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Tom Liwa - Ganz normale Songs

Tom Liwa- Ganz normale Songs

Grand Hotel van Cleef / Indigo
VÖ: 13.04.2018

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Das Ich und das Wieder-Ich

Dinge erhalten in zeitlicher Perspektive Bedeutung und Gewicht. Vor allem die Rückschau. Wird die Interpretation des eigenen Lebens mit zunehmendem Alter immer präziser, weil der Blick durch zahlreiche Querreferenzen und langfristige Entwicklungen geschärft wird? Oder bringt jedes Lebensalter seine eigene, angepasste und selektive Deutung hervor – jeweils die, die am besten zum jeweilig aktuellen Selbstbild passt?

Auf "Ganz normale Songs" betreibt Tom Liwa mal wieder Rückschau und geht dabei teilweise sehr weit zurück. Kindheitserinnerungen, Familienbande und alte Freundschaften werden ausgelotet. Man erhält hier aber kein Psychogramm Liwas, keine musikalische Selbsttherapie, wie es bei alternden Künstlern öfter der Fall ist, und auch keine nostalgische Verklärung. Eher eine liebevolle Aufzählung an Eindrücken, Emotionen, Bildern, die sich ihrer Bruchstückhaftigkeit voll bewusst ist. Störungen und Schmerzen gehören natürlich dazu – die Seele wird eben im Laufe des Lebens "befallen von allen gängigen Symptomen", heißt es in "Schuld". "Meistens war's geil" ist hingegen die Mantra-artige Auswertung in "Meistens", und hier weiß man schon nicht mehr so genau, ob es sich um eine lakonische Parodie oder eine ernst gemeinte, unprätentiöse Bilanz eines ganz okayen Lebens ist.

Anekdotenhafte Bruchstücke, poetische Szenen, Streiflichter stehen in Liwas 25. Studioalbum gleichberechtigt neben allgemeinen Beobachtungen. In "Dope" skizziert Liwa das Verhältnis zu seinem Vater in zwei universellen Wünschen – nicht sterben und nicht erwachsen werden. Was der Vater in seiner Jugend auf sich selbst bezog, übertrug der später auf den Sohn, der sich diese beiden Ziele letztendlich zu eigen macht.

Musikalisch sind Liwas Streifzüge durch Gedächtnis und Bewusstsein zwar großzügig instrumentiert, aber ansonsten minimalistisch gehalten. Nichts soll von dem Text ablenken oder durch dramatische Untermalung die Interpretation erleichtern. "Leute" schraubt sich mit staubigen und flimmernden Gitarren in die Ekstase, "Yoga" schaukelt sich in fernöstlicher Meditation ein, während Liwa angelehnt an buddhistischen Mönchsgesang sehr gemächlich seine kryptischen Texte deklamiert. So ziehen melodische Formeln, Akkordfolgen und Rhythmen ihre immer gleichen Kreise, quasi ohne Entwicklung. Die ewige Wiederkunft – ist das wie bei Nietzsche die höchste Form der Lebensbejahung, oder eher der Ausdruck für Monotonie und Stagnation? So gemütlich und harmonisch die vermittelte Stimmung auch ist, auf Dauer gleicht sie einem bequemen Gefängnis. Passend zur entzerrten Dynamik lässt sich Liwa besonders viel Zeit, das Narrativ voranzutreiben. Wenn es denn eins gibt. Mit einer durchschnittlichen Aufmerksamkeitsspanne ist das nicht immer gleich ersichtlich.

Jedoch scheint Liwa aus der ständigen Wiederholung und Entschleunigung tatsächlich eher Trost zu ziehen – wie wenn er in "OK" über wiederkehrende Beziehungsprobleme sinniert und resümiert, dass schließlich jedem mal die Aufmerksamkeit fehlt, seinen Partner vollständig zu lesen und seine Bedürfnisse vorweg zu nehmen. Ein mysteriöses "Feuer" das nie erlischt, steht im Mittelpunkt eines Songs, der mit seinem Country-Vibe musikalisch etwas aus dem Rahmen fällt. Hier singt Liwa: "Ich halt die Welt zusammen von da wo ich bin." Vielleicht hat der 56-Jährige seine Befangenheit tatsächlich bewusst akzeptiert und zelebriert, statt sich um kritische Distanz zur eigenen Biographie zu bemühen, die Subjektivität. Es kann gewiss sein, dass trotzdem niemand besser über Liwa schreiben und singen kann als Liwa.

