David Gilmour - Live at Pompeii
Columbia / Sony
VÖ: 29.09.2017
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Asche zu Asche
Wir alle kennen das. Es gibt Konzert-Locations, die sind voller Charisma, voller Geschichte. Damit sind natürlich nicht etwa die gesichtslosen Multifunktionsarenen gemeint, sondern die grindigen, die siffigen Clubs, von deren Decken der Schweiß schon literweise tropfte. Und es gibt ungewöhnliche Locations. Die werden ausgewählt, weil man's einfach kann. Wie zum Beispiel Metallica, die 2013 in der Antarktis spielten. David Gilmour traf im vergangenen Jahr eine ganz andere Wahl. Denn als das letzte Mal eine Veranstaltung vor Publikum im Amphitheater von Pompeji stattfand, handelte es sich dabei noch um eine tosende Partymetropole vor den Toren einer Siedlung, die später einmal Neapel heißen sollte. Bis der Vesuv dem bunten Treiben ein Ende bereitete. Eine Brücke von den Gladiatoren zu den modernen Helden auf der Konzert-Bühne – das hat schon was.
Nun ist jenes Theater für Gilmour kein Neuland. Denn 45 Jahre zuvor, also in Relation zum Alter der Stätte ein Augenzwinkern, baute der Brite gemeinsam mit Pink Floyd in selbiger Arena ein Arsenal von Equipment auf, um einige Songs vor den menschenleeren Rängen zu performen. Und was damals Sachzwang war, nämlich die Filmaufnahmen, um diesen Moment für die Nachwelt festzuhalten, ist heutigentags eher ein Event. Wenn auch ein höchst beeindruckendes, so viel steht gleich zu Beginn fest. Dennoch merkt man selbst einem so erfahrenen Künstler wie Gilmour die Nervosität, ja geradezu die Ehrfurcht am Anfang der Show förmlich an. Und auch die Songauswahl beginnt bedächtig, in sich gekehrt, andächtig beinahe, sieht man vom geschmeidig gleitenden Groove von "Rattle that lock" oder "What do you want from me" ab.
Doch natürlich erfordern besondere Umstände besondere Songs. So überrascht Gilmour mit dem famos vom Background-Trio gesungenen "The great gig in the sky", was außerhalb des Kontexts von "Dark side of the moon" schon zu Pink-Floyd-Zeiten höchst selten den Weg auf die Setliste fand. So sind des gerade die Pink-Floyd-Fans, die direkt in Ekstase geraten angesichts des zeitlos wunderbaren "Wish you were here" oder dem giftigen Beat von "Money". Vor allem aber jedoch beim brachialen Bassgewitter von "One of these days", dem einzigen Song, der bereits 1971 vertreten war. Wer das Glück hatte, im vergangenen September einer der Kino-Vorführungen im monumentalen Dolby-Atmos-Sound beizuwohnen, der erinnert sich sicher an den geradezu barbarischen Druck, den die vermeintlich so simple Bassfigur zu entwickeln vermag. Und noch während die Sorge um die antike Bausubstanz im Hinterkopf steckt, schwebt das glitzernd-bittersüße, niemals zu Tode gedudelte "Shine on you crazy diamond" vorbei. Nur um vom introvertierten "Fat old sun" vom ewig unterbewerteten Album "Atom heart mother" abgelöst zu werden.
