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Converge - The dusk in us

Converge- The dusk in us

Epitaph / Indigo
VÖ: 03.11.2017

Unsere Bewertung: 9/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Der weiße Wal

Eigentlich sollte dieser Text mit der Frage einleiten, warum es Converge überhaupt noch gibt. Dass es gar nicht erst zu dieser Frage kommen darf, liegt natürlich auf der Hand. Sie wäre schlicht blöd. Klar könnte man die 27 Jahre ins Feld führen, die es diese Band nun schon gibt, oder die verhältnismäßig lange Zeit, die seit "All we love we leave behind" ins Land gezogen ist und in der sich die Bandmitglieder in diversen Projekten ausgetobt haben. Klar könnte man meinen, die nicht mehr ganz so jungen Herren hätten irgendwo auf ihren Wegen den Biss verloren. Dann aber fällt einem ein, dass Converge schon auf "Petitioning the empty sky" von 1996 – also zu einer Zeit, zu der der Verfasser dieser Zeilen nicht die leiseste Ahnung von den Möglichkeiten der Musik hatte – begonnen haben, brillant zu sein. Vor allem aber, dass diese Band trotz des 2001er-Klassikers "Jane Doe" und einer geradezu unglaublichen Trefferquote im Nachgang eigentlich noch nie den Eindruck gemacht hat, nur ein Stück weit satt oder müde zu sein. Ach, und dass der Vorgänger mit zum Besten zählt, was Bannon und Co. bislang veröffentlicht haben.

Es sind eben Converge. Eine Band, die man trotz lebenslanger Jagd nie wirklich zu fassen bekommt, die jetzt mit Macht zurück ins Zentrum der Aufmerksamkeit drängt. Und auf "The dusk in us" genug Selbstvertrauen im Gepäck hat, um auf das vorab veröffentlichte, großartige "Eve" verzichten zu können. Weil das Album als Gesamtwerk so gut ist und weil ein Song wie "Eve" womöglich auch nicht aufs Album gepasst hätte. Die Band schafft es mit der neunten Platte, auch darüber hinaus für hochgezogene Augenbrauen zu sorgen, indem sie en passant den eigenen Sound gründlich durchlüftet und selbigem noch ein paar neue Facetten abringt. Die auf dem Vorgänger ins Spiel gebrachte Zugänglichkeit darf sich auf "The dusk in us" mehr denn je ausbreiten, das Songwriting ist kompakter, die Bestie kommt noch ein Stück weit mehr auf Kante genäht daher. Und am Ende steht mit "A single tear" ein Opener, der jedwede Frage nach der Notwendigkeit von Converge für immer zerstäubt, ohne sich großartig anstrengen zu müssen. Es dauert Sekunden und schon man weiß wieder, was es noch gleich war, das diese Band meilenweit aus dem Durchschnitt empor hebt. Die Präzision, die allgegenwärtige Kunstfertigkeit hinter der harten Oberfläche, die Endgültigkeit, mit der Bannon seinen Beitrag ins Mikro presst und die simple Tatsache, dass der Song schmerzhaft direkt unter die Haut greift und seine Hörer emotional in Besitz nimmt.

Man weiß gar nicht, wohin mit all den Emotionen und Eindrücken, die auf einen einprasseln. Nur, dass jedwede Beschreibung ins Nichts führt, ist klar. All das geschieht im Fall von "A single tear" fast unverschämt eingängig, auf direktem Weg in Kopf, Herz und Verstand. Natürlich geht es auch ganz anders. "Eye of the quarrel" deutet den prototypischen Wutanfall direkt im Anschluss an, stattet aber doch lieber dem alten Kumpel Punk einen Besuch ab und prescht entsprechend straight nach vorne. Das vorab veröffentlichte "Under duress" gibt den zähen Schleifer, der, während er auslotet, wie viel Rückkopplung in einen Song passt, knapp vier Minuten lang unbarmherzig über alles hinweg mäandert. Fast wirkt es, als wären Converge genau für solche Stücke gemacht worden. Die eigentlichen Highlights liegen aber dennoch anderswo. Da wären zum einen die überraschenden Nummern, wie "Arkhipov calm", die belegt, dass an Converge durchaus eine Mathcore-Band verloren gegangen ist. Oder "Wildlife", die sich so nackt und subtil präsentiert, wie man es von dieser Band nie zuvor gehört hat. Zum anderen wäre da wie immer den Titeltrack. Der darf sich dieses Mal über sieben Minuten Zeit gönnen, dabei ganz tief in akustische und melodische Gefilde abtauchen und zumindest musikalisch zwischendurch einen Anflug von Licht ins ansonsten ausnahmslos in dunklen Farben malende Klanggewand bringen. Herauskommt ein Erlebnis von Song, eine ganz eigentümliche, fragile Form von Schönheit.

