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Charli XCX - Pop 2

Charli XCX- Pop 2

Atlantic / Warner
VÖ: 15.12.2017

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Das Echte im Künstlichen

Was müssen sich weibliche Pop-Stars wie Charli XCX nicht immer regelmäßig für Vorwürfe gefallen lassen? Von Künstlichkeit ist da oft die Rede, der fehlenden Authentizität hinter dem ausschließlich auf wirtschaftlichen Erfolg ausgelegten musikalischen Produkt, dem von einer Armada aus Produzenten, Songwritern und Labelbossen jegliche Selbstbestimmung geraubt wird. Den Künstlerinnen selbst sowie ihren Fans können solche Anmaßungen herzlich egal sein, denn dass massentaugliche Musik und eine entsprechende Vermarktung automatisch mit einer Entmündigung einhergehen, ist natürlich Nonsens. So inszeniert sich Charlotte Aitchison, wie die eingangs erwähnte Britin mit vollem Namen heißt, auf ihrem neuen Release "Pop 2" ganz bewusst als Verkörperung genau jener künstlichen Pop-Diva, die sie laut ihren Kritikern sowieso schon immer gewesen sei. "Femmebot" heißt hier auch passenderweise ein Titel, eine Abwandlung des spätestens seit Robyn auch im Pop-Kanon verankerten Begriffs vom femininen Androiden, der idealen Projektionsfläche männlicher Lustfantasien. Ein Blick auf die Tracklist reicht, und schon hat Aitchison den Hörer genau da, wo sie ihn haben will.

Zugegeben, zu diesem Zeitpunkt kann das alles auch nur zu viel Interpretation eines übereifrigen Rezensenten sein, der ein ironisches Spiel mit Stereotypen da sieht, wo Stereotypen im Grunde einfach nur erfüllt werden. Wenn man sich "Pop 2" dann aber auch mal anhört, kommt man schnell zur einzigen Schlussfolgerung, dass die 25-Jährige hier wirklich nur das gemacht hat, worauf sie Bock hatte, denn für Genre-Verhältnisse ist das Mixtape fast schon radikal. Gemeinsam mit A.G. Cook, Kopf des experimentellen Underground-Labels PC Music, hat sie das "The life of Pablo" des kleinen Charts-Pop-Fans gemacht, ein von exzessivem Autotune-Gebrauch, unzähligen, illustren Feature-Gästen und dekonstruierten Songstrukturen zerschossenes Werk, bei dem Zerfahrenheit zum einzigen Merkmal ästhetischer Kohärenz wird. Leider beraubt sich Aitchison mit diesem ambitionierten Ansatz zu gewissen Teilen auch ihrer größten Stärke, denn die unverschämt eingängigen, direkten Pop-Hooks werden hier manchmal zu lange herausgezögert oder finden überhaupt nicht statt. So hätte dem eigentlich guten "Delicious" eine gestrafftere Version ohne Rap-Feature von Tommy Cash besser zu Gesicht gestanden, während man sich in "Lucky" wünscht, es würde überhaupt mal irgendwas passieren, was einen vom gelangweilten Drücken der "Skip"-Taste abhält.

Solche Momente sind aber zum Glück eher Seltenheit, die meiste Zeit über macht "Pop 2" einfach nur einen Riesenspaß. Am besten kristallisiert sich die Essenz des Sounds in "I got it", einem minimalistischen Banger mit Trap-Vibe, der mit einem fantastischen Part der Rapperin cupcakKe, sowie einer portugiesischen Gesangseinlage der brasilianischen Drag-Queen Pabllo Vittar auch nach mehrmaligen Durchgängen noch überrascht und mitreißt. Plötzliche Cuts oder rhythmische Verschiebungen stehen bei "Pop 2" auf der Tagesordnung, doch Aitchison weiß auch noch um die Kunst des konventionellen Pop-Hits, wie sie in "Unlock it" oder "Out of my head" unter Beweis stellt. Den allerbesten Song hat sie dabei ganz an den Anfang gestellt, denn bevor sich "Backseat" in seinem fulminanten Finale aus Synth-Arpeggios und krachender Percussion ergeht, singen sie und Carly Rae Jepsen von einsamen Autofahrten, machen Herzschmerz und das Gefühl nächtlicher Isolation fast schon greifbar. Das ist dann womöglich auch der Punkt, den "Pop 2" als Gesamtwerk machen will, denn nur weil eine Frau mit Stimmverzerrung und allerlei anderem Charts-Pop-Gestus Suggestionen von Künstlichkeit zulässt, ist sie noch lange kein seelenlose Industrieprodukt. Oder wie Robyn es damals auf den Punkt gebracht hat: "Fembots have feelings too".

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Backseat (feat. Carly Rae Jepsen)
  • I got it (feat. Brooke Candy, cupcakKe and Pabllo Vittar)
  • Unlock it (feat Kim Petras and Jay Park)

Tracklist

  1. Backseat (feat. Carly Rae Jepsen)
  2. Out of my head (feat. Tove Lo and Alma)
  3. Lucky
  4. Tears (feat. Caroline Polachek)
  5. I got it (feat. Brooke Candy, cupcakKe and Pabllo Vittar)
  6. Femmebot (feat. Dorian Electra and Mykki Blanco)
  7. Delicious (feat. Tommy Cash)
  8. Unlock it (feat Kim Petras and Jay Park)
  9. Porsche (feat. MØ)
  10. Track 10

Gesamtspielzeit: 40:26 min.

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User Beitrag

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 10436

Registriert seit 23.07.2014

2019-10-22 16:00:01 Uhr
Gefällt mir aufs erste Hören ganz gut, auch wenn mir das insgesamt doch noch synthetischere, entfremdetere "Charli" wohl mehr zusagt. Dennoch schön, "Track 10" ist klasse. Werde es öfter hören.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 25189

Registriert seit 08.01.2012

2017-12-20 20:50:13 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

Meinungen?
Fork4Mass
2017-12-20 11:24:53 Uhr
6rap at it's best!

Leatherface

Postings: 1652

Registriert seit 13.06.2013

2017-12-17 23:41:13 Uhr
Backseat!!!11

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 8923

Registriert seit 26.02.2016

2017-12-13 16:41:27 Uhr - Newsbeitrag
Neue Mixtape am Freitag. Neuer Song:



Ist wohl nicht das neue Album und "Boys" ist offenbar auch nicht drauf:

1. "Backseat" (featuring Carly Rae Jepsen)
2. "Out of My Head" (featuring Alma and Tove Lo)
3. "Lucky"
4. "Tears" (featuring Caroline Polachek)
5. "I Got It" (featuring Brooke Candy, Cupcakke, and Pabllo Vittar)
6. "Femmebot" (featuring Dorian Electra and Mykki Blanco)
7. "Delicious" (featuring Tommy Cash)
8. "Unlock It" (featuring Kim Petras and Jay Park)
9. "Porsche" (featuring MØ)
10. "Track 10"
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