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City Calm Down - Echoes in blue

City Calm Down- Echoes in blue

I Oh You / PIAS / Rough Trade
VÖ: 06.04.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Die Schönheit des Zerfalls

"I'm the one who wants your blood, I'm the one who wants your skin and bones" – wie die Geier über ihr Aas fällt das Melbourner Quartett um Sänger Jack Bourne auf "Blood" über die Hörer her, nachdem zunächst zu schwelgenden Synthies Zurückhaltung suggeriert wird. Doch plötzlich zerreißt das Crashbecken die Stille und ein hämmernder Basslauf kündigt einen Sturm an, dessen Auge sich nicht mehr abwenden mag. Statt eines Echos folgt dem großen Krach aber auf "I heard nothing from you" direkt die beschwichtigende Flaute, das Tätscheln der letzten Ruhe im Moment einer kleinen Tragödie. Es ist ein gekonntes Schauspiel, das City Calm Down auf ihrem Zweitlingswerk, drei Jahre nach "In a restless house", inszenieren – die Kulissen sind altbekannt, aber lebensecht und der wavige Indie-Rock mit tiefer Stimme und Hang zur großen Geste brennt wie ein guter Whiskey beim unverhofften Wiedersehen eines alten Freundes aus Zeiten jugendlicher Unvernunft. Entsprechend spricht Bourne in selbigem Track aus der Seele: "I lost my sense of place and time."

Diese Prämisse gilt sowohl für das Konzept als auch die musikalische Umsetzung des Albums. Nicht umsonst kündigte die Band kürzlich das analoge Video zur Single "Echoes in blue" mit den Worten "A six and a half minute homage to Pink Floyd, Radiohead and everything in between" an. Die Referenzen triefen entsprechend nur so vor den Indie- und Wave-Helden der Nullerjahre und deren Vorbildern. City Calm Down gradieren sich damit quasi selbst zur x-ten Generation einer Soundästhetik, die eine gewisse Zeitlosigkeit gepachtet zu haben scheint und sich schließlich mit jeder Gegenwart neu definiert. Hier erfindet sie sich im Antlitz der Post-(Post?)-Postmoderne zwar keineswegs neu, drückt aber mit traditionell moll-lastigen Fingern in die immer gleichen Wunden der Zeit: Übersättigung, Entfremdung – hin zum Eskapismus, dorthin, wo die hoffnungsvollen Rufe noch hallen und nicht der Atemnot im Menschenmeer zum Opfer fallen.

Am besten gelingt die Vertonung dieses Seelenzustands auf eben jenem Closer und der namesgebenden Single des Albums, sowie mit dem ungemein atmosphärischen Opener "Joan, I'm disappearing". Während Ersteres durch seine perkusive Rhythmik, die steigernde Songstruktur und ein intensives, von Bläsern untermaltes Outro, auf das auch Foals stolz gewesen wären, überzeugt, legt der Opener den Grundstein hingegen durch neblige Synthiewälder und die besonders nüchtern an der Sehnsucht nagende Gesangsperformance Bournes: "I sit here for days, in my air conditioned cage." Viel näher an der Makellosigkeit können derlei düstere Balladen kaum existieren. Stört man sich also nicht daran, mit jedem neuen Song der Platte einem weiteren, kleinen Déjà-vu zu erliegen – sei es die an Motorama erninnernde Melodieführung auf "In this modern land" oder das Editors-Zwillingswerk "Pride" –, sondern badet gerne in bewährten Gewässern, ist "Echoes in blue" wie ein Sprung vom Beckenrand. City Calm Down weben in Zeiten zwischenmenschlicher Kälte ihren Mantel aus den Echos der Vergangenheit und lassen dabei kaum eine musikalische Weisheit unerhört. Zeit, selbst wieder hinzuhören.

(Robin Hartmann)

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Highlights

  • Joan, I'm disappearing
  • Kingdom
  • Blood
  • Echoes in blue

Tracklist

  1. Joan, I'm disappearing
  2. In this modern land
  3. Distraction/Loosing sleep
  4. Blame
  5. April 18
  6. Decision fatigue
  7. Kingdom
  8. Blood
  9. I heard nothing from you
  10. Amber
  11. Pride
  12. Echoes in blue

Gesamtspielzeit: 44:37 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Gordon Fraser

Postings: 2536

Registriert seit 14.06.2013

2018-05-31 19:12:54 Uhr
Ja, auch mal ein Lob von meiner Seite: ohne die PT-Rezi wäre ich hier sicher nicht drauf gestoßen. Trotz der m.E. etwas verqueren ersten Referenzen (Radiohead? The Killers?). Muss hier oft an Frightened Rabbit denken.

vincent92

Postings: 109

Registriert seit 22.11.2016

2018-04-20 07:56:34 Uhr
ganz tolles album.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-04-19 20:31:59 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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