Brian Fallon - Sleepwalkers

Island / Universal
VÖ: 09.02.2018
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Spritztour mit einem guten Bekannten
"One soft infested summer / Me and Brian became friends", könnte es für viele 2008 geheißen haben. In jenem August traten vier Jungs aus New Brunswick das Erbe von Bruce Springsteen an und wurden zur Band der Stunde. Der rohe Punk des Vorgängers "Sink or swim" fehlte "The '59 sound" zwar, die Inbrunst und die unbedingte Suche nach irgendetwas, und wenn es nur Platz für die Knie war, jedoch keinesfalls. Sie sangen damals von Freunden, von Frauen und von Orten, die einem hierzulande genauso fern waren wie The Gaslight Anthem die Zeiten, nach denen sie sich sehnten. Es ging um Verlust und um die Hoffnung, vielleicht irgendwann ein Leben zu führen wie die Helden auf den Leinwänden und im Radio, durch deren Großtaten sie sich hypertextuell zitierten. Das alles war so herzergreifend, dass Brian Fallons Texte sich unter die Haut gezeichneter Unterarme brannten, sich wohltuend auf offene Wunden und auf nie verheilte Narben legten, ohne je zu verblassen. Viel ist seitdem passiert, und nicht alles war gut. Auch nicht bei The Gaslight Anthem, die sich nach dem an den großen Erwartungen zerbrochenen "Get hurt" bis auf weiteres trennten. Ebenso nicht bei Brian Fallon, der in den letzten zehn Jahren trotz der oft sträflich unterbewerteten "American slang", "Elsie" und dem beachtlichen Solo-Debüt 2016 "Painkillers" nie mehr ganz an die Heldentat von 2008 herankam.
Mary, Angry Johnny, Gail, Matilda und jedes Mädchen namens Maria. All die märchenhaft überhöhten Tagträumer von damals sind 2018 in Fallons zweiter Solo-Platte namenlosen "Sleepwalkers" gewichen, gefangen in ihren "Little nightmares". Dennoch ist vieles wie früher, denn Fallon gibt sich dem Schmerz nicht geschlagen: "Don't you know there's an ocean of hope / Underneath the grey sky where you're dreaming." Er setzt "Etta James" ein ähnliches Denkmal wie einst Miles Davis, zitiert im unerwartet poppigen "Come wander with me" mal wieder Joe Strummer und sehnt sich in der hervorragenden Gratwanderung zwischen Euphorie und Melancholie "Forget me not" noch immer nach dem Leben "In a world without a death wish" wie im Film. Das Riesenrad aus "The patient ferris wheel" dreht sich in "Neptune" weiter. Und eine schöne Ballade, diesmal heißt sie "See you on the other side", hat Fallon auch noch nie vermissen lassen.
Trotz seltener Ausreißer wie dem bläserlastigen Titeltrack ist "Sleepwalkers" allerdings vor allem ein schnörkelloses Folk-Rock-Album, das seine nicht allzu subtilen Dramen meist in fröhliche Upbeat-Nummern zwängt. Die eigentliche Tragik mancher Songs wie "My name is the night (Color me black)" schwimmt so allenfalls in Fallons Fauchen mit, geht jedoch viel häufiger zwischen den knarzenden Gitarren, Handclaps, Fingerschnipsen und eingängigen Refrains unter, während sich auch nach mehrmaligem Hören nur wenige Bilder dauerhaft festsetzen. So verfehlen Fallons immer noch schönen, herzerwärmenden Geschichten eben die tiefschürfende Wirkung seiner besten Zeiten, als es hinter der Fassade warmer Sommernächte und klassischer Autos doch eigentlich um alles ging. "Sleepwalkers" wird also wohl kaum jene überzeugen, die mit Fallons Schaffen ohnehin nie so recht was anfangen konnten, und zum Einstieg würde man definitiv auf eines der ersten drei Gaslight-Anthem-Alben verweisen. Denn in zehn Jahren wird bestimmt niemand noch so rührselig von "Sleepwalkers" sprechen wie von einem alten Freund, und ebenso wird es nicht in voller Länge in ausverkauften Hallen gespielt werden. Die Erinnerungen werden verblassen. Aber trotzdem ist es schön, seine Bekanntschaft zu machen und ein Stück weit mit ihm zu fahren. Muss man denn immer mehr vom Leben erwarten als ein wenig Spaß bei einer Spritztour? Eben. So, how 'bout a ride?
Highlights
- Forget me not
- Proof of life
- See you on the other side
Tracklist
- If your prayers don't get to heaven
- Forget me not
- Come wander with me
- Etta James
- Her majesty's service
- Proof of life
- Little nightmares
- Sleepwalkers
- My name is the night (Color me black)
- Neptune
- Watson
- See you on the other side
Gesamtspielzeit: 50:46 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Editor |
2018-04-06 15:55:12 Uhr
- Painkillers 9/10.- Sleepwalkers 7-8/10. Der Mann macht nichts falsch. |
Klogenbach |
2018-04-04 12:04:30 Uhr
Ja die "Magic Four Chords" sind elementarer Bestandteil von Fallon´s Songwriterkunst. Schon seit "´59 Sound" aber. Finde aber das es funktioniert und er immer wieder schöne Melodien auf die selben 4 Akkorde findet. |
Beefy Postings: 504 Registriert seit 16.03.2015 |
2018-02-24 11:42:47 Uhr
Mir gefällt das Album auch. Aus Hobbymusiker-Sicht ist es irgendwie amüsant, dass bei etwa acht von zehn Songs die "Magic four chords" gebraucht werden. Ist das sonst auch noch wem aufgefallen? Tut dem Hörgenuss natürlich keinen Abbruch. |
Andreas Postings: 237 Registriert seit 29.12.2013 |
2018-02-24 11:36:48 Uhr
Sehr positive Überraschung. Die letzten TGA waren nix, Solo-Debut war auch nix, aber hier geht's -zumindest empfinde ich das so- wieder deutlich in die richtige Richtung. Mehr Handwritten als 59 sound und auch nach häufigem Hören noch richtig gut. Highlights : Watson und Neptune. |
Team Evolution |
2018-02-15 18:02:17 Uhr
@ Peter AstYup! Isser! Insofern nix, was mir ins Regal kommt. |
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