Postings: 2972

Registriert seit 13.06.2013

2018-05-14 01:09:01 Uhr
Eleanors Stimme ist einfach nicht gut genug, um diese unscheinbare, leichte Musik zu etwas Besonderem zu machen.

Ich unterschreibe eher das hier.

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19947

Registriert seit 10.09.2013

2018-05-13 23:47:56 Uhr
Kann ich nur unterschreiben.

Amused

Postings: 231

Registriert seit 28.11.2016

2018-05-13 14:57:10 Uhr
Ich liebe ihren Gesang. Und der etwas atmosphärischere Synthesizer-Sound hier steht ihr imho besser als der Folkpop auf den beiden Vorgänger-Alben.

Plattenbeau

Postings: 976

Registriert seit 10.02.2014

2018-05-13 14:37:44 Uhr
Eleanors Stimme ist einfach nicht gut genug, um diese unscheinbare, leichte Musik zu etwas Besonderem zu machen.
Naja
2018-05-13 09:57:13 Uhr
Höre die FF ganz gerne... Das hört sich ja sehr ähnlich an. Nur, ich mochte die FF wegen ihrem Dilettantismus und Wahnsinnigkeit. Das ganze in ernst bringt es leider nicht. :(
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