Rhye - Blood
Caroline / Universal
VÖ: 02.02.2018
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Von Sinnen
Ein nackter Frauenkörper wirft an einem Strand stehend die Arme in die Luft, hockt in Embryonalstellung auf einem Waldboden oder posiert vor einem wolkenbedeckten Himmel. Ein Blick auf die Schwarzweiß-Cover- und Video-Artworks von Rhyes neuem Album "Blood" genügt, um festzustellen, dass sich bei dem Duo wenig verändert hat. Besagte Dame bleibt dabei stets gesichtslos, wendet dem Betrachter immer Rücken oder Seite zu, doch anstatt hieraus eine entindividualisierende Objektifizierung weiblichen Fleisches abzuleiten, steht dieser Umstand eher für den universellen, unkonkreten Charakter von Sinnlichkeit, den Rhye nachwievor repräsentieren. Dieses Mysteriöse, Unbestimmbare fängt bereits bei der Biographie des Kollektivs an, denn wo der Kanadier Michael Milosh – Herz, Seele und Stimme von Rhye – auf dem Papier vom dänischen Produzenten Robin Hannibal unterstützt wird, war letzterer noch nie bei einem Live-Auftritt zugegen und hatte laut jüngsten Interviews von Milosh auch immer weniger Einfluss als öffentlich vermutet. Und auch den Geschlechtsgrenzen überschreitenden Gesang umgibt eine Aura mystischer Entrücktheit oder war auch nur irgendjemand nach dem ersten Hören des fantastischen Debüts "Woman" nicht davon überrascht, dass hier tatsächlich ein Mann und nicht etwa Sade Adus jüngere Schwester singt?
Wo Miloshs Stimme ab und an in ein sphärisches Nichts entschweben will, ist es die erstaunliche Fokussiertheit der Musik, die sie immer am Boden oder besser gesagt unter der Haut des Hörers hält. Rhye machen samtweichen, kaminfeuer-warmen Soulpop mit reduzierten, dennoch detailreichen Arrangements, die den Geist der 80er atmen, ohne je zu käsig zu werden. "Waste" eröffnet das Album ähnlich stimmungsvoll wie damals "Open", beginnt mit einem Beat und zärtlichen Synthies, nur um den Weg für eine am Ende ansteigende Flut von Streichern zu ebnen – die hier im Übrigen immer echt sind und nie aus der Konserve kommen. Das folgende "Taste" deutet dann bereits an, dass "Blood" etwas extrovertierter und grooviger ist als sein Vorgänger, die naturverbundene Ästhetik der eingangs beschriebenen Artworks steht möglicherweise für eine neue Offenheit, raus aus den Schlafzimmern und rauf auf die Tanzflächen nächtlicher, verschwitzter Strandpartys. Am konsequentesten wird dieser Ansatz in "Phoenix" ausformuliert, das tatsächlich mit einem komplett unerwarteten, an 70er-Funk erinnernden Gitarren-und-Bass-Jam endet. Miloshs Ankündigungen, das Album sei bereits im Schreibprozess für seine Live-Performance konzipiert worden, war offenbar nicht nur inhaltsleeres Promo-Gewäsch.
"Feel your weight" überzeugt mit ähnlichen Mitteln und ist mit seinem Zusammenspiel von Bass, Bläsern und Synths sehr nah an Blood Orange, während das von rastlosen Gitarren und Streichern nach vorne getriebene "Sinful" wohl den ambitioniertesten Rhye-Song überhaupt darstellt. Am Allerstärksten sind sie dann aber doch immer noch, wenn sie das Höchste aller menschlichen Gefühle roh und schnörkellos besingen, in all seiner körperlichen wie emotionalen Intimität. "I can feel your heart, baby / I can feel your face", beschwört Milosh im tief berührenden Herzstück "Song for you". "Blood" ist ein Album über die Liebe, gefühlvoll, aber nicht schmalzig, sinnlich, aber nicht versaut und musikalisch gekonnt, ohne sich dabei je zu sehr aufzudrängen. Selbst schuld, wer Rhye nach Betrachten des nackten Frauengesäßes auf dem Cover zu reiner Fick-Musik degradieren will. Auch wenn die Begleitmusik derartiger Aktivitäten sicherlich schlechter ausfallen kann.
Highlights
- Feel your weight
- Song for you
- Phoenix
- Sinful
Tracklist
- Waste
- Taste
- Feel your weight
- Please
- Count to five
- Song for you
- Blood knows
- Stay safe
- Phoenix
- Softly
- Sinful
Gesamtspielzeit: 41:52 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Mr Push |
2018-08-03 19:08:39 Uhr
Leuuuude meldet euch doch bitte bei dem netten Kerl der bleibt sonst auf seinen Karten sitzen das will doch wirklich niemand. |
musie Postings: 3947 Registriert seit 14.06.2013 |
2018-08-03 11:57:48 Uhr
Ich habe ein Ticket für Köln 15.08.18, kann aber nicht. Hat jemand Interesse hier? Über den Preis werden wir uns schon einig... |
MopedTobias (Marvin) Mitglied der Plattentests.de-Schlussredaktion Postings: 20064 Registriert seit 10.09.2013 |
2018-03-22 16:49:01 Uhr
"Steht vielleicht eher ein bisschen mehr im Bandkontext als das erste Album."Empfinde ich ähnlich und finde das ziemlich interessant, weil Milosh hier im Gegensatz zum Vorgänger ja alleine hauptverantwortlich für die Musik war. |
musie Postings: 3947 Registriert seit 14.06.2013 |
2018-03-22 07:56:10 Uhr
Das Album ist wieder grossartig. Entfaltet die Wirkung erst mit der Zeit. Steht vielleicht eher ein bisschen mehr im Bandkontext als das erste Album. Bin mir sicher, dieses Album höre ich auch in Jahren noch gerne. Einige Rezensionen stören sich an den Texten. Mich stören diese gar nicht. 8+/10 |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27366 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-03-21 19:57:21 Uhr - Newsbeitrag
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Referenzen
Jamie Woon; How To Dress Well; Blood Orange; AlunaGeorge; Heavenly Beat; The Weeknd; Solange; Jessie Ware; Lianne La Havas; FKA Twigs; Quadron; Cold Specks; Autre Ne Veut; Inc.; Frank Ocean; Miguel; Sampha; Moses Sumney; Sade; The xx; London Grammar; James Blake; Sébastien Tellier; Poliça; Purity Ring; Bonobo; Beacon; Little Dragon; Oh Wonder; SZA; Kelela; Tei Shi; Hundred Waters; Sean Nicholas Savage; Yonderboi; Gang Colours; Sohn