Die Brute-Force-Fraktion mag da schlucken, kommt aber auch so genug auf ihre Kosten, weil die Band das Tempo immer wieder merklich anzieht. Man beachte nur, wie "Broken by light" vage in Richtung "Orphaned" grüßt und sich in halsbrecherischer Manier in einen wilden Parforceritt stürzt. Nicht ohne dabei noch Platz für kurze Soli-Spielereien zu finden. Oder, wie sich "Cannibals" nach seinem anfänglichen, völlig unkontrollierten Tobsuchtanfall in den Griff bekommt und in nachvollziehbarere Bahnen einschwenkt. In unter 120 Sekunden. Zu diesem Zeitpunkt ist man bereits restlos überzeugt von "The dusk in us". Dann aber stellt sich "Thousands of miles between us" vor und präsentiert ohne Scheu, was Bannon aus seinem Wear-Your-Wounds-Ausflug zu Converge mitgenommen hat. Eine Converge-Ballade in kompaktem Format, ein weiteres Stück voll Anmut inmitten der garstig tönenden Ungetüme. Gefolgt vom perfekten Rausschmeißer "Reptilian", der ganz zum Schluss noch mal zeigt, zu was das Quartett in der Lage ist. Der Weg geht von einer flächendeckend beklemmenden Atmosphäre hin zu astreinem Hardcore-Geballer in unter fünf Minuten. Sogar für einen mustergültigen Breakdown ist sich die Nummer nicht zu schade.

Ein Song, der zeigt, wie der Laden zu laufen hat, wer der Chef im Ring ist. Nur für denn Fall, dass jemand kurz gezweifelt hätte. Ganz am Ende ist dann auch fast nichts mehr wichtig. Dass Converge noch nie so viele Melodien und Zugänge ins eigene Werk im Gepäck hatten, wie auf "The dusk in us"? Dass die Band noch nie so konzentriert und fokussiert klang? Nimmt man staunend zur Kenntnis. Doch zählt vor allem, was "The dusk in us" mit seinen Hörern macht. Das meint nicht, ob es sie liebend, leidend, euphorisiert oder mit einem Holzbein für immer vergrämt zurück lässt, sondern die bloße Tatsache, dass es sie verändert. Converge waren und sind mehr denn je eine Band, auf die man sich einlassen muss, die einem viel abverlangt, der man bedingungslos vertrauen muss. Ein Wagnis, das stets belohnt wird. Eines ist nämlich sicher: Nachdem "The dusk in us" mit einem endgültig fertig ist, wird man es nicht mehr vergessen. Nie mehr.

(Martin Smeets)

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Highlights

  • A single tear
  • The dusk in us
  • Trigger
  • Thousands of miles between us
  • Reptilian

Tracklist

  1. A single tear
  2. Eye of the quarrel
  3. Under duress
  4. Arkhipov calm
  5. I can tell you about pain
  6. The dusk in us
  7. Wildlife
  8. Murk & marrow
  9. Trigger
  10. Broken by light
  11. Cannibals
  12. Thousands of miles between us
  13. Reptilian

Gesamtspielzeit: 44:01 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Given To The Rising

Postings: 7679

Registriert seit 27.09.2019

2020-03-24 19:22:06 Uhr
Find ich auch besser als alles auf der The Dusk In Us, obwohl das auch ein großartiges Album ist.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 10783

Registriert seit 23.07.2014

2020-03-24 19:19:39 Uhr
Ja genau.

Given To The Rising

Postings: 7679

Registriert seit 27.09.2019

2020-03-24 19:17:53 Uhr
Aber der ist doch nur auf der I Can Tell You About Pain-Single drauf.

Affengitarre

User und News-Scout

Postings: 10783

Registriert seit 23.07.2014

2020-03-24 19:08:36 Uhr
"Eve" ist so ein fantastischer Song.

hexed all

Postings: 246

Registriert seit 15.06.2013

2020-03-21 22:19:32 Uhr
Ist bei denen ne Tour ausgefallen oder warum die Aktion? :)
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