Listener - Being empty: being filled
Sounds Of Subterrania / Finetunes / Cargo
VÖ: 02.02.2018
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Nennt es, wie Ihr wollt
"Normal" ist eine Kategorie, mit der die Meisten bekanntlich nichts anfangen können. Niemand will schließlich so wirklich normal sein, außer vielleicht diejenigen, denen dieses Prädikat verwehrt bleibt. Und vielleicht die immer gleichen Rockbands, die die irgendwie immer gleichen Songs schreiben. Wenn Du das Radio ausmachst, wird die Scheißmusik auch nicht besser, Ihr wisst schon. Ganz sicher nicht mit dem Ziel angetreten, im Durchschnitt mitzuschwimmen, sind hingegen Listener. Man braucht da nur einen Blick werfen auf den verschlungenen Pfad von Dan Smiths etwas obskur anmutendem Ein-Mann-HipHop-Projekt über eine flüchtige, aber heftige Liason mit Akustik- und Folkklängen bis hin zu so etwas Ähnlichem wie einer voll funktionstüchtigen Rockband. Oder einfach in einen beliebigen Song aus dem bisherigen Schaffen dieser ganz und gar außergewöhnlichen Formation springen. Wenn man Pech hat, erwischt man dabei irgendeine ultrafiese Kratzbürste aus früheren Zeiten, die noch nicht mal mit richtigen Instrumenten eingeprügelt wurde.
Mit nur ein klein wenig Glück bekommt man aber noch beim flüchtigsten Eindruck eine Ahnung von dem gewaltigen Potential, das seit jeher in der längst zum Trio angewachsenen Band steckt. Nicht umsonst haben Smith & Co. mit dem großartigen "Wooden heart" schon mindestens einen dieser sagenhaften Songs für die Ewigkeit auf der Habenseite, und das trotz eigenwilliger Herangehensweise an die eigene Kunst. So ein Listener-Stück ist gemeinhin bis oben hin voll mit Text, mit kleinen und großen Geschichten, die im wahrsten Sinne des Wortes einfach erzählt werden. Ohne Punkt und Komma. Eine Hürde, die übersprungen werden muss. Wer will, kann das dann wie von der Band vorgeschlagen "Talk music" nennen, oder ganz auf die Namensgebung verzichten. Und sich diebisch freuen, dass es mit "Being empty: being filled" nach fünf Jahren Wartezeit endlich zehn neue Songs irgendwo zwischen Spoken-Word, ein paar Folk-Resten, Post-Hardcore und Postrock gibt. Songs, die den Weg des Vorgängers "Time is a machine" ungefähr fortsetzen, ohne aber die kleinen Unausgegorenheiten, die selbigen da und dort plagten, zu wiederholen.
So gehen der Band die Songs auf "Being empty: being filled" hörbar flüssiger von der Hand, wirkt vieles durchdachter, ausgefeilter und mit mehr Liebe zum Detail umgesetzt. Im Vergleich zu früher vielleicht sogar gewöhnlicher. Vor allem aber haben sich Listener in Sachen Songmaterial mächtig ins Zeug und damit eine gewaltige Schippe draufgelegt. Weil man da in Arkansas endgültig jede Scheu verloren hat. So war die Band zwar noch nie um die ein oder andere ausladende Melodie verlegen, so offen wurde die Eingängigkeit aber bislang nie in Empfang genommen. Zum Glück, wird das Album in dieser Form doch so erst möglich. Undenkbar wäre ansonsten ein Stück wie das geradezu elegische "There's money in the walls", das sich eine gefühlte Ewigkeit Zeit nimmt, um anzukommen und gleich noch länger, um zu entscheiden, wo die Reise hingehen soll. Umso heftiger fällt der Groschen, wenn Jon Terreys am Postrock geschulte Gitarrenarbeit einsetzt, wenn der Song sich nach und nach entfaltet und schließlich im wohl ersten Track der Band mündet, der auch auf einer größeren Bühne eine exzellente Figur machen würde.
Wer sich an dieser Stelle Sorgen macht und meint, die Underground-Lieblinge von einst hätten den Biss verloren, tut dies allerdings umsonst. Zu häufig unternehmen Listener dafür Ausflüge in die Krachmacherstraße, wie etwa im ebenso abrupt einsetzenden wie rasenden Finale des ohnehin lauten "Little folded fingers", oder im wütenden und stockdunklen Rausschmeißer "Plague doctor". Vor allem aber sind die hier versammelten Songs für derlei Kinkerlitzchen einfach zu stark. "Manhattan projects", das man bereits seit Monaten als Live-Version zu kennen glaubt, präsentiert sich in der Studiofassung mit einem ganz neuen Gesicht und wird nach Dan Smiths Worten "I have become the destroyer of worlds / And when the bombs drop / My heart drops too" mit all seiner urwüchsigen Energie und Euphorie von der Leine gelassen. "Add blue" drängt die volle Spielzeit hinweg mit kindlicher Spielfreude nach vorne, "Bloodshot / New love" zeigt, dass sich Listener sowohl auf hübsche Gitarrenfiguren als auch auf ausuferndes Akkordschrubben verstehen und "A love letter to Detroit" unterstreicht, wie viel Ambition das Projekt Listener inzwischen in sich trägt.
