The Knife - Live at Terminal 5

Rabid / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 01.09.2017
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Revolution aus der Konserve
27. April 2013, im Hamburger Docks. Es war erst das zweite Konzert der Tour zum kurz vorher erschienen und kontrovers aufgenommenen Album "Shaking the habitual". Verquere Soundlandschaften, bis zu 19 Minuten ausgedehnte Klangskizzen und eine generelle Unhandlichkeit waren nicht das, was als Nachfolger von "Silent shout" unbedingt erhofft wurde. Unklar aus diesen Gründen auch, was von der "Shaking the habitual show" zu erwarten war. Was The Knife dem Rezensenten und den anderen Zuschauern letztlich vorsetzten, hätte sich aber wohl niemand in den wildesten Fantasien ausgemalt. Ein Gymnastik-Anheizer als Voract, den man sich noch gefallen ließ, eine Show, die sich recht schnell in Playback und kuriose bis teil lächerlich amateurhafte Tanzchoreografien flüchtete und die Geschwister Dreijer, welche im Kollektiv völlig auf- oder eben untergingen. Nun waren The Knife noch nie davor zurückgeschreckt, ihr Publikum herauszufordern oder zu verstören. Doch der Backlash gegen diese völlig konfuse Mischung war so groß, dass sich das Duo tatsächlich genötigt sah, wenigstens leicht Hand an das Konzept zu legen.
"Live at Terminal 5" konserviert nun das andere Ende der Tour, den Abschlussgig am 1. Mai 2014 in New York. Sofort fällt auf, dass neben einigen Setlist-Auswechslungen der live gespielte musikalische Anteil deutlich größer ist. Es bleiben Momente wie mehrere Minuten voller Stillstand etwa am Anfang von "Full of fire" im Vergleich zu den frühen Konzerten erspart. Auch wenn die Dreijers auch im Big Apple ihre Gymnastikübungen und Ausdruckstänze dabei haben, was wiederum nur auffällt, wenn man die visuelle Variante auf DVD oder Blu-Ray betrachtet – oder gleich das Video, welches zum Zeitpunkt dieser Rezension auf dem offiziellen YouTube-Kanal in voller Länge verfügbar ist. Natürlich hat der Mitschnitt im heutigen Kontext eine ganz andere Wirkung, zum einen ohne den damaligen Überraschungseffekt, zum anderen mit zeitlicher Distanz. Wie eine stimmungsvolle Party wirkt es, deutlich weniger irritierend als das Live-Erlebnis. Und wie Spike Jonzes Video zu Fatboy Slims "Praise you" auf Abendlänge gestreckt. Man beachte den womöglich bewussten Dilettantismus in "Without you my life would be boring" oder "One hit". Oder greift gleich zur Variante ohne bewegtes Bild.
Was der Audioteil für sich genommen selten beantwortet, ist die Frage, was denn nun tatsächlich auf Instrumenten gespielt wurde und was vom Band kam – alles klingt auf gewisse Weise wie live dargebracht. Höchstens bei Fällen wie dem kaum veränderten, aber immer noch wirkungsvollen "Full of fire" sind wirklich keine Unterschiede zur Albumversion feststellbar. Ansonsten stammen die Fassungen teilweise vom Remixalbum "Shaken-up versions" oder sind diesem nachempfunden. Dadurch verliert die reine Hörfassung zwar den Reiz des Kontroversen und ein wenig auch den anarchischen Charme des Videos, funktioniert in sich genommen aber gut als eine Art alternative Anthologie des Bandschaffens. Schließlich ist mit "Bird" auch eine großartige Fassung eines Tracks des selbstbetitelten Debüts dabei. Und dass die tanzflächentaugliche Version des Titeltracks von "Silent shout" als großer Abschluss gebührend bejubelt wird, ist Ehrensache.
Vielleicht hätte man allenfalls nur auf den an schwache Poetry Slams erinnernden Spoken-Word-Beitrag "Collective body possum" von Jess Arndt verzichten sollen, der beim wiederholten Hören eher stört als inspiriert. Auch wenn er die Philosophie von The Knife mehr als auf den Punkt bringt. "I want a body that no one can kick out of bathrooms / And then, I want no bathrooms." Keine Geschlechter, fluides Dasein – wie auch The Knife mit diesem für die Tour zusammengestellten Kollektiv verschmelzen. Ob die radikale Idee dieses Nicht-Konzerts aufgegangen ist, das muss jeder für sich entscheiden. "Live at Terminal 5" schleift allein durch den Konservierungsvorgang die Kanten jedenfalls ab, hat dennoch mehr als nur seine Daseinsberechtigung. Als Zeitzeugendokument, als nachträgliches Abschiedsgeschenk des derzeit dysfunktionalen Duos und selbstverständlich als unterhaltsame Gaudi.
Highlights
- We share our mothers' health
- Bird
- Pass this on
- Silent shout
Tracklist
- Wrap your arms around me
- Raging lung
- We share our mothers' health
- Bird
- Without you my life would be boring
- A tooth for an eye
- One hit
- Full of fire
- Collective body possum
- Ready to lose
- Pass this on
- Stay out here
- Silent shout
Gesamtspielzeit: 79:57 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10546 Registriert seit 26.02.2016 |
2017-12-12 16:44:14 Uhr
@Watchful_Eye:Kannst du dir ja zwei Posts drüber ein Bild von machen. :-) |
Watchful_Eye User Postings: 2977 Registriert seit 13.06.2013 |
2017-12-11 22:28:37 Uhr
Wundert mich, dass die Live-Show von "Shaking the Habitual" offenbar nicht so gelungen war. Ich hatte damals die von "Tomorrow, in a year" gesehen und die war ziemlich geil. :3 |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28588 Registriert seit 08.01.2012 |
2017-12-11 21:25:05 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 10546 Registriert seit 26.02.2016 |
2017-09-01 16:36:51 Uhr - Newsbeitrag
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Vermilion.Smile |
2017-08-21 17:56:08 Uhr
Möchte ich ganz sicher nicht nochmal sehen/erleben den Sche**.Weder live noch künstlerisch anspruchsvoll. Da hätte ich einst auch zu Milli Vanilli gehen können. :-( Ist 'n schlechter Scherz dies auch noch auf DVD zu veröffentlichen... |
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Referenzen
Fever Ray; Karen Dreijer Andersson; Light Asylum; Xiu Xiu; Björk; Planningtorock; Austra; Zola Jesus; Soap&Skin; Karin Park; Iamamiwhoami; HK119; The Golden Filter; CocoRosie; Niobe; Bat For Lashes; Glasser; Dillon; Cherry Sunkist; Swans; Aphex Twin; Autechre; Seefeel; Mira Calix; Funkstörung; Fuck Buttons; Röyksopp; Pantha Du Prince; Moritz Von Oswald Trio; Pussy Riot; Philip Glass; Scott Walker; John Cage
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