Amen Dunes - Freedom

Sacred Bones / Cargo
VÖ: 30.03.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Wechselspiel des Lebens
Energisch klingt das Kind. Aufmunternd, motivierend, und wirklich nur ein ganz klein wenig niedlich. "This is your time. Their time is done. It's over! I'm sick and tired hearing about ... SCREW 'EM!", beschwört es den Hörer, und weiter: "This is your time! Now go out there and take it!" Diese nur leicht abgewandelte Rede aus dem Eishockey-Film "Miracle – Das Wunder von Lake Placid", einst von Kurt Russell vorgetragen, leitet "Freedom" ein, das fünfte Album von Amen Dunes. Es sind aber die darauffolgenden, fast untergehenden, viel ruhigeren, weitaus weniger plakativen Worte der Künstlerin Agnes Martin, die entscheidender sind. "I don't have any ideas myself. I am a vacant mind."
Das könnte kaum noch weniger zutreffen bei Damon McMahon, Kopf und Stimme des New Yorker Kollektivs, und doch wirkt es hinsichtlich des Hintergrunds von "Freedom" bezeichnend: Mit der Unterstützung des Produzenten Chris Coady (Beach House) und der Musiker Nick Zinner (Yeah Yeah Yeahs), Delicate Steve und Gus Seyffert (Beck) schufen Amen Dunes ein Manifest des Erwachsenwerdens mit all seinen Tücken, allen falschen Entscheidungen, allen Konsequenzen. Die fatale Krebsdiagnose von McMahons Mutter spielt ebenso eine Rolle wie das schon immer schwierige Verhältnis zu seinem Vater. McMahon lässt auf "Freedom" los: Das Puzzle seiner Existenz fällt auseinander und setzt sich selbst Stück für Stück – im wahrsten Sinne des Wortes – wieder zusammen. Das mag an so mancher Stelle nicht ganz so berührend sein wie der nach wie vor grandiose Vorgänger "Love" von 2014, ist aber auf seine eigene Art genauso spannend mitanzuhören.
So groovt sich etwa das poppig-sanfte "Blue rose" langsam und mit Leidenschaft ins Ohr, sodass man ohne Beachtung der Lyrics fast glauben könnte, es handele sich um eine vertonte sommerliche Romanze. Weit gefehlt: Zeilen wie "Said you weren't much a man to me / But you're the only one I've ever had" lassen sich nicht nur tief in die eigene sexuelle wie männliche Unsicherheit blicken, sondern sprechen auch Bände über die Vater-Sohn-Beziehung der McMahons. Deutlich verspielter gibt sich "Calling Paul the suffering" mit seiner Mischung aus wild umherklimpernden Keyboard-Tasten und irren Drum-Sounds aus der Steckdose, während "Miki Dora" – eine Hommage an den gleichnamigen ungarischen Surfer – sich zurück an den Strand ins Jahr 1963 sehnt, sich im Sand wälzen möchte und genau dort schließlich, pünktlich zur melodischen Klimax, das große Glück findet. Spoiler alert: Zu zweit wälzt es sich noch viel schöner.
Nur an einer Stelle wird "Freedom" merkwürdig schwerfällig, ohne ganz die Melancholie seines Vorgängers einfangen zu können: In "Satudarah" schwebt McMahon in einem nicht ganz wachen, nicht ganz schlafenden Zustand über sich selbst, er erzählt mehr, als dass er wirklich singt, fast wirkt es wie eine Art Meditation. Ganz anders der entspannt-flowende Neunzigerjahre-Rock-Pop von "Believe", der sich fast sechs Minuten lang ausbreitet wie ein Roadtrip durch die Wüste, dabei sicher nicht zufällig an Kurt Vile & Konsorten erinnert und mit dem stärksten und bewegendsten Finale aufwartet, das "Freedom" zu bieten hat. Am Ende dieses andauernden Spiels des Lebens, das sich immer wieder selbst erfindet, steht wieder der Anfang: In der Mitte des unruhigen Abschlusstracks "L.A." ertönt erneut die Stimme des Kindes, das die Schnauze voll von den anderen hat, das dem Hörer und McMahon abermals wie ein echter Coach eintrichtert, dass die eigene Zeit endlich gekommen ist. Wie richtig es da doch liegt.
Highlights
- Blue rose
- Miki Dora
- Believe
Tracklist
- Intro
- Blue rose
- Time
- Skipping school
- Calling Paul the suffering
- Miki Dora
- Satudarah
- Believe
- Dracula
- Freedom
- L.A.
Gesamtspielzeit: 47:17 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Der Untergeher User und News-Scout Postings: 1874 Registriert seit 04.12.2015 |
2018-06-21 14:10:49 Uhr - Newsbeitrag
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MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20158 Registriert seit 10.09.2013 |
2018-04-05 18:16:45 Uhr
Die Vorgänger kenn ich nicht, aber das ist echt stark. Sehr dringlich, musikalisch kaum zu fassen. Skipping School wäre auch mein Highlight nebst Believe. |
Der Untergeher User und News-Scout Postings: 1874 Registriert seit 04.12.2015 |
2018-04-04 11:39:50 Uhr
Bin ganz bei saihttam! Gutes Album. Ich finde die Evolution McMahons eigentlich recht gradlinig. Through Donkey Jaw war ein Lofi Kleinod, mit vielen Ideen. Ein abwechslungsreicher Rohdiamant. Mit Love hat sich sein Sound spezifiziert, erweitert. Und mit Freedom jetzt hat er sein kompositorisch ausdifferenziertestes, reifstes Album raus gebracht. Mit einem geschliffenen wohltemperierten Sound. Finde alle Alben toll. Eine Präferenz will ich gar nicht abgeben. |
saihttam Postings: 2582 Registriert seit 15.06.2013 |
2018-04-04 01:33:23 Uhr
Mein Highlight ist bisher Skipping School. Wahnsinnig intensiver Song, gerade zum Ende hin. Der Rest des Albums gefällt mir größtenteils auch sehr gut. Es hat nicht mehr ganz diese Outsider-Atmosphäre des Vorgängers. Dafür wirken die Songs klarer und ausformulierter, sind variantenreicher und vielfältiger instrumentiert, was gerade bei den allesamt tollen Vorabsongs gut zu hören ist. Ob Freedom insgesamt besser als Love ist, wird die Zeit zeigen, aber fürs erste bin ich sehr zufrieden. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27971 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-03-29 20:36:42 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Alex Calder; Jackson Scott; Chris Cohen; Maston; Salvia Plath; Pure X; Devendra Banhart; Ariel Pink's Haunted Graffiti; Foxygen; Unknown Mortal Orchestra; Ducktails; Tame Impala; Dusted; Kurt Vile; Girls; Christopher Owens; Kurt Vile; Ty Segall; Wampire; Lotus Plaza; Deerhunter; Atlas Sound; Animal Collective; Espers; Sebadoh; Six Organs Of Admittance; Lou Reed; John Cale; J Mascis; Cass McCombs; Vetiver; Akron/Family; Neil Young; Van Morrison; Tim Buckley; Bill Callahan; The Zombies; The Beach Boys; The Velvet Underground
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