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Morrissey - Low in high school

Morrissey- Low in high school

Etienne / BMG / ADA / Warner
VÖ: 17.11.2017

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Friede sei mit Dir

Ja gut, äh: "World peace is none of your business" war zwar der Titel der letzten Morrissey-Platte, aber so recht daran glauben will er wohl selbst am wenigsten. Kaum eine Person in der weitschweifigen Pop-Welt meldet sich so oft und vehement zu politischen, ethischen und gesellschaftlichen Themen zu Wort wie der einstige Frontmann der Smiths. Dabei übertrat er schon manches Mal Tabus, nicht ganz zufällig, versteht sich. Auch sein neues, mittlerweile elftes Soloalbum "Low in high school" möchte gar nicht erst um den heißen Brei herumreden, fällt am liebsten mit der sprichwörtlichen Tür ins Haus. Das Cover ziert darum auch ein jugendlicher Rebelle, der mit ausdruckslosem Blick vor den Toren des Buckingham Palace eine Axt schwingt und ein Protestschild reckt. Joa, eher so mittel-subtil. Und die Songtitel erst: "Home is a question mark", "The girl from Tel-Aviv who wouldn't kneel" oder "Who will protect us from the police?" – Morrissey nutzt seine Musik einmal mehr als Ventil. Gewohnt bissig, gewohnt divenhaft. Aber so soll es ja eigentlich auch sein.

Unter musikalischen Gesichtspunkten ist auf "Low in high school" jedenfalls so einiges los: Es gibt in dieser knappen Stunde dröhnende Beats, scheinbar fröhliche Pop-Melodien, zarte Hymnen und sensationellen Quatsch auf die Ohren, dass es eine helle Freude ist. Vorausgesetzt, man steht auf all dies. "My love, I'd do anything for you" eröffnet den Reigen als dramatisch inszenierter, dynamischer Opener, der vor allem durch seine Theatralik zu überzeugen weiß. Infernalische Streicher tragen zu Beginn dick auf, kurz darauf betritt Morrissey als großer Zampano die Bühne seines eigenen Stücks, betont dann angriffslustig: "Society is hell" und gibt damit gleich die Marschroute für das folgende Programm vor. "I wish you lonely" giftet wortreich weiter, ein bratziger Beat dient als Grundlage für Morrisseys gepflegte Kritik an sinnloser Kriegstreiberei: "Tombs are full of fools / Who gave their life upon command of / Monarchy, oligarch, head of state, potentate." Aber auch norwegische Walfänger oder Drogenabhängige bekommen in diesem Song ihr Fett weg, Morrissey macht da keine Unterschiede: Jeder, der nicht seinen hohen ethischen Standards entspricht, sollte sich besser in Deckung begeben: Der "Mozzer" läuft gerade erst warm.

Die Singleauskopplung "Spent the day in bed" klingt nur aufs erste Ohr beschwingt-fröhlich, was freilich an der feierlichen, recht poppigen Instrumentierung liegt. Darunter schwelt jedoch der Schmerz, den Morrissey empfindet, wenn er im Fernsehen die Nachrichten schaut und dabei von ausschließlich schlechten Neuigkeiten in Kenntnis gesetzt wird. Fordert er nun den Rückzug ins Private? Agiert Morrissey als Biedermeier des 21. Jahrhunderts? Wohl kaum. Eher geht es hier um ein zeitweises Ausschalten, ein Exit aus der Bilderflut, ein inneres Kräftetanken. Nur um anschließend noch bissiger zurückschlagen zu können. Was er dann prompt tut: "I bury the living" legt verstörend los, Gezirpe, ein pampiger Beat, später dann ein reduziertes, sich fast ins Aggressive steigerndes Soundkostüm, das sich über die ersten fünf Minuten langsam aufbaut und anschließend in eine scheinbar versöhnlich geträllerte Coda übergeht.

"The girl from Tel-Aviv who wouldn't kneel" arbeitet sich in der Folge an einem Tango ab, wodurch die politische Message auf seltsame Weise gebrochen wird. "All the young people must fall in love" überzeugt dagegen mit lockerem Beat, Handclaps und Bläsern und ist "am Ende des Tages" eines der überzeugendsten Stücke auf diesem fast schon unübersichtlichen Album. Stilistisch ist nämlich kein klarer roter Faden erkennbar, Morrissey verwebt unterschiedlichste Einflüsse in seinen Sound. "Who will protect us from the police?" erinnert in seinem elektronischen Gewand dann gar ein wenig an "Hopelessness" von Anohni. Den Schlusspunkt setzt der "angry old man" mit "Israel" und schlägt mit dieser Nummer den theatralischen Bogen zum Opener: Von Klavier und Marschtrommeln begleitet legt Morrissey seinen Standpunkt zum besungenen Staat dar – undiplomatisch in der Wortwahl, dramatisch im Ausdruck. 2017 nennt man so einen: Wutbürger.

(Kevin Holtmann)

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Highlights

  • All the young people must fall in love
  • When you open your legs

Tracklist

  1. My love, I'd do anything for you
  2. I wish you lonely
  3. Jacky's only happy when she's up on the stage
  4. Home is a question mark
  5. Spent the day in bed
  6. I bury the living
  7. In your lap
  8. The girl from Tel-Aviv who wouldn't kneel
  9. All the young people must fall in love
  10. When you open your legs
  11. Who will protect us from the police?
  12. Israel

Gesamtspielzeit: 55:02 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag
Kaspar
2019-04-11 16:54:01 Uhr
@Hmm (20.12.2017 - 03:46 Uhr) "Tut er aber nicht... zum Glück."

Hat er's doch getan! :-)
Karuortekol
2018-06-08 19:59:29 Uhr
Warum "Nö"?

Loketrourak

Postings: 2233

Registriert seit 26.06.2013

2018-06-08 08:35:19 Uhr
hmmmm
2018-06-07 20:21:26 Uhr
hatterdochrechtund?
Breaking
2018-06-07 20:14:27 Uhr
Morrissey expresses sympathy for jailed EDL founder Tommy Robinson

https://www.theguardian.com/music/2018/jun/07/morrissey-expresses-sympathy-for-jailed-edl-founder-tommy-robinson
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