David Byrne - American utopia
Todomundo / Nonesuch / Warner
VÖ: 09.03.2018
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Hundeleben
"Is this meant ironically? Is this a joke?" fragt David Byrne zu Beginn eines Essays, das seinem inklusive Kollaborationen elftem Solo-Album "American utopia" beiliegt und seine Gedanken dahinter ausführen soll. Natürlich ist es kein Scherz – "The songs are sincere", betont er selbst, sein Werk soll keine zynische Abrechnung mit dem aktuell alles andere als utopischen Zustand der Vereinigten Staaten sein, vielmehr eine aufrichtige Darstellung von Hoffnungen und Wünschen, die die Frage aufwirft, ob nicht auch ein besseres, gerechteres Leben in der heutigen Welt möglich sei. "American utopia" wurde im Rahmen von "Reasons to be cheerful" konzipiert, einem medienübergreifenden, von Byrne kuratierten Kunstprojekt, das Optimismus anregende Ideen und Konzepte zusammenträgt. Als buntes, abwechslungsreiches Pop-Album passt es da zwar durchaus rein, bleibt dabei aber leider auch so unkonkret wie die schwurbeligen Erklärungsansätze in seinem Essay.
Zum ersten Mal seit ziemlich genau 14 Jahren steht der Name der schottisch-amerikanischen Art-Pop-Legende wieder ganz einsam auf dem Cover, nachdem er zuvor Gesellschaft von St. Vincent, Fatboy Slim und Brian Eno bekommen hat. Verändert hat sich auf musikalischer Ebene nicht allzu viel, nicht nur seit dem letzten Soloalbum "Grown backwards", sondern eigentlich auch seit Byrnes Großtaten mit den Talking Heads. Noch immer ist seine Definition von Pop eine im höchsten Maße extravagante: Textliche Absurditäten und elaborierte Melodieführungen verschmelzen mit vertrackter Rhythmik und Versatzstücken aus allen möglichen Genres zu weit neben der Spur fahrenden, aber immer hocheingängigen Songperlen. Für Subtilität oder Ernsthaftigkeit bleibt da wenig Platz, was die Frage in den Raum stellt, ob bei einem so in der politischen Realität verankerten Konzeptalbum über Optimismus zumindest ein bisschen davon nicht doch angebracht gewesen wäre.
Als gescheitert kann man "American utopia" aber zumindest auf künstlerischer Ebene auf keinen Fall betrachten, denn dafür macht diese vor Kreativität strotzende Nummernrevue einfach zu viel Spaß. Wie Opener "I dance like this" die Strophen einer zarten Klavierballade mit einem mechanisch hämmernden Industrial-Refrain verbindet und trotzdem irgendwie funktioniert, muss man selbst gehört haben, um es zu glauben. "Gasoline and dirty sheets" und "It's not dark up here" sind zwei Instant-Klassiker in Byrnes Solowerk, zwei ungemein treibende, melodisch starke Wave-Pop-Stücke, die ihre instrumentalen Reizpunkte aus Bläsern, Gepfeife und exotisch anmutender Percussion wunderbar stimmig in den Gesamtsong einweben. Ähnlich eindrucksvoll zeigt sich "Doing the right thing", das seine von dramatischen Streichern getränkte Melancholie nach zwei Minuten von einem Synthie- und Drum-Wirbel auf Hochgeschwindigkeit zerschießen lässt, den man hier wirklich am allerwenigsten erwartet hätte.
Weniger überzeugend sind da "Bullet", von dem auch nach wiederholten Durchgängen kaum etwas hängenbleibt, oder "Every day is a miracle", dessen völlig überzogener und nerviger Refrain die schlimmsten Momente von Culture Club ins Gedächtnis ruft. Letzterer Song greift mit der Zeile "The pope don't mean shit to a dog" einen Gedanken auf, den "Dog's mind" weiter ausführt: Unseren stets gutgelaunten Vierbeinern gehen die gesellschaftspolitischen Missstände dieser Welt herzlichst am Allerwertesten vorbei. Soll das etwa die Antwort sein? Sollen wir unsere Probleme für nichtig erklären, weil andere Bewohner unseres Planeten das auch können und weil wir, wie es in "Everybody's coming to my house" heißt, sowieso nur Touristen in unserem eigenen Leben sind und unsere Existenz im Angesicht der Ewigkeit kaum Bedeutung hat? Vielleicht tatsächlich eine Lösung – wenn Byrne auf diese Weise aber mehr zu metaphysischer Realitätsflucht als zu konkreter Agitation aufruft, bleibt die Frage offen, ob "American utopia" nicht eher ein Monument absoluter Resignation als des hoffnungsvollen Optimismus darstellt. Vielleicht ist es aber auch einfach ein Statement für etwas ganz anderes: dass man diesen schrägen Phantasten auch dann nicht allzu ernstnehmen sollte, wenn er es explizit in die Liner Notes schreibt.
