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Hinds - I don't run

Hinds- I don't run

Lucky Number / Rough Trade
VÖ: 06.04.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Macht was draus

Nein, fürwahr: Weglaufen müssen Carlotta Cosials, Ana Perrote, Ade Martin und Amber Grimbergen alias Hinds sicher nicht. Schon gar nicht nach ihrem kauzig-schrammeligen und einfach erfrischenden Debüt "Leave me alone", das 2016 das Licht der ansonsten eher maskulin dominierten Gitarrenband-Welt erblickte. Und das dem Girl-Quartett entgegen des Titels natürlich nicht Ignoranz, sondern Respekt und reihenweise wohlwollende Kritiken einbrachte. Andererseits hätten die Damen mit Hektik oder unkoordinierten Bewegungen auch nicht eine solche von Lässigkeit dominierte Cover-Pose hinbekommen. Eine Pose, die hintergründig allerdings keine ist, sondern lediglich selbstbewusst zum Ausdruck bringt, was der Vierer der Welt auf dem schwierigen zweiten Album mitteilen möchte: Wir sind und bleiben hier, sind keine Lari-fari-Eintagsfliege, die sich mit einer erfolgreichen Platte über die Jugendzeit oder mit ein bisschen Sex-, Drugs-und-Rock'n'Roll-Lifestyle zufriedengibt.

Im Gegenteil, letzterer Teil der jüngeren Bandgeschichte war sogar maßgebliche Inspiration für die Songs auf "I don't run", die im Subtext meist von den Erfahrungen zehren, die Hinds auf ihrer weltumrundenden Tour zum Debüt erlebt haben. Die Single "New for you" greift mit dem zugehörigen Musikvideo und der Fußball-Metapher zielgerichtet die Rolle einer Frauenband im Männerzirkus auf, bringt aber auch zum Ausdruck, dass die Extremsituationen der letzten Monate, das Sich-beweisen-Müssen, das vermeintliche Niedlichsein, das teilweise Belächeltwerden und ja, auch ernstere Formen des Alltags-Sexismus die vier Freundinnen zusammengeschweißt und jede für sich zu gereiften Persönlichkeiten geformt haben. Die Reflexion geht dabei so weit, dass Cosials eigene Verhaltensweisen, das Erlebte und auch den Umgang damit, selbstkritisch hinterfragt: "Sometimes I see myself / And I can’t stand my show".

Ihren in "To the morning light" zuckrig-gemütlichen und manchmal wie im polternden "Rookie" auch herrlich überdrehten Garagerock haben Hinds über all die wilden Monate zum Glück nicht abgelegt. Nein, eher haben sie ihn stellenweise perfektioniert, sodass sich der freche Opener "The club" mit coolem Gitarrensolo und fein tarierten Riffings als eine Art zierliches The-Strokes-Stück entpuppt. Das folgende "Soberland" hingegen hütet das juvenile Chaos des Erstlings, hier überschlagen sich nicht nur die Stimmen der Frontröhren Cosials und Perrote, nein, zum Refrain hin es wirkt ein wenig so, als würden sich die vier Damen die Mittelfinger reckend um ein einziges Mikro balgen. Herrlich! Auch der Ohrwurm "Tester" gibt sich befreit, im hymnischen Refrain gar himmelhoch jauchzend, und ordnet eine Romanze aus dem selbstbewussten Blickwinkel ein: Drüberstehen und schauen, wohin diese Testphase sich entwickeln mag.

"Finally floating" ist ein für Hinds-Verhältnisse fast erwachsener Rocksong, setzt auf clever arrangierte Strophen, schichtet den Chorus über den Vorrefrain und untermalt mit farbenfrohem Gitarrensolo auch eine gewisse musikalische Abgeklärtheit, mit der die Spanierinnen auf ihrem Zweitling zu Werke gehen. Abgeklärt nicht im Sinne von mutlos oder gar langweilig, nein, eher steht das im Grunde feine Stück stellvertretend für einen etwas seriöseren Rahmen, der das Chaotische der vier wilden Damen ordnet. Dem mit jugendlicher Impulsivität eingegrätschten Spagat zwischen wildem Garage-Rock und verschrobenen Surf-Pop-Momenten à la "I feel cold but I feel more" einen Rahmen gibt. Für den ebenfalls professionelleren Klangrahmen zeichnet sich für "I don't run" kein Geringerer als Produzent Gordon Raphael (The Strokes, Regina Spektor) mitverantwortlich. Ja, Hinds sind natürlich noch da, inzwischen sogar eine richtige Rockband. Das schwierige zweite Album ist ihnen geglückt. Ob das Pendel weiterhin nach oben ausschlägt oder nach unten, entscheidet Album Nummer drei. Oder besser: das, was Hinds daraus machen.

(Eric Meyer)

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Highlights

  • The club
  • Soberland
  • Tester
  • I feel cold but I feel more

Tracklist

  1. The club
  2. Soberland
  3. Linda
  4. New for you
  5. Echoing my name
  6. Tester
  7. Finally floating
  8. I feel cold but I feel more
  9. To the morning light
  10. Rookie
  11. Ma nuit

Gesamtspielzeit: 39:57 min.

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User Beitrag

MopedTobias (Marvin)

Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion

Postings: 19947

Registriert seit 10.09.2013

2018-04-16 16:30:50 Uhr
Als ob die jetzt instrumental wesentlich weniger drauf hätten als andere Garagenrock/-pop-Bands... Spaßiges Album, ich mag die Stimmenvariation und stellenweise wirklich tolles Songwriting (Linda!)
stupido
2018-04-05 07:43:19 Uhr
Genau, denn Kunst kommt von Können, und wer Kunst nicht kann, der soll solange Musikunterricht nehmen, bis er ein Künstler ist.

slowmo

Postings: 1128

Registriert seit 15.06.2013

2018-04-05 07:30:45 Uhr
Die Idee ist gut, aber die Welt dafür noch nicht bereit.

Besser nochmal 2-3 Jahre intensiven Musikunterricht nehmen und es dann mit etwas mehr Muße nochmal probieren.
Kurt Cocaine
2018-04-05 05:45:42 Uhr
Ich find es übelst #lit. Chüa!
Grantel
2018-04-04 10:41:08 Uhr
Ich mag die Gitarre in dem Song und finde auch nicht, dass sie beschissen klingt. Ansonsten kann ich dir nur recht geben.
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