Und doch steht das definitive Aha-Erlebnis dieser Platte direkt am Anfang. "Pent up genes" wartet dort, schickt erst mal drei unschuldig und unspektakulär wirkende Akkorde voran, um die Lage auszukundschaften und legt dann los, als hätte es so etwas wie einen Morgen nie gegeben. Alles ist da, was diese Band ausmacht. Smiths atemloses Storytelling, ein Spielwitz, der aus allen Ecken des Songs herauszuplatzen droht, eine Energie, der man sich unmöglich entziehen kann. Und wenn ganz zum Schluss, als man glaubt, alle Wendungen des Stücks mitgegangen zu sein, nach einer kurzen Verschnaufpause die Bläser ins Rampenlicht dürfen und für einen flüchtigen Moment Bright Eyes "Land locked blues" in den Arm zu nehmen scheinen, glaubt man Listener blind alles. Das ist mitreißend, zu Tränen rührend, tief unter die Haut gehend. Mit einer Wort: Überwältigend. So sind Listener eine der wenigen Bands, bei der Mehr auch Mehr ist. Mehr Melodien, eine dickere Produktion, mehr Lautstärke, mehr Ideen, mehr Mut, die eigene Komfortzone zu verlassen – bis hin zu Momenten, in denen Dan Smith versucht, zu singen. Das alles macht "Being empty; being filled" zum um Längen besten Album dieser Band. Und zu einem eigenwilligen Statement für ein darbendes Genre. Ob das noch normal ist? Egal.
Highlights
- Pent up genes
- There's money in the walls
- A love letter to Detroit
- Manhattan projects
Tracklist
- Pent up genes
- Little folded fingers
- There's money in the walls
- Add blue
- Bloodshot / New love
- Shock and value
- Window to the world
- A love letter to Detroit
- Manhattan projects
- Plague doctor
Gesamtspielzeit: 49:52 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Stecko Postings: 6 Registriert seit 17.11.2021 |
2024-03-03 16:33:49 Uhr
@fakeboy: hör dir die Brother Sister und Catch for us von mewithoutyou an…wahnsinnig gut!!! |
fakeboy Postings: 5521 Registriert seit 21.08.2019 |
2024-02-27 12:51:15 Uhr
Ne, meinte ich nicht, weil ich die gar nicht kenne ;-) Aber nun diese Wissenslücke gerne schliessen werde! |
Stecko Postings: 6 Registriert seit 17.11.2021 |
2024-02-27 11:58:06 Uhr
@fakeboy… Du meinst sicherlich Mewithoutyou |
Glufke Postings: 791 Registriert seit 15.08.2017 |
2023-03-23 17:09:26 Uhr
Gerade komme ich mal wieder dazu, das Album am Stück zu hören. Track 2 ist gerade durch und "Little Folded Fingers" ist einfach so groß. Gänsehaut. Mit das beste, was das Genre zu bieten hat (das hier ja gar nicht mal so leicht zu benennen ist). Und der Song ist hier ja nicht mal in den Highlights... |
u.x.o. Postings: 553 Registriert seit 29.08.2019 |
2023-03-22 18:28:02 Uhr
Zugegeben, der Vergleich ist eher schief als eben. |
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Referenzen
mewithoutYou; Hotel Books; Foxing; Why?; Old Gray; As Cities Burn; Astronautalis; Scroobius Pip; Circa Survive; The World Is A Beautiful Place And I Am No Longer Afraid To Die; La Dispute; Pianos Become The Teeth; Saul Williams; Hop Along; Levi The Poet; Bright Eyes; Conor Oberst; Desaparecidos; B. Dolan; My Epic; Kate Tempest; Mogwai; God Is An Astronaut; Explosions In The Sky; Ugly Casanova; Typhoon; September Stories; Kurt Travis; Colour Revolt; Watsky; Heisskalt; The Uncluded; Anathallo; Horse Feathers; Cloud Cult; Volcano Choir; Yellow Ostrich; Kenzari's Middle Kata; Godzilla Was A Friend Of Mine; The Bronx; Radical Face; Dead Man's Bones; Tiny Moving Parts; Mansions; Tigers Jaw
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