Highlights
- Gasoline and dirty sheets
- It's not dark up here
- Doing the right thing
Tracklist
- I dance like this
- Gasoline and dirty sheets
- Every day is a miracle
- Dog's mind
- This is that
- It's not dark up here
- Bullet
- Doing the right thing
- Everybody's coming to my house
- Here
Gesamtspielzeit: 37:24 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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salarias Postings: 62 Registriert seit 09.09.2016 |
2018-03-09 14:54:30 Uhr
Finde sie viel besser als nach der Kritik erwartet. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27366 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-03-02 13:56:59 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27366 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-01-09 00:40:45 Uhr - Newsbeitrag
David Byrne veröffentlicht am 9. März sein neues Album „American Utopia“Die Bekanntgabe erfolgte just im Rahmen der von ihm kuratierten Präsentations-Reihe „Reasons To Be Cheerful“ Mit dem Track "Everybody’s Coming To My House" kündigt David Byrne sein neues Album an, das am 9. März erscheinen und "American Utopia" heißen wird. "American Utopia" ist das erste Solo-Studioalbum seit seinem Nonesuch Debüt "Grown Backwards" (2004). Nach der Zusammenarbeit mit u.a. Brian Eno, Fatboy Slim und zuletzt St. Vincent ist es nun an der Zeit für die Solo-Platte und einer zugehörigen, ausgedehnten Welttournee. David Byrne hat am heutigen 8. Januar sein kommendes Soloalbum American Utopia angekündigt. Die Bekanntgabe erfolgte im Rahmen einer Präsentation von „Reasons To Be Cheerful“, einer fortlaufenden, von Byrne kuratierten Reihe hoffnungsvoller Texte, Fotos, Musik und Vorträge. Die Präsentation wurde an der New Yorker New School vor Publikum gehalten und zugleich live über seine Facebook-Seite gestreamt. American Utopia wird am 9. März über Todomundo/Nonesuch Records veröffentlicht, begleitet von einer weltweiten Tour, die choreografierte Konzerte beinhaltet, die Byrne bezeichnet als „die anspruchsvollste Show, die ich gemacht habe, seit meine Shows für Stop Making Sense gefilmt wurden“. Der Album-Track "Everybody’s Coming To My House" – geschrieben mit Brian Eno und mit Beiträgen von TTY, Happa Isaiah Barr (Onyx Collective), Mercury-Award-Gewinner Sampha und weiteren – wurde ebenfalls heute vorab veröffentlicht. Nachdem Byrne im zurückliegenden Jahrzehnt gemeinsam mit Brian Eno, Norman Cook (alias Fatboy Slim) und zuletzt St. Vincent an Projekten gearbeitet hat, markiert American Utopia sein erstes Soloalbum seit dem 2004 veröffentlichten Grown Backwards, das ebenfalls bei Nonesuch erschien. American Utopia veränderte im Verlauf des Schreib- und Aufnahmeprozesses immer wieder seine Gestalt. Es begann mit seinem langjährigen Kreativpartner Eno und endete mit einer Zusammenarbeit mit Producer Rodaidh McDonald (The xx, King Krule, Sampha, Savages), entlang des Weges gesellte sich eine vielseitige Besetzung kreativ Mitwirkender hinzu, darunter Daniel Lopatin (alias Oneohtrix Point Never), Jam City, Thomas Bartlett (Producer von St. Vincent, auch bekannt als Doveman), Jack Peñate und weitere. Das begleitende Visual zu "Everybody’s Coming To My House" kann hier angesehen werden: Das Album Artwork zeigt die Arbeit des Künstlers Purvis Young, dessen Arbeiten oft eine Mischung aus Malerei / Zeichnerei und collagierten Elementen waren, die sich aus gefundenen Objekten des täglichen Lebens zusammensetzen. Auf dem Cover des Albums findet sich eine Malerei, die einen Kopf mit einem Gesicht von unbestimmter ethnischer oder geschlechtlicher Herkunft zeigt – träumend, meditierend, nachdenkend. Als Mitbegründer der Talking Heads (1976–88) hat er neun Studioalben veröffentlicht und an einer Vielzahl anderer Projekte gearbeitet, darunter Kollaborationen mit Brian Eno, Twyla Tharp, Robert Wilson, Jonathan Demme und weiteren. Er gründete außerdem das hochgradig respektierte Plattenlabel Luaka Bop. Zu den Auszeichnungen für Byrnes unterschiedliche Arbeiten gehören Preise von Obies, Drama Desk, Lortel und Evening Standard für Here Lies Love, ein Oscar, Grammy und Golden Globe für den Soundtrack zu Bernardo Bertoluccis The Last Emperor (dt. Titel „Der letzte Kaiser“) und die Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame mit Talking Heads. Byrne hat seit seinen College-Tagen visuelle Kunst veröffentlicht und ausgestellt, darunter Fotografie, Filme und Texte. Tracklisting „American Utopia“ I Dance Like This Gasoline And Dirty Sheets Every Day Is A Miracle Dog’s Mind This Is That It’s Not Dark Up Here Bullet Doing The Right Thing Everybody’s Coming To My House Here |
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Referenzen
Talking Heads; Peter Gabriel; David Bowie; Paul Simon; Dirty Projectors; Brian Eno; TV On The Radio; The Fiery Furnaces; Destroyer; St. Vincent; The Apples In Stereo; Dan Deacon; The Magnetic Fields; Sparks; Ed Harcourt; Andrew Bird; The Divine Comedy; Beck; Roxy Music; John Cale; Laurie Anderson; Björk; Robyn Hitchcock; Bill Laswell; Violent Femmes; Ry Cooder; Nick Cave & The Bad Seeds; Morrissey; Elvis Costello; Lou Reed; Tom Tom Club; XTC; The B-52's; Devo; They Might Be Giants
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