Pete Wolf Band - Happy man
Na klar! / Sony
VÖ: 27.10.2017
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Auf einmal doch
Wolfgang Petry heißt jetzt Pete Wolf und macht Country-Rock. Durchatmen, sacken lassen, Kopfhörer auf. Die ersten Gitarrenakkorde von "Girl crush" erklingen und aus Angst wird Erstaunen. Denn "Girl crush" ist weder peinlich noch stumpf, sondern einfach nur hübsch. Natürlich hat der 65-jährige Sänger einen fürchterlichen deutschen Akzent. Und natürlich knödelt und quetscht er die Töne wie früher. Aber in keinem Moment kommt Panik auf. Der Song geht ins Ohr, das Arrangement sitzt. Die Komposition, die ursprünglich von Little Big Town stammt, gibt gleichzeitig die Richtung für das wohl überraschendste Comeback-Album des Jahres vor: Auf "Happy man" covern sich Wolf und seine Band einmal quer durch das AOR-Regal. Dabei gehen sie zwar kaum Risiken ein, sind jedoch recht geschmackssicher unterwegs.
Bedenkt man, dass noch vor wenigen Jahren die sehnsüchtig auf eine Rückkehr ihres Idols wartenden Fans mit Kapitalverbrechen wie "Brandneu" gemolken wurden, ist "Happy man" sogar eine kleine Sensation. Dass Franz Hubert Wolfgang Remling ein talentierter Entertainer war, streitet sicher niemand ab. Wer an den Bühnenqualitäten des Künstlers zweifelt, möge sich einen Mitschnitt eines seiner Stadionkonzerte aus seiner früheren Karriere gönnen. Souverän und gut bei Stimme begeisterte er damals die Massen, ohne erkennbar angestrengt zu wirken. Sein Rückzug sorgte für Bestürzung bei den einen und Erleichterung bei den anderen, doch war letzten Endes konsequent: Sich als alternder Mann mit Lockenmähne und Freundschaftsarmband-Armada auf den Bühnen der Nation zum Horst zu machen, hätte zwangsläufig in der Jürgen-Drews-Sackgasse geendet.
Nun also die Neuerfindung, Haare, Schnauzer und Armbänder sind weg, stattdessen trägt Wolf Stoppelbart und Schiebermütze. Die Zeiten der hemdsärmeligen Eierschaukelei sind fast vorbei. Nur "Leave the light on" und "Sigh no more" erinnern an frühere Tage. Ansonsten wird "Happy man" von getragenen Midtempo-Nummern dominiert, wobei der Sound leider zu glattgebügelt daherkommt. Gerade den von Wolf mit viel Herzblut eingesungenen Balladen hätte etwas mehr Dreck unter den Nägeln gut gestanden. Doch auch so dürften Menschen, die es gerne gemütlich angehen, mit dem "neuen Wolle" Freude haben. Songs wie das wehmütig swingende "In between dances" oder das akustische "Jesus take the wheel" gefallen gerade wegen ihrer Unaufgeregtheit. Pete Wolf muss niemandem etwas beweisen und weiß das genau.
Totalausfälle sind allerdings das von schrecklichen Streichern verunzierte "Little rock" und der Stadl-Stampfer "You raise me up". Immerhin eine Eigenkomposition hat es auf "Happy man" geschafft: "Getting old" ist zwar textlich keine Offenbarung, geht mit seinen perlenden Gitarrenfiguren aber als grundsolider Altherrenrock durch. Zu keiner Sekunde kommt der Eindruck auf, das Album sei aus Kalkül oder Geldnot entstanden. Vielleicht hat "Wolle" sich tatsächlich einen langgehegten Traum erfüllt. Und vielleicht verspürt der Sänger auch eine späte Genugtuung angesichts der vielen recht wohlwollenden Reaktionen auf seinen zweiten Frühling. Dieser sei ihm gegönnt. Wenn er den nun eingeschlagenen Weg konsequent weitergeht, ist eventuell sogar noch mehr möglich. Bleibt nur zu hoffen, dass nächstes Jahr nicht der Pete-Wolf-Megamix mit fetten Dancebeats erscheint.
Highlights
- Girl crush
- Jesus take the wheel
Tracklist
- Girl crush
- Little rock
- Jesus take the wheel
- Leave the light on
- I'd really love to see you tonight
- In between dances
- You raise me up
- Different shades of blue
- Not that different
- Independence day
- Sigh no more
- Getting old
- I'd really love to see you tonight (Orchesterversion)
Gesamtspielzeit: 44:31 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Frage |
2017-11-28 03:20:02 Uhr
Ist die Eigenkomposition denn tatsächlich ohne fremde Hilfe, also Produzenten, externe Songschreiber, Band etc. pp. entstanden? War bei dem Herren nie sicher, inwieweit der selbst überhaupt Zeug verfasst hat bzw. verfassen konnte. |
Markusewitz |
2017-11-26 14:13:18 Uhr
Also einen "fürchterlichen deutschen Akzent" höre ich zumindest bei "Girl Crush" jetzt nicht... |
Christopher Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 3576 Registriert seit 12.12.2013 |
2017-11-24 21:32:40 Uhr
Muss auch nicht sein. Ist jetzt keine Offenbarung aber im Angesicht seines bisherigen Schaffens eine durchaus anständige Wende.Wobei man mit seinem alten Kram natürlich schon Spaß haben kann. |
Felix H Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 9300 Registriert seit 26.02.2016 |
2017-11-24 21:25:03 Uhr
Die beiden Songs hauen mich jetzt nicht wirklich um, aber grottoid ist es tatsächlich nicht. Lust aufs Album macht es mir aber auch wiederum nicht. |
hay |
2017-11-24 20:58:39 Uhr
Richtig gutes Album! Nur 5/10?? Ich schäme mich für euch, Plattentests! |
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Referenzen
Wolfgang Petry; The Eagles; Mumford & Sons; The Doobie Brothers; Bob Seger; John Mellencamp; Neil Young; Bruce Springsteen; Steve Miller Band; Tom Petty And The Heartbreakers; America; Little Big Town; Bon Jovi; Ringo Starr; Chris Rea; Martha McBride; REO Speedwagon; Boston; Billy Joel; Creedence Clearwater Revival; Fleetwood Mac; John Fogerty; Eric Clapton; Lynyrd Skynyrd; Pam Tillis; Carrie Underwood; Collin Raye; Bachman-Turner Overdrive; Heart; 10cc; Dire Straits; Supertramp; Steely Dan; Traveling Wilburys; Johnny Cash; The J. Geils Band; Kansas; The Cars; John Denver; Phil Collins; The Band; Ted Nugent; Gunter Gabriel
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