Wer jetzt sagt, hey, das ist ja zu fünfzig Prozent Pink Floyd, liegt vollkommen richtig. Und ganz ehrlich? Das ist an so einem Abend, in so einer Location auch verdammt gut so. Denn auf einmal ist jegliche Anspannung verflogen, und Gilmour lässt es noch einmal richtig krachen. Denn die zweite Hälfte der Show ist eine Demonstration, wie mächtig, aber auch zeitlos diese Klassiker von Pink Floyd noch klingen können. Kein Wunder, dass "On an island" oder "Today" zwischendurch etwas vereinsamt wirken, doch die Songs aus Gilmours Solo-Alben können durchaus mithalten und bieten – für manche sicher auch willkommene – Abwechslung zum Bombast-Gewitter der sattsam bekannten Klassiker. Dennoch: Pink Floyd sind seit 2014 offiziell Geschichte. Und auch wenn – oder gerade weil – Gilmour dankenswerterweise auf den ewigen Klassiker "Another brick in the wall part 2" verzichtet hat, ist "Live at Pompeii" ein Abend für die Ewigkeit, vor allem bei Genuss der Blu-ray auf angemessener Heimkino-Ausrüstung. Und das Amphitheater ist auch mehr als 2000 Jahre seit seinem Bau immer noch nur in übertragenem Sinn in Schutt und Asche gelegt.
Highlights
- Rattle that lock
- One of these days
- Fat old sun
- Sorrow
- Comfortably numb
Tracklist
- CD 1
- 5 a.m.
- Rattle that lock
- Faces of stone
- What do you want from me
- The blue
- The great gig in the sky
- A boat lies waiting
- Wish you were here
- Money
- In any tongue
- High hopes
- One of these days
- CD 2
- Shine on you crazy diamond (parts 1-5)
- Fat old sun
- Coming back to life
- On an island
- Today
- Sorrow
- Run like hell
- Time / Breathe (In the air) (Reprise)
- Comfortably numb
Gesamtspielzeit: 148:33 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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BVBe Postings: 793 Registriert seit 14.06.2013 |
2017-12-12 09:10:46 Uhr
Bluray liegt noch eingeschweißt zu Hause, aber ich freue mich drauf. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 26212 Registriert seit 08.01.2012 |
2017-12-11 21:24:22 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.Meinungen? |
BVBe Postings: 793 Registriert seit 14.06.2013 |
2017-08-30 09:21:18 Uhr
Die DVD und eine gute Fernseh-/Audioanlage helfen aber auch. Ist schon ein abgefahrenes Zeit-/Filmdokument.Gilmour live in der Royal Albert Hall (REMEMBER THAT NIGHT) hat mir übrigens seinerzeit auch sehr gut gefallen (und im Vergleich besser als PULSE mit Pink Floyd). Live at Pompeji ist auf jeden Fall ein interessanter Artikel - muss ich aber nicht soft habe, reicht später mal als Schnäppchen. |
Huhn vom Hof Postings: 5719 Registriert seit 14.06.2013 |
2017-08-29 18:25:51 Uhr
Pink Floyd live at Pompeii müsste man mal im Kino erleben können. |
Cpt. Obvious |
2017-08-29 16:52:53 Uhr
Zuerstmal von mir ein Kniefall vor einem der besten Gitarristen ever. Hat sein Ego oder sein Bankkonto es nötig, mit so einem Spektakel seine Musik zum x-ten Mal zu versilbern? Solo ist DG ja eher schnarchig, im Gegensatz zu Roger Waters. Na ja - der wallt sich ja auch so durch's Leben. :) Naja, als PF-Fan ist das ja eh' Pflichtprogramm, obwogl man schon zig verschiedene Live-Versionen von allen Liedern kennt. |
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Referenzen
Pink Floyd; Genesis; Yes; Peter Gabriel; Roger Waters; Steve Hackett; Brian Eno; Tangerine Dream; The Alan Parsons Project; Mike Oldfield; Archive; A Perfect Circle; Ian Anderson; Jethro Tull; King Crimson; Anathema; Lunatic Soul; Riverside; Anekdoten; Antimatter; Blackfield; Porcupine Tree; Steven Wilson; No-Man; Marillion; Gravenhurst; Kate Bush; The Gathering; Dredg; Paatos; IQ; Jelly Planet; Shadow Gallery; The Pineapple Thief; Clann Zú; Tenhi; Sigur Rós
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