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Herren - Neue deutsche Herrlichkeit

Herren- Neue deutsche Herrlichkeit

Laute Helden / SPV
VÖ: 17.11.2017

Unsere Bewertung: 1/10

Eure Ø-Bewertung: 5/10

Das Grauen

Dass Hubert Kah nicht mehr ganz von dieser Welt ist, ließ bereits das 2016 erschienene "Rock art" erahnen. Selten gab es ein deutschsprachiges Album, das weiter jenseits von Gut und Böse lag. Nach dem Release kam es zu teils absurden Auseinandersetzungen zwischen Künstler und medialer Öffentlichkeit, was im Hinblick auf Kahs durchaus unterhaltsames Frühwerk traurig stimmte. Um seinen Einstieg bei der Dessauer Band Herren zu verstehen, ist dieser Kontext wichtig. Denn schon auf "Rock art" kokettierte der ehemalige NDW-Star mit dem Genre der "Neuen deutschen Härte". Nun geht er in die Vollen: Herren sind in jeder Hinsicht eine typische Band. Männliche Männer, die ihre Instrumente wie Waffen halten und in Flammen stehen. Wobei man fairerweise sagen muss, dass sie von all den unzähligen Rammstein-Epigonen zu den versierteren zählen.

Was die Musiker geritten hat, Hubert Kah als Vokalisten zu engagieren, ist deshalb mindestens fragwürdig. Das Produkt dieser Kollaboration nennt sich ganz bescheiden "Neue deutsche Herrlichkeit", was nicht nur wahnsinnig provokant, sondern natürlich auch eine Anspielung auf die Initialen des Genres ist. Dies gibt Anlass zu der Vermutung, dass die Band Humor besitzt. Die Musik auf dem Album ist handwerklich solide und bleibt im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Im Viervierteltakt geben sich Stakkato-Riffs und Synthie-Läufe die Klinke in die Hand, während zwischendrin Streicher-oder Chorpassagen für Auflockerung sorgen. Alles halb so wild. Nötig ist das alles sicher nicht, aber eben auch nicht unbedingt verdammenswert.

Aber da ist ja noch der Sänger. Kah knurrt, jauchzt, stöhnt, krakeelt und jault derart wirre und bisweilen unfassbare Texte, dass schon nach wenigen Tracks der Wunsch nach plötzlicher Taubheit das Denken dominiert. Fast schon verzweifelt muten die Versuche an, möglichst morbide zu wirken. Bereits im eröffnenden "Mein" wird Nekrophilie mehr als angedeutet. Verse wie "Rhythmisch zuckend, liebestoll / Spritz' ich Dich mit meinem Leben voll" erzeugen physischen Schmerz. Hinterm Ofen sitzt übrigens schon lange keiner mehr. Doch Kah kennt nur eine Richtung: Abwärts. "Ich habe Dir ein Grab gemacht / Mit meinen Händen, kalt und bloß", ächzt er in "Komm zu mir" und erweckt damit tatsächlich Todessehnsucht. Zum Glück hat die Band mit "Seelenräuber" den passenden Song zur Gesamtsituation in petto: "Dreht Euch nicht um, die Räuber gehen um / Sie haben mir mein Herz gestohlen / Jetzt wollen sie Eures holen", singt eine Mädchenstimme im Refrain. Till Lindemann hat angerufen und möchte seinen "Engel" zurück.

Apropos Rammstein: "Eisengel" klaut derart offensichtlich bei "Asche zu Asche", dass die Urheberrechtsanwälte der Berliner wahrscheinlich schon mit den Hufen scharren. Andererseits müssten sie sich im Falle einer Klage den Song anhören, womit Herren auf der sicheren Seite sind. Gegen Ende passiert dann doch noch etwas Überraschendes: "Herzton" wagt den Sprung in die Industrial-Disco und landet denkbar unsanft. Hubsi Buh und die Schlossgespenster zelebrieren ihre ganz eigene Horrorschau. Kahs bis zur Unkenntlichkeit kaputtkomprimierte Stimme versinkt endgültig in der Kloake der Beliebigkeit. Alles ist egal. Inhalte überwinden. "Ich möchte einmal nach Amerika / In einem rosa Luftballon", verkündet er im Schlusstrack "Einmal nach Amerika", stilecht begleitet von einem Donald-Trump-Sample. Wirklich, wir leben in finsteren Zeiten.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • -

Tracklist

  1. Mein
  2. Liebessachen
  3. Nordwärts
  4. Seelenräuber
  5. Komm zu mir
  6. Eisengel
  7. Verliebt in den Teufel
  8. Brennst Du?
  9. Küss mich
  10. Herzton
  11. Einmal nach Amerika

Gesamtspielzeit: 43:53 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
#ichauch
2017-11-13 06:49:20 Uhr
Finde das Video total sexistisch :(
Dave Gähn
2017-11-10 13:35:46 Uhr
In dem Video sieht Hubert K aus wie Hape Kerkeling nach ner Crystal Meth-Kur.

Gruselig.

Christopher

Plattentests.de-Mitarbeiter

Postings: 3807

Registriert seit 12.12.2013

2017-11-10 13:22:00 Uhr
Ich mag Trash. Bin z.B. großer Fan von Scooter und Eurodance im Allgemeinen. Es gibt nen Unterschied zwischen schlechter Musik, die Spaß macht und schlechter Musik, die schmerzt. Ist natürlich subjektiv. Ich war bei Herren + Kah neugierig, ob Kah die Kurve bekommt. Es hätte ja auch ein durchaus anständiges Gewemmse werden können - musikalisch ist die Band, wie ich in der Rezi schrieb, eine der besseren Rammstein-Gedächtniskapellen. (Den fürchterlichen Industrial-Disco-Song ausgenommen.)

Natürlich leugne ich nicht, dass es Spaß bereitet, solche Rezensionen zu schreiben. Auch wenn ich mir hier wirklich zum mehrmaligen Hören der Platte zwingen musste.
@Christopher
2017-11-10 09:28:36 Uhr
Komm, tu doch nicht so. Als hättest du das nicht vorher gewusst. Als wärest du dazu gezwungen worden, das Album zu hören und zu rezensieren. Du wusstest, was dich hier erwartet und du fandest es geil.
Neue deutsche Hässlichkeit
2017-11-10 08:00:07 Uhr
Fan Box? Wer ist denn von sowas Fan?
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