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Xenia Beliayeva - Riss

Xenia Beliayeva- Riss

Manual
VÖ: 16.03.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Bis ans Herz

Die Musik der anderen – ein Thema, dem sich Xenia Beliayeva seit geraumer Zeit widmet. Zunächst als A&R-Frau bei Ladomat2000, Dance-Abteilung des legendären Hamburger Indie-Labels L'Age D'Or, später als DJ und mit ihrer Reihe "Radio Xenbel". In deren Rahmen stellt die gebürtige Moskauerin seit nunmehr 66 Folgen vielbeachtete Sets aus Minimal und IDM zusammen. Eigene Tracks sind eher Mangelware, sieht man von ein paar Maxis ab, die Beliayeva teils solo, teils zusammen mit Kollegen wie Oliver Huntemann produzierte. Ihr bisher einziges Album "Ever since" datiert bereits von 2009: ein wuchtiger Kracher zwischen technoider Power und düsterem synthetischem Pop inklusive Gast-Fauchen von Miss Kittin, für den Marco Haas alias T.Raumschmiere sein Label kurzzeitig in Hitkatapult hätte umbenennen können.

Woraus sich für "Riss", den ersten Longplayer seit geschlagenen neun Jahren, ganz von selbst "High expectations" ergeben, die bereits eingangs die erste Auskopplung thematisiert: Aufgekratzter elektronischer Slap-Bass und kosmische Harmonie-Wölkchen summieren sich zu einem launigen Klopfer, dessen scheinbare Unaufdringlichkeit bald in einen hartnäckigen Ohrwurm umschlägt, während die Russin in verspielten Stabreimen selbstironisch über ihre Ansprüche an sich selbst nachsinnt. Innere Leere, manisches Streben nach Perfektion, Schrauberinnen am Rande des Nervenzusammenbruchs – und doch steht am Ende ein luftiger Popsong, dem es zudem hörbar guttut, dass Beliayeva es weniger streng angehen lässt als etwa beim muskulös pulsierenden "Ever since"-Brecher "Mind damage". Aber Vorsicht: Das war erst der Anfang.

Verfinstert sich in "Razor" die Stimmung nämlich zu titelgemäß scharfen Sounds, lässt die Osteuropäerin keinerlei Zweifel daran, dass mit ihr alles andere als gut Kirschen essen ist, wenn's denn sein muss. Schnell vom polnischen Kollegen Mooryc die tiefhängenden Synthie-Schwaden aus "Falling freely" ausgeborgt, zu sich stetig steigerndem, eisblauem Uptempo verschweißt und obendrauf ein ungerührtes "I'll never be your friend" – schon wird aus dem Tanztee mit Achtziger-Motto ein bedrohliches Strobo-Vergnügen im akustischen Darkroom. Und wenn sie schon mal dort ist, nimmt Beliayeva gleich weitere dunkle Spielarten mit: eine maschinelle Post-Punk-Variante beim spannungsgeladenen "Because" oder kajalumrandeten Electroclash im kantig schiebenden "Cross the line". Nur einige der Zerklüftungen, die "Riss" durchziehen.

Denn obwohl dieses Album oft kühl bis ans Herz wirkt, bleibt auch Platz für Hochemotionales wie den großartigen, stets zwischen schwüler Laszivität und bangem Herzklopfen schwankenden Bewusstseinsstrom "Reihe 5". Das ziemlich genaue Gegenteil des retrofuturistischen "Televisor": Hier mauschelt Beliayeva samt polternder EBM-Sequenz humorig mit ihrer Herkunft und entwirft in Muttersprache Überwachungsszenarien – im Duett mit einer Männerstimme, die so bestimmt in die Russendisco lädt, als würde im Monitorraum gerade der Kosaken-Kaffee herumgehen. Es sind gerade diese augenzwinkenden Momente, die "Riss" auflockern und zu mehr machen als zu einem stur marschierenden Brett. Nach einer Stunde reichen sich Unerbittlichkeit und Naivität die wunden Füße – und plötzlich ist die Musik der anderen herzlich egal.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • High expectations
  • Razor
  • Televisor
  • Reihe 5

Tracklist

  1. High expectations
  2. Razor
  3. Riss
  4. Because
  5. Televisor
  6. BPD
  7. Cross the line
  8. Noir
  9. Leise Schritte
  10. Mins
  11. Reihe 5
  12. So true

Gesamtspielzeit: 61:14 min.

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Armin

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2018-03-22 20:40:57 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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