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Holly Miranda - Mutual horse

Holly Miranda- Mutual horse

Dangerbird / Membran
VÖ: 23.02.2018

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Die Brückenbauerin

Eine wiederkehrende Frage, die man sich als Rezensent oder generell als reflektierter Musikliebhaber zwangsläufig stellt, ist, welchen Wert die Aussagen eines Künstlers zu seiner oder ihrer Musik haben. Hält die musikschaffende Person die Deutungshoheit über ihr Werk, oder sollte man sich nicht eher losgelöst von Erwartungen nur den eigenen Interpretationen und Assoziationen hingeben? Bei Holly Mirandas viertem Solo-Album "Mutual horse" stellt sich eine solche Frage zum Glück gar nicht erst, denn die Selbsteinschätzung der 35-jährigen Singer-Songwriterin deckt sich fast eins zu eins mit der eigenen Hörerfahrung. "Ich war schon immer eine Befürworterin davon, nicht zweimal denselben Song zu schreiben", sagte sie im Vorfeld, von einem Brückenschlag zwischen den beiden Vorgängern "The magician's private library" und "Holly Miranda" war außerdem die Rede. Und es stimmt: Wo das 2010er-Werk mehr Spielwiese von Produzent Dave Sitek (TV On The Radio) und der selbstbetitelte Nachfolger die trotzige Abkehr davon in Form eines intimen Soul-Albums war, ist "Mutual horse" nun das Missing Link, sound-, song- und stimmungsmäßig ungemein variabel und dennoch unverkennbarer Ausdruck Mirandas eigener Identität.

Der großartige Opener "Wherever" deutet bereits eindrucksvoll an, wie weitläufig das Areal ist, das das titelgebende Pferd hier abgrasen darf. In fünf Minuten Laufzeit bäumt sich der Song wiederholt auf und ebbt wieder ab, fließt von einem atmosphärischen Beginn über eine plötzlichen Ausbruch von Synthie-Wänden und mächtigen Drums bis zu einem Bläser-Outro, während Mirandas bezaubernde Stimme und Melodieführung alles auf wundersame Weise zusammenhält. Das folgende "Golden spiral" ist ein druckvoller Bluestrack, der sein Saxophon so nervös zucken lässt, wie das im Text beschriebene rastlose Menschentreiben. "To be loved" tänzelt im Kontrast dazu leichtfüßig auf einem fluffigen Elektronik- und Streicher-Teppich umher, ist dabei so ergreifend wie kaum ein anderer Song der Wahl-New-Yorkerin. Miranda kombiniert die Verspieltheit einer St. Vincent mit der Erhabenheit von Joan As Police Woman und das, obwohl sie auf ein markantes Merkmal beider Künstlerinnen – die E-Gitarre – fast gänzlich verzichtet. Ecken und Kanten fehlen dem Album aber keineswegs, dafür brechen Miranda und ihre Mitstreiter zu ambitioniert konventionelle Songstrukturen auf, wie im verträumten "Towers", das auch mühelos auf Broken Social Scenes selbstbetiteltem Album Platz gefunden hätte.

"Mutual horse" lautet der Titel, weil es eben nicht nur Mirandas alleiniges Biest ist, sondern sie Unterstützung durch so viele Kollaborateure wie nie zuvor erfahren hat. Mitglieder von Built To Spill, Modest Mouse und Grandaddy haben mitarrangiert und -produziert, ans Mikro durfte neben My Brightest Diamonds Shara Nova auch Kyp Malone, der für das passend betitelte "Exquisite" nicht nur die Bläser seiner Hauptband TV On The Radio, sondern auch den besten Refrain der Platte mitgebracht hat. Am nächsten ist man dem Herzen dieses Albums dann aber doch, wenn die Amerikanerin nur für sich steht, vom vielschichtigen, dennoch nie zu aufdringlichen Soundbild ergänzt statt zur Seite gedrängt wird, wie im wundervollen "Let her go". Kurz vor Schluss lässt Miranda den Hörer im Nachhall des Country-Gospels von "Sing like my life" dann noch in ihr Elternhaus, präsentiert mit "Gina" ein intimes Home Recording, in dem ihre mit Miranda selbst schwangere Mutter samt der Familie ein Kirchenlied anstimmt. Identitätsfindung funktioniert eben nur mit Vergangenheitsbewältigung, weswegen der Blick zurück für "Mutual horse" noch essenzieller ist als jede noch so kreative musikalische Idee. Auch wenn die Raffinesse von "The magician's private library" nicht ganz erreicht wird, hat diese Künstlerin erst jetzt so richtig zu ihrer Stimme gefunden.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Wherever
  • To be loved
  • Exquisite (feat. Kyp Malone)
  • Let her go

Tracklist

  1. Wherever
  2. Golden spiral
  3. To be loved
  4. On the radio
  5. All of the way
  6. Towers
  7. Exquisite (feat. Kyp Malone)
  8. Mr. Fong's (feat. Shara Nova)
  9. Do you recall
  10. Let her go
  11. When your lonely heart breaks
  12. Sing like my life
  13. Gina
  14. Mt. Hood

Gesamtspielzeit: 56:52 min.

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Stephan

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2018-02-15 21:27:29 Uhr - Newsbeitrag
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