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Sam Vance-Law - Homotopia

Sam Vance-Law- Homotopia

Caroline / Universal
VÖ: 02.03.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Selbst Liebe

"Der große Gayby"? Geht nicht, da schon ein Song so ähnlich heißt. "P.S.: Er ist schwul"? Auch nicht, da wir das Ganze fast genauso bereits hier hatten und Sam Vance-Laws gleichgeschlechtliche Orientierung außerdem nicht etwa als diskretes Postskriptum, sondern so prominent wie übergroße Leuchtreklame-Buchstaben in Erscheinung tritt. Und "Vance ohne Joy" – das stimmt zwar irgendwie, dann aber wiederum nicht. Man sieht: Kein einfaches Unterfangen, "Homotopia" mit einer griffigen Überschrift gerecht zu werden. Vielleicht auch nur eine (Em-)Phase, wer weiß. Also: Kommt klar mit ihm. So schwer macht es der seit geraumer Zeit in Berlin lebende Kanadier seinen Hörern doch nun wirklich nicht. Weder mit seinem wie aus dem Ei gepellten Dandy-Auftreten noch mit dezentem Crooner-Gesang zu feinsinnigem Kammerpop.

Auf "Homotopia" schwingt sich der Mann nicht nur als gleichermaßen kreativer und detailverliebter Architekt einer schwulen Idealwelt auf, sondern gibt auch den Gentleman – inklusive musikalischer Finissage von Get Well Soons Konstantin Gropper und mit Max Gruber von Drangsal als Altenpfleger im Video zu "Prettyboy", das diesem funkensprühenden Debüt als erste Single vorausging: ein federnder Uptempo-Song mit den Fingern in amerikanischem Indie-Rock einerseits und in The Sonics' "Strichnyne" andererseits, der sich aber immer wieder von entrückten Chorälen einfangen lässt – wie bei den straighteren Stücken generell selten ein Stein auf dem anderen bleibt, wenn sich erst einmal Streicher, Klavier-Etüden und andere orchestrale Elemente breitmachen. Kein Wunder, da Vance-Laws Kindheit angeblich exklusiv von klassischer Musik geprägt war.

Was man vor allem daran merkt, dass für ihn grundsätzlich alles Pop ist. Gebürstete Shuffles aus dem Bälleparadies und in strenger Notation arrangierte Mini-Arien, Stromgitarren-Überfälle und Opern-Szenarien mit Flöten-Getippel, die man sonst allenfalls auf Scott Walkers "Tilt" oder "Laughing stock" von Talk Talk findet. Und was als heilloses Chaos oder statische Stilübung enden könnte, überführt Vance-Law in oft brillante Songs, die Selbstironie, Selbstermächtigung und auch Selbstliebe feiern. Wie der 30-Jährige im folkigen "Narcissus 2.0" glatt mit sich selbst ins Bett gehen würde, wäre er nur etwas jünger – hinreißend. Wenn sich die "Isle Of Man" (höre: "I love men") als Traum aller Herren entpuppt, die nachts fernab von Frau und Kind in schwulen Etablissements die Sau rauslassen – wunderbar. Und immer nur einer von vielen meist amüsanten Aspekten.

Einige der spaßigsten hebt sich Vance-Law für den Endspurt von "Homotopia" auf. Etwa für "Gayby", das zu flockigen, halbakustischen Twee-Harmonien die Freuden der Regenbogenfamilie preist, während der Sänger das künftige Adoptivkind so sonor umschwärmt, dass sich sogar Adam Green angesprochen fühlen dürfte. Weniger jugendfrei: das gereizte, am Ende kurz in ätzenden Noise-Rock ausartende "Faggot", das dem Homo den Weg zu Gott verwehrt, und besonders der fiebrige Polterer "I think we should take it fast", wo der Protagonist seine Kneipeneroberungen zum flotten Dreier lädt – und schließlich selbst so angetütert ist, dass das Schlafzimmer kalt bleiben muss. "I'll be at the bar / With my head on the bar", sagte Morrissey einst dazu – Sam Vance-Law jedoch hat nach diesem Album keinerlei Grund, sein Haupt zu senken.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Prettyboy
  • Gayby
  • Faggot
  • I think we should take it fast

Tracklist

  1. Wanted to
  2. Let's get married
  3. Prettyboy
  4. Narcissus 2.0
  5. Stat. Rap.
  6. Isle Of Man
  7. Gayby
  8. Faggot
  9. I think we should take it fast
  10. Bye bye baby

Gesamtspielzeit: 35:41 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-02-23 20:43:25 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?
Donkey
2018-02-17 13:23:00 Uhr
@kingsuede

Welche beiden Alben meinst du?

kingsuede

Postings: 4072

Registriert seit 15.05.2013

2018-02-17 12:58:42 Uhr
Könnte tatsächlich die Entdeckung des Jahres werden. Ich habe erst zwei Alben für mehr als hörenswert befunden in 2018. Wird Zeit, dass was Großes kommt.
Windowlicker
2018-02-17 10:43:11 Uhr
der mann hat einen hang zum fernsehen...

https://www.zdf.de/kultur/aspekte/videos/sam-vance-law-isle-of-man-100.html

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-02-02 18:15:51 Uhr - Newsbeitrag


SAM VANCE-LAW - "GAYBY"-VIDEO

"Die schönste und schlauste Musik 2018" schreibt der Rolling Stone in seiner neuesten Ausgabe über Sam Vance-Law und bringt heute auch gleich die Premiere zur dritten Single "Gayby". Am 02.03. erscheint dann endlich sein von Konstantin Gropper co-produziertes Debütalbum "Homotopia", ein queeres Manifest, das der kanadische Wahl-Berliner demnächst auch live auf die Bühnen bringt. Erste Gelegenheit zum Verlieben gibt es am 03.03. im Berliner Prachtwerk.



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