S. Carey - Hundred acres

Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 23.02.2018
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Cheers for tears
Egal, wie man es dreht und wendet: Einen Text zu Sean Carey zu schreiben, ohne seine Haupttätigkeit als Schlagzeuger bei Bon Iver und die damit verbundene Freundschaft zu Justin Vernon zu thematisieren, ist schlichtweg unmöglich. Und dem Guten muss das ja nicht mal peinlich sein – schließlich kann nicht jeder von sich behaupten, in einer der interessanten Bands der letzten Jahre zu spielen. Dass Carey unter seinem eigenem Namen auch solo musiziert, ist mindestens in diesem Umfeld ja auch hinlänglich bekannt. In gewisser Hinsicht dürfte es womöglich eine Art Hilfestellung sein, wie ein unsichtbares Paar Stützräder. Und so sollte es ihn mittlerweile wohl auch nicht mehr stören, wenn vor jeder neuen Veröffentlichung erstmal das Alte, längst Bekannte abgearbeitet wird. Haken dran, weitermachen.
Viel nerviger wird sowieso der ewige Vergleich zwischen den beiden Projekten sein. Und nein, auch Careys dritter Alleingang in Form von "Hundred acres" kann der Großartigkeit Bon Ivers nicht das Wasser reichen. Sogar nicht mal ansatzweise. Und dennoch sind die zehn neuen, abermals oft nur zwischen Sensibilität und Sehnsucht wandelnden Stücke durchaus berührend, auf gar nicht gefühlsduselige Weise gefühlvoll, auf kitschige Weise kitschig. Dass Carey solo nach wie vor kein Mann für Ecken und Kanten, dafür aber für umso rundere Tränchen ist, verzeiht man ihm schnell: Im harmonischen Opener "Rose petals" etwa erzählt und schmachtet er so selig vor sich hin, dass man ihn am liebsten in den Arm nehmen möchte.
"Hundred acres" beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Mensch und Natur, es handelt vom Verschwinden des einen in der anderen, von Vergänglichkeit und von Ewigkeit. Kurz: ein albumgewordener Ökobursche. Und deswegen ist etwa der Titeltrack arg herzig, wenn Carey zu einer gar leicht fröhlichen Folk-Melodie davon singt, wie er und seine Liebste sämtliche Computer- und Handybildschirme hinter sich lassen, um täglich Mutter Naturs waschechtem Morgenlicht entgegenzublinzeln. Oder wenn "Yellowstone" nach einem Ort zum Verlieren sucht und ihn in einer Person findet. Oder wenn "More I see" seinen inneren Philosophen auspackt und gänzlich unpeinlich verkündet: "The more you know, the less you see."
Musikalisch erinnert das alles dann doch öfter mal an das zurückhaltende, sanfte Frühwerk Bon Ivers. Was ja nicht schlimm ist – nur eben auch leider etwas überraschungsarm. Dass Carey das Zeug zu mehr hätte, nimmt man ihm bei diesem dritten Anlauf längst ab. Mit Songs wie "Have you stopped to notice", das mit ordentlichem Falsett und schöner, lebensbejahender Melodie bewaffnet einen Angriff auf die Herzen startet, oder auch dem wirklich gelungenen "True North" beweist "Hundred acres", dass der Wille da ist. Nur den endgültigen Absprung, den schafft Carey auch hier wieder nicht so recht. Irgendwie ist es Ironie des Schicksals: Da singt er immer wieder davon, sich von etwas zu lösen – und hängt dann selbst doch hinterher. Zeit, um die Stützräder zu entfernen!
Highlights
- True North
- More I see
- Have you stopped to notice
Tracklist
- Rose petals
- Hideout
- Yellowstone
- True North
- Emery
- Hundred acres
- More I see
- Fool's gold
- Have you stopped to notice
- Meadow song
Gesamtspielzeit: 37:55 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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MasterOfDisaster69 Postings: 1013 Registriert seit 19.05.2014 |
2018-03-19 11:06:42 Uhr
Kenne bisher nur die Highlights, aber im direkten Vergleich zu Soccer Mommy sehe ich die Bewertung genau umgekehrt.Sicher, auf keinen der Alben wird gross experimentiert und das Rad neu erfunden, aber das subjektive Hörerlebnis ist bei S.Carey sehr viel stärker, man kann sich zurück lehnen und einfach nur genießen. Soccer Mommy ist 08/15-Baby-College-Rock nach Noten, da bleibt nix hängen, sorry. Die 6/10 ist in Anbetracht des ganzen Schrotts hier mit der Standardnote 7 von 10 schon ziemlich daneben, aber wer will das der lieben Jennifer wirklich übel neben, Nobody is perfect… |
john garcia |
2018-03-16 01:53:15 Uhr
He's so unbelievably underrated |
anna |
2018-03-15 19:28:54 Uhr
@Jennifer hast mich erwischt ;-) war ein bissel beleidigt da ich s carey sehr schätze. jetzt ne nacht drüber gepennt.. und ja hast schon recht mit "geschmäcker und so" |
Gomes21 Postings: 5529 Registriert seit 20.06.2013 |
2018-03-15 13:24:13 Uhr
So sonderlich spannend geht es bei S. Carey ja auch nicht zu |
Jennifer Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 4716 Registriert seit 14.05.2013 |
2018-03-15 13:17:49 Uhr
ach annasei doch nicht sauer geschmäcker und so |
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Referenzen
Bon Iver; Justin Vernon; Volcano Choir; J. Tillman; Phosphorescent; Isbells; James Vincent McMorrow; Benjamin Francis Leftwich; The Middle East; Iron & Wine; William Fitzsimmons; Sufjan Stevens; Matthew & The Atlas; Horse Feathers; The Antlers; Bowerbirds; Castanets; Songs:Ohia; Bill Callahan; Elliott Smith; Damien Rice; Bright Eyes; Sun Kil Moon; Nick Drake; Heatmiser; Okkervil River; Kings Of Convenience; Great Lake Swimmers; Sparklehorse; My Morning Jacket; Vic Chesnutt; Grizzly Bear; Wilco; Sigur Rós; Daughter
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