Mèsico - Pure and shining
Interbang / Indipendead
VÖ: 01.12.2017
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Schwebenshilfe
Der Reiseführer "Per Anhalter durch die Galaxis" sagt folgendes zum Thema Fliegen: Es ist eine Kunst oder vielmehr ein Trick. Dieser besteht darin, dass man lernt, wie man sich auf den Boden schmeißt, aber daneben. Ob der italienische Musiker Paolo Mazzacani seinen Adams gelesen hat, ist nicht bekannt. Seine Musik hat jedoch die Empfehlung des intergalaktischen Ratgebers verinnerlicht. Mazzacani, der manchem als Teil des Duos Tempelhof bekannt sein könnte, begibt sich irgendwo zwischen Electronica, Folk und Ambient auf die Suche nach der Schwerelosigkeit. Sein Solo-Debüt "Pure and shining", das er unter dem Pseudonym Mèsico veröffentlicht, ist eine Liebeserklärung an das Leben über und unter den Wolken. Ähnlich wie Mikko Joensuu konzentriert sich Mazzacani in seinen Kompositionen darauf, Harmonien zum Schwingen zu bringen. Schon die ersten Töne von "Abdicate to love" weisen den Weg: Ein herrlicher Analog-Synthesizer begrüßt den Hörer mit viel Sustain. Behutsam, fast vorsichtig tastet sich der Song voran, ehe die Stimme seines Schöpfers für erste Gänsehaut sorgt.
Leicht angerauht und zittrig ist das Organ Mazzacanis, was ihm zusätzliche Emotionalität verleiht. Das überwiegend balladeske Songmaterial passt sich perfekt den Fähigkeiten des Vokalisten an. Denn der Italiener konzentriert sich bei der Arbeit aufs Wesentliche: Nur wenige Verse spendiert er seinen Kompositionen, die Vokale sind lang und die Hallfahnen noch länger. In Verbindung mit den feinsinnig arrangierten Instrumentals widmet er sich meist den großen Gefühlen. So rutscht das recht kitschig beginnende "A beautiful bride" schnell ins Fatalistische ab. Auch "The devotees" versinkt in Melancholie. "And we won't find peace / Nevermore", verkündet Mazzacani, während wunderschöne Resonanz-Spielereien in den Äther entweichen. Regelrecht wüst wird es dagegen in "Harlem", welches dissonante Freejazz-Bläser mit Klangflächen und einem reduzierten Trip-Hop-Beat vereint. Das ist nicht nur fordernd, sondern auch ungemein atmosphärisch. Diesbezüglicher Höhepunkt des Albums ist "The albatross (In memory of a friend)", ein Parforce-Ritt durch alle Höhen und Tiefen allzu menschlicher Gefühle.
Bisweilen trägt der Songwriter fast zu dick auf, wobei beispielsweise "Oh, storm!" nach knödeligem Beginn glücklicherweise die Kurve bekommt und mit einer grandiosen Coda im Geiste Radioheads zu versöhnen weiß. Besonders lange bleiben die akustischen Momente im Gedächtnis. "Long way back" begnügt sich mit ein paar Nebengeräuschen und einer sacht gestreichelten Gitarre und gerät so überaus intim. Ähnlich gestrickt ist "A story for lovers", eine schlichte Lagerfeuernummer mit großem Charme. Jederzeit ist auf "Pure and shining" hörbar, mit welcher Liebe zum Detail Mazzacani Ideen ausarbeitet. Dabei ist es egal, ob die Songs mit Gesang versehen wurden oder instrumental bleiben. Besonders für die ebenso überraschenden wie geschmackvollen Akkord-Progressionen verdient der Komponist großes Lob. "Bolthom" oszilliert zum Beispiel mühelos zwischen Dur und Moll. Zudem fällt überhaupt nicht auf, welch unterschiedliche Stile hier zusammenfinden. Ob man sich deswegen gleich auf den Boden schmeißt, sei dahingestellt. Falls doch: Daneben zielen nicht vergessen.
Highlights
- Abdicate to love
- Harlem
- The devotees
- The albatross (In memory of a friend)
Tracklist
- Abdicate to love
- Long way back
- A beautiful bride
- Harlem
- The devotees
- Oh, storm!
- Good luck
- A story for lovers
- Your church
- Bolthom
- The albatross (In memory of a friend)
- Don't ask me why
Gesamtspielzeit: 46:33 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Lugee Postings: 57 Registriert seit 23.07.2013 |
2018-06-29 23:53:08 Uhr
Track 1 fasziniert mich immer wieder... und so langsam traue ich mich an das ganze Album ran. Aussergewöhnliche Musik! |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27233 Registriert seit 08.01.2012 |
2018-01-03 21:44:36 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
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Referenzen
Tempelhof; Lunatic Soul; Brian Eno; Mikko Joensuu; Martin L. Gore; Depeche Mode; Nick Drake; Elliott Smith; Phil Selway; Jean-Michel Jarre; Steven Wilson; Kino; Dredg; Klimt 1918; Peter Gabriel; Porcupine Tree; Radiohead; Tenhi; Riverside; Tangerine Dream; Sigur Rós; Goldfrapp; Portishead; Mike Oldfield; Crippled Black Phoenix; Spiritualized; Mogwai; Archive; Nosound; Steve Hackett; Gentle Giant; Gazpacho
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- Mèsico - Pure and shining (2 Beiträge / Letzter am 29.06.2018 - 23:53 Uhr)