Goat Girl - Goat Girl
Rough Trade / Beggars / Indigo
VÖ: 06.04.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Leidenschaft für die Teilnahmslosigkeit
Was man aus Portraits und Interviews über Goat Girl erfahren kann: Die Band besteht aus vier Frauen um die 20 Jahre und wird mit ihrem Post-Punk samt Anleihen aus Gothic und Country als Aushängeschild der brodelnden Südlondoner Indieszene gehandelt. Die rein weibliche Aufstellung hat sich laut eigener Aussage einfach so ergeben, und als Erneuerer der örtlichen Untergrund-Kultur sehen sie sich schon gleich gar nicht. Nun ist es nichts Neues, dass Künstler in lächerlich jungem Alter ihr Talent entfalten, das Attribut "weiblich" zur Einordnung von Musik überstrapaziert wird oder sich Bands gegen Kritikerzuschreibungen sträuben. Sehen wir also lieber, was ihr Erstlingswerk über die Musikerinnen verrät:
1. Sie haben Sinn für Humor
Davon zeugen Songtitel wie "Moonlit monkey" oder "Dance of dirty leftovers". Auch die Musikvideos liefern Einblicke in den verqueren Humor der Gruppe. In der schwer groovigen Nummer "The man" verwandeln sich die Damen in die Beatles und lassen sich von Schwärmen kreischender und hyperventilierender Männern verehren. Das Video zu "Cracker drool" zeigt eine gemütliche Damenfahrt mit dem Auto, bis die vier Freundinnen einen leblosen Körper aus dem Kofferraum zerren und feierlich auf einem verlassenen Feld in Brand setzen. Auch als gleich zu Beginn von "Creep" eine Kaffeehausgeige einsetzt, denkt man zunächst an einen Scherz. Die Fiedel fügt sich dann aber überraschend gut in die rotzige Nummer, die von gaffenden Widerlingen im Nahverkehr handelt.
2. Sie schätzen Ordnung
Bei der Konstruktion ihrer lärmigen, trotzigen Songkulissen gehen die vier Londonerinnen sehr gewissenhaft vor. Bassistin Naima Jelly spielt klare Hooks mit Sogwirkung, Sängerin Clottie Cream stellt die coole, abgeklärte Attitüde zur Schau. Schlagzeugerin Rosy Bones bemüht sich gewissenhaft, das Tempo immer etwas mehr zu bremsen oder anzuziehen, als die Intuition gebietet. Und die Gitarren von Cream und L.E.D. beschwören regelmäßig Ekstase herauf – mal eine psychedelische und mal eine eher volksfesthafte. Ein Beispiel für diese Vorgehensweise ist das erwähnte "Cracker drool": Eine Basslinie wie aus dem Jahrmarkt-Fahrgeschäft lässt das Stück mitreißend beginnen, die Gitarren liefern der Strophe nur vereinzelt Kommentare, geraten beim Refrain dann zeitweilig aus der Fassung und drehen frei, bis das Schlagzeug das Gefährt abrupt abbremst und die Passagiere unbeschadet aussteigen.
3. Sie sind liebreizende Zeitgenossinnen
Siehe Leute auf Feldern verbrennen. Aber auch mit Songzeilen wie "I really wanna smash your head in" oder "Take me home and you'll end up alone" demonstrieren Goat Girl ihre zwischenmenschlichen Qualitäten. In der Vorabsingle "Country sleaze" liefern sie gleich selbst eine augenzwinkernde Selbstbeschreibung und auch eine knappe, aber ehrliche Begründung dafür, dass sie mit Menschen nicht allzu viel anfangen können: "I'm ashamed, I'm afraid of the so-called human race." Dazu grummelnder Bass, trotziger Lärm, schmutzige Gitarrensoli, was allesamt eine aggressive Note nicht verleugnen kann.
4. Sie machen sich nichts daraus
Gleichgültigkeit für die vier Frauen ein so zentrales Thema, dass sie ihr gleich zwei Songs gewidmet haben: "I don't care part 1" und "I don't care part 2". In die jeweilige titelgebende Zeile steigert sich das Quartett gleich mehrstimmig hinein. "Little liar" hat eine ähnliche Botschaft: "I don't really mind" deklariert Cream darin mit regelrechtem Pathos, während die Gitarren mal wieder ihre eigene Party veranstalten. Man darf wohl also davon ausgehen, dass Goat Girl die verschiedentlichen Einordnungen und Erwartungshaltungen ihnen gegenüber gelassen hinnehmen und – heimlich oder hochoffiziell – drauf pfeifen.
Highlights
- Creep
- Cracker drool
- The man
- Country sleaze
Tracklist
- Salty sounds
- Burn the stake
- Creep
- Viper fish
- A swamp dog's tale
- Cracker drool
- Slowly reclines
- The man with no heart or brain
- Moonlit monkey
- The man
- Lay down
- I Don't care part 1
- Hank's theme
- I don't care Part 2
- Throw me a bone
- Dance of dirty leftovers
- Little liar
- Country sleaze
- Tomorrow
Gesamtspielzeit: 40:13 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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saihttam Postings: 2570 Registriert seit 15.06.2013 |
2018-12-20 02:28:45 Uhr
Wirklich schön abgefuckt und dennoch nicht zu unmelodiös. Gefällt mir gut, wenn es auch insgesammt etwas unübersichtlich daherkommt. |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20152 Registriert seit 10.09.2013 |
2018-04-11 17:04:45 Uhr
Echt geil, schön kaputt und vertrackt. Wenn man auf einem Album gleichzeitig wie die frühe PJ Harvey und Warpaint klingen kann, macht man vieles richtig. |
Goat Boy |
2018-03-29 23:11:49 Uhr
Beste Band 2018, schon jetzt. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27849 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-03-29 20:37:27 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
The Slits; X-Ray Spex; Dream Wife; Savages; Epoxies; Beechwood; The Orielles; Estrons; Honeyblood; Starcrawler; Gurr; Girlpool; The Prettiots; Chastity Belt; L.A. Witch; Screaming Females; Sleater-Kinney; Bikini Kill; Hinds; Cherry Glazerrr; Parfum Brutal; ShitKid; Weaves; Lucius; YONAKA; Moon City Boys; Rome Is Not A Town; Liz Phair; Courtney Barnett; Jen Cloher; Marika Hackman; The Japanese House; Geraldine Fibbers; Shame; Idles; Matt Maltese; The Velvet Underground; The Cure; The Coral; Patti Smith; Billie Holiday
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