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Phantom Winter - Into dark science

Phantom Winter- Into dark science

Golden Antenna / Broken Silence
VÖ: 02.03.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Angst essen Seele auf

Wenn sich Instrumental-Musiker dazu entscheiden, von nun an ihr Œuvre mit Texten zu versehen, hat dies im Regelfall zwei Gründe: Erstens, sie haben etwas zu sagen, was durch Musik alleine nicht ausreichend zur Geltung kommt. Zweitens, ohne Texte fehlt die Möglichkeit der Positionierung oder Abgrenzung. Das bekamen auch die Gebirgsromantiker von Omega Massif zu spüren, die oft Booking-Anfragen aus Ecken bekamen, die der Würzburger Post-Metal-Formation nicht besonders schmeichelten, um es höflich zu formulieren. Und als die großartige Band 2014 ihre Auflösung verkündete, war es nicht weiter überraschend, dass kurze Zeit später Gitarrist Andreas Schmittfull und Schlagzeuger Christof Rath das Nachfolgeprojekt Phantom Winter aus der Asche beschworen, bevor Gitarrist Michael Melchers mit Cranial das Vermächtnis weiter fortsetzte. Nun veröffentlichen Phantom Winter mit "Into dark science" bereits ihren dritten Langspieler, nachdem "Cvlt" und "Sundown pleasures" bereits überzeugten, nicht nur wegen der Texte. Und ja, sie haben tatsächlich etwas zu sagen.

Wie sie es mit "Bombing the witches" und seinem genialen Video im Rahmen der letzten Platte bereits angekündigt haben, bringen Phantom Winter neben konventionellen Themen wie Nihilismus und Atheismus auch ein Thema auf die Tagesordnung, welches bei Stilrichtungen wie Sludge, Doom, Post und vor allem Black Metal bisher kaum existiert: Feminismus. Eine bewusste Entscheidung, die sich in den Autorinnen widerspiegelt, welche Phantom Winter als Einflüsse bei "Into dark science" aufführen. Sowohl im Booklet als auch bei den sechs epischen Kapiteln werden einige Vorreiterinnen der Frauenrechtsbewegung wie Sylvia Plath, Mary Shelley und Adrienne Rich thematisiert. Und so zitiert gleich beim ersten Track "The initiation of darkness" eine Frauenstimme Auszüge aus Plaths Gedicht "Witch burning", 1960 zum ersten Mal im Gedichtband "The Colossus" erschienen. Die Gedankenwelten der Poetinnen, teils geprägt von innerer Zerrissenheit, auswegloser Hingabe bis hin zu lähmender Depression fügen sich nahtlos in ein finsteres Gesamtkonzept ein, in der die Dunkelheit allgegenwärtig ist. Eine Reise durch eine Welt, die von Stillstand, Ohnmacht, Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit geprägt ist, um die Akzeptanz dieses Zustandes und letztlich die zermürbende Mission, laut Schmittfull "etwas Produktives und Positives entstehen zu lassen". Ein Kampf gegen die übermächtigen Windmühlen und Scheiterhaufen unserer Zivilisation.

Musikalisch untermauert wird diese Reise ins Nichts, die beim Schlusslicht "Godspeed! Voyager" explizit mit den Worten "I read about a voyager who did not travel at all / Into a darkness that was brighter than a star" beschrieben wird, mit dröhnenden Doom-Riffs, sich auftürmenden Sludge-Passagen und Melodiefetzen aus den dunkelsten Sphären des menschlichen Verstandes. Gleich der mächtige Opener "The initiation of darkness" mit seinen knapp zehn Minuten strotzt nur so vor Brachialgewalt. Hin und wieder Blast-Passagen, beispielsweise bei "Ripping halos from angels". Der Titeltrack – mit knapp sechs Minuten eher kurz – kommt stampfendem Post-Metal recht nahe, mit zyklischem Drumming über der Zeile "We are doomed to live" und disharmonischen Gitarren. Teils driftet der wankende Klangkoloss auch in Richtung Drone ab, mit sägenden Lead-Gitarren, um wie bei "The craft and the power of black magic wielding" im Stil von Amenra und Konsorten wieder krachend zusammenzubrechen und alles bisherige in tonnenschwerer Dunkelheit unter sich zu begraben. Nicht neu, aber immer noch wirkungsvoll.

Die Lyrics, die hier eindeutig im Fokus stehen, werden wie gehabt von Gekeife ("Bewitched screams") und tiefem Gebrüll ("Haunting growls") transportiert, welche immer wieder durch intime und poetische Spoken-Word-Passagen durchbrochen werden, teils auch im unheiligen Dialog. Dazwischen Glockengeläut, Knochengeklapper und Krähengeschrei. Gänsehaut von Anfang bis zum Ende. Auch wenn bei "Frostcoven" der Hexenzirkel die einzigen auf deutsch verfassten und von Rainer Werner Fassbinder inspirierten Zeilen "Angst essen Seele auf / Da ich es ihr befohlen" mit einer Stimme kräht, die etwas an die Tolkiensche Leidensfigur Smeagol erinnert. Aber selbst das würde ja irgendwie zum Konzept passen.

(Felix Mildner)

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Highlights

  • The initiation of darkness
  • Frostcoven
  • Godspeed! Voyager

Tracklist

  1. The initiation of darkness
  2. Ripping halos from angels
  3. Frostcoven
  4. The craft and the power of black magic wielding
  5. Into dark science
  6. Godspeed! Voyager

Gesamtspielzeit: 45:37 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Geil!
2018-02-25 10:54:08 Uhr
Ludger Winters erstes Musikprojekt. Und es schlägt gleich voll ein!
Geheimtipp: Mit Musik Geld verdienen.
Toni
2018-02-25 09:33:18 Uhr
Geiles Ding! full stream auf Deaf Forever gehoert.
Stefanie
2018-02-24 17:25:03 Uhr
Marküs, ich glaube, du hast recht!

Marküs

Postings: 1234

Registriert seit 08.02.2018

2018-02-24 08:22:10 Uhr
Der Vorgänger lief bei mir locker bei ner 9/10 ein, insofern befürchte ich die Scheibe wird hier sträflich unterbewertet :-)

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 26212

Registriert seit 08.01.2012

2018-02-23 20:40:39 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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