(Eva-Maria Walther)

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Highlights

  • Meistens
  • Dope
  • Feuer

Tracklist

  1. Schuld
  2. Meistens
  3. Ego
  4. Dope
  5. Witz
  6. Leute
  7. Yoga
  8. Feuer
  9. OK
  10. Unisex
  11. Ufo

Gesamtspielzeit: 49:16 min.

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User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-04-12 11:39:54 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?
Patti Smith
2018-03-23 21:58:59 Uhr
Bester deutscher Songwriter.
Hingehen und entdecken.
Gnutella
2018-03-23 21:18:53 Uhr
Sehr schön!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-03-23 19:22:48 Uhr - Newsbeitrag

Tom Liwa hat - ob mit seiner Band Flowerpornoes, diversen Seitenprojekten oder als klassisches Soloalbum - schon unzählige Alben veröffentlicht. Und doch erzählt der Songwriter aus dem Ruhrgebiet immer wieder eindringliche Geschichten, denen man sofort anhört, dass sie von Liwa stammen. Am 13. April erscheint mit "Ganz normale Songs" sein neues Solo-Album auf Grand Hotel van Cleef - und natürlich findet man darauf, ganz Liwa-typisch, Alles, nur keine ganz normalen Songs.

Als Vorbote zum Album erschien gestern die Single "Witz", für die es ebenfalls ein Musikvideo gibt. Produziert wurde "Ganz Normale Songs" von der Indie-Koryphäe Tobias Levin (u.a. Ja, Panik, Slut, Nils Koppruch, The Robocop Kraus).

Über eine Verbreitung des neuen Videos, sowie der News zum Album auf euren Kanäle würden wir uns sehr freuen!

Tom Liwa - "Witz" (Musikvideo)


Mit dem neuen Album geht Tom Liwa natürlich auch ausgiebig auf Tour, u.a. heute und morgen als Support für Kettcar bei zwei ausverkauften Konzerten in Essen und Bremen. Alle bisher bestätigten Termine findet ihr unten.


Tom Liwa - Live 2018

23.03. Essen, Weststadthalle (mit Kettcar, ausverkauft)
24.03. Bremen, Schlachthof (mit Kettcar, ausverkauft)
06.04. Bremen, Karton
07.04. Münster, Schnabulenz
10.04. Dortmund, Subrosa
13.04. Schauenburg, Märchenwache
14.04. Leipzig, Horns Erben
21.04. Hatzenweier, Grüner Baum
22.04. Freiburg, Swamp
24.04. Darmstadt, Zucker
27.04. Traunstein, Festung
02.05. Hamburg, Knust
05.05. Essen, Grend (mit Flowerpornoes)
18.05. Celle, MS Loretta
01.07. Wilhelmshaven, Jadefestival (mit Flowerpornoes)
22.08. Hamburg, Knust (mit Flowerpornoes)
06.09. Köln, Blue Shell

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-03-10 00:05:11 Uhr - Newsbeitrag

Tom Liwa veröffentlicht "Ganz normale Songs"
Er mag nicht der Songwriter für Jederman/frau sein, aber für die, die es kapieren, ist er einfach der Größte. Tom Liwa wird am 13. April sein neues Album "Ganz normale Songs" bei uns veröffentlichen. Es ist - so über den Daumen gepeilt - sein 25. Album (Alter Schwede, maximum respect!), und beinhaltet natürlich alles andere als ganz normale Songs. Zum ersten Mal wird es auch ein ca. 150-Seiten starkes Begleitbuch zum Album geben, mit Bildern und allen Texten. Mehr dazu in Kürze!



Tom Liwa
23.03.18 Weststadthalle* Essen
24.03.18 Schlachthof* Bremen
06.04.18 Karton Bremen
07.04.18 Schnabulenz Münster
10.04.18 Subrosa Dortmund
13.04.18 Märchenwache Schauenburg
14.04.18 Horns Erben Leipzig
21.04.18 Grüner Baum Hatzenweier
22.04.18 Swamp Freiburg
24.04.18 Zucker Darmstadt
27.04.18 Festung Traunstein
02.05.18 Knust Hamburg
05.05.18 Grend (Flowerpornoes) Essen
18.05.18 MS Loretta Celle
01.07.18 Jadefestival (Flowerpornoes) Wilhelmshaven
22.08.18 Knust (Flowerpornoes) Hamburg
06.09.18 Blue Shell